Rezension zu "Zweistimmig" von Werner Graf
Als Alenas demenzkranke Großmutter überraschend stirbt, verfällt die junge Frau in schwere Depressionen. Dies ist immerhin nicht das erste Unglück, das ihre Familie heimsucht - als sie noch ein Kind war, wurde ihre Mutter Opfer eines Hirntumors, und ihren Vater hat sie niemals kennengelernt. Im nun verlassenen Haus ihrer Großmutter kämpft Alena gegen die Trauer, die Leere - und die Stimmen, die sich plötzlich in ihrem Kopf breitmachen. War es tatsächlich "nur" ein Hirntumor, der die Schizophrenie ihrer Mutter auslöste, und warum hortete ihre Großmutter Bücher über Okkultismus auf dem Dachboden?
"Zweistimmig" ist ein Roman, der seine Spannung ganz allmählich aufbaut. Fließt die Geschichte anfangs noch gemächlich dahin, sieht sich der Leser in der zweiten Hälfte zusehends mit Szenarien konfrontiert, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Die Autoren lassen ihre Protagonistin dabei stets auf einem hauchdünnen Grat zwischen Realität und Wahn balancieren. Gegen Ende nimmt die Geschichte dann dermaßen an Fahrt auf, dass es mir unmöglich war, das Buch aus der Hand zu legen. An Schlaf war - leider auch nach Beendigung der letzten Seite, angesichts der beklemmenden Bilder, die mir anschließend durch den Kopf spukten - nicht mehr zu denken.
Ein paar kleine Kritikpunkte habe ich dennoch vorzubringen, etwa die Tagebucheinträge von Alenas Mutter, aus denen man noch sehr viel mehr hätte rausholen können. Ich hatte die ganze Zeit über das intensive Gefühl, Tagebucheinträge einer Zwölfjährigen zu lesen, und nicht die einer zwanzigjährigen Erwachsenen. Außerdem bin ich immer wieder über ein paar kleine Stilblüten gestolpert, die mich zum Teil auch etwas schmunzeln ließen.
Nichtsdestotrotz haben Claudia Kolla und Werner Graf mit "Zweistimmig" ein spitzen Debüt vorgelegt, das ich gerne weiterempfehle.