Rezension
Biografienwerkstattvor 10 Jahren
Zwei sehr persönliche Auseinandersetzungen mit den Eltern und Großeltern findet man bei Christina von Braun (Jahrgang 1944) in dem Buch „Stille Post“ sowie bei Wibke Bruhns (Jahrgang 1938) in „Meines Vaters Land“. Beide erzählen jeweils aus einer persönlichen Sicht ihre eigene Familiengeschichte, die sie aus Briefen und Tagebüchern rekonstruiert haben. Gerade die persönliche Betroffenheit machen diese Erzählungen so interessant. Beide Autorinnen versuchen gar nicht erst zu verstecken, wie sehr sie selbst im Verlauf ihrer Recherchen unter der Flut der gesammelten Informationen leiden. Wibke Bruhns etwa wenn sie die Tagebucheinträge ihres Großvaters kommentiert mit „Was geht bloß vor in diesen Männern? In fast jedem Brief ist die Rede davon, dass jemand aus dem Freundeskreis oder aus der Familie gefallen ist. Drei der Vettern mit denen HG aufgewachsen ist sind tot (…) Kurt schreibt über die Beerdigung eilig in zwei Absätzen „es hat mich tief ergriffen“, um dann übergangslos „noch zwei Notizen“ anzuhängen: „Man isst jetzt hier im Excelsior-Hotel sehr gut“ (…) „Suppe, ein Gang und Speise für vier Mark. Ich war überrascht wie gut das Essen war.“Christina von Braun hat das Schweigen auch gleich zum Titel ihres Buchs gemacht: „Stille Post“. Im Zentrum steht die Großmutter, über die sie so wenig weiß und die doch eine faszinierende Persönlichkeit gewesen war. An sie, die am 30.9.1944 im Frauengefängnis in Berlin starb, richtet sie ihre reflektierenden Briefe, die sich durch das ganze Buch ziehen und die etwa so beginnen: „Liebe Großmutter, das erste Weihnachten nach Deinem Tod. Hilde verliert kein Wort darüber. Ihr Schweigen über Deinen Tod ist laut. Man hat den Eindruck, dass sie sich jedes Nachdenken über deinen Tod verbietet.“Viele solcher Bücher könnten in Deutschland geschrieben werden. Aber nicht jeder kann und mag das auf sich nehmen – und nicht jeder kann sich auf so viel persönliches Material stützen, wie diese beiden Autorinnen. Lesenswert ist es allemal.