Ein Gedichtband, der gerade mal fünf gezählte (und auch so nummerierte) Gedichte enthält – das hat mich erst einmal überrascht und gleichzeitig interessiert. Diese Gedichte, von denen jedes einzelne relativ kurz ist, liegen in vier Sprachen vor, oder vielleicht sollte man eher von Sprachvarianten reden. Axel Karner lebt und arbeitet zwar in Wien, doch er stammt aus Kärnten, und um dieses Bundesland und seine Menschen geht es hier. Alle Gedichte sind auf Deutsch und auf Slowenisch enthalten, und beide Sprachen zeigen zwei Varianten: Hochsprache und Dialekt. Den deutschkärntner Dialekt versteht man gut, wenn man österreichische Sprachvarietäten kennt, und die beiden slowenischen Varianten (ich kann kein Slowenisch, muss ich an dieser Stelle festhalten) sehen aus wie zwei unterschiedliche slawische Sprachen – dermaßen unterschiedlich ist das Vokabular (über die Grammatik kann ich naturgemäß nicht viel sagen).
Inhaltlich geht es um Kärnten, um die beiden Volksgruppen, um Verständnis und Toleranz, was bis heute in diesem Bundesland nicht immer selbstverständlich ist (ich erinnere nur an den verstorbenen Rechtspolitiker und Landeshauptmann Haider, der sich nicht entblödete, eigenhändig und medienwirksam zweisprachige Ortstafeln abzumontieren). Illustriert werden die Texte mit Zeichnungen von Wilhelm Dabringer, die über die Seiten laufen und ebenso wie die Gedichte eine Art durchgängige Geschichte erzählen.
Axel Karners Texte sind wortgewaltig und wuchtig – dafür ist der Autor in Österreich bekannt. Er nimmt sich kein Wort vor den Mund und attackiert frech, was zu attackieren ist. Wenn man dann im Verlagskatalog erfährt, dass Karner Religionslehrer ist, bleibt ein ungläubiges Grinsen zurück.
Nicht verheimlichen möchte ich, dass man sich Zeit nehmen sollte, die Gedichte zu lesen, denn so ganz einfach sind sie nicht. Zeit und Muße, und Interesse an der darin verborgenen Geschichte und daran, was es bedeutet, die Texte in vier Sprachen abzufassen (wobei es sich beim Slowenischen um Übersetzungen handelt, die nicht vom Autor sind). Aufschlussreich und interessant ist der Vergleich des Standarddeutschen mit dem Kärntner Dialekt (wer ihn kennt, dem hält sich der Klang der Wörter gleich im Ohr), und wer einer slawischen Sprache mächtig ist, wird auch der slowenischen Hälfte eine Menge abgewinnen können. Man lese die Gedichte mehrmals und immer wieder, um tiefer und tiefer in ihre Vielschichtigkeit einzudringen. Bei der überschaubaren Menge von fünf lyrischen Texten erfordert dies keine allzu große Kraftanstrengung.
Der Gedichtband erschien 2019 im Klagenfurter Wieser Verlag, der, wie passend, von einem Kärntner Slowenen geführt wird.