Wer nun meint, dass Prälat Wilhelm Imkamp, immerhin Mitglied der katholischen Theologenakademie, mit seinem Buch aufruft, sich im subversiven Untergrund, der „Szene“ als Katholik dringend aufhalten zu müssen (mithin jene Orte, die im Allgemeinen als Gegenpol zum kleinbürgerlichen „Spießer-Sein“ gelten), der wird sich natürlich umgehend getäuscht sehen.
Imkamps Argumentation ist eine andere. Gerade da, wo die Kirche sich, auch sperrig, „gegen den Mainstream“ bewegt, gerade da, wo auch tradierte, als „wahr“ erkannte Werte und Haltungen gehalten und verteidigt werden gegen eine drohende , allzu große, Anpassung an „die Welt“, da zeigt sich der katholische Christ eben nicht als „Spießer“, als einer, der ganz in den Regeln der Welt aufgeht, sondern als „Widerständler“. Eher im konservativen denn im progressiven Sinne, aber in der sachlich richtigen Betrachtung des „Spießertums“ ist das durchaus logisch verständlich. Gerade weil sich Imkamp ja auch so vehement gegen die „Bürokratisierung des Glaubens“ wendet und immer wieder die spirituelle Erfahrungsdimension betont.
Andererseits spielt Imkamp natürlich mit inhaltlich gefüllten Begriffen, die zwar in der Sprache zunächst Aufmerksamkeit erregen mögen, in ihrem durch Imkamp vertretenen Inhalt doch am allgemeinen Sprachgebrauch und Verständnis eines „Anti-Spießers“ vorbeigehen.
Mithin also nicht um Lockerung, Revolte, Erweiterung allgemeiner Freiheiten ist seine Schrift zu verstehen, sondern als „innere Beweglichkeit“, die es nur am „festen Geländer“ der katholischen Lehre und in Person des Papstes geben kann.
Anders als die anderen, ja. Widerstand ja. Sicher gegen den Zeitgeist, hier aber gegen den Zeitgeist der zu starken Moderne und damit , recht verstanden, auch gegen den Geist der der sich weiter entfaltenden individuellen Lebensform. Mit einer Argumentation, die zu sehr „innerkatholisch“ (z.B. in Bezug auf die Kleidung von Priestern) aufbaut, denn die tatsächlichen, auch „weltlichen“ Probleme einer hoch individualisierten Lebenshaltung benennt. Hier wäre ja durchaus eine zentrale Chance gewesen (mehr als nur in Randbemerkungen), Theologie, Ethik, Religion und Spiritualität diskursiv und nicht im Appell als Gegengewicht zu einer erodierenden Gesellschaft der reinen egozentrischen Selbstverwirklichung zu setzen.
Sätze wie: „Lassen wir uns den Glauben nicht zertrampeln“ geben von Beginn an nun einmal eine bestimmte Färbung, die das verkrustete Bild der katholischen Kirche in manchen Teilen der Gesellschaft nicht aufbricht. Bei aller Verdeutlichung auf die seelsorgerliche Freiheit, die Imkamp durchaus betont als Möglichkeit eines offenen Kontaktes zur Welt sieht.
Mit einem Schlachtruf wie „Beten statt Debattieren – Höchste Zeit zur Neuevangelisierung“ aber setzt Imkamp schon im ersten Kapitel klare Leitplanken, die nicht auf einen offenen Diskurs hindeuten, sondern die Leserschaft eher polarisieren werden. In jene, die überzeugt katholisch bei seinen Ausführungen ein „Endlich!“ verspüren werden und jene, die andererseits sich in ihren Vorurteilen bestätigt sehen werden.
Dennoch ist das Buch keine dumpfe dogmatische Abhandlung. Eloquent stellt Imkamp die naturgemäße Innerlichkeit des Glaubens heraus, erläutert überzeugend die auch befreiende Wirkung von Dogmen (gerade am Dogma der Jungfrauengeburt) und bietet so eine durchaus anregende „katholische“ Lektüre mit Witz und Esprit. In der er aufzeigt, wie sehr und erkennbar geschichtlich der katholische Glaube und katholische Christen sich eben als „nicht angepasst“ auch im besten Sinne finden lassen. Aber eben fest auf den verankerten Traditionen und Haltungen der katholischen Kirche. „Missionierung“ ist sein Ziel, nicht der gesellschaftliche Diskurs im progressiven Sinne. Das sollte man vor der Lektüre wissen.