Schon seit jeher ist die Menschheit auf der Suche. Auf der Suche nach Wissen, nach Reichtum, nach neuem Boden, Gelehrtheit und auf der Suche nach Glück. Geld, Gold, viel Sex oder Macht bedeuten nichts, wenn man nicht auch glücklich ist. Viele Philosophen haben sich den Kopf zerbrochen, wie dieses doch so flüchtige Gefühl dauerhaft herzustellen ist. Ratgeber beschäftigen sich mit der Suche nach Glück und der Erfüllung des menschlichen Lebens. Herr Rossi ist auch auf der Suche. Jeder hat sicherlich ein eigenes Verständnis von Glück. An einem heißen Sommertag mag ein kühles Eis ein Glücksgefühl hervorzaubern, an einem kalten Wintertag ein heißer Grog.
Doch was wäre es nicht schön, immerdar glücklich zu sein? Wäre dies nicht erstrebenswert? Dann müssten wir uns nicht mehr mit den alltäglichen Sorgen und Nöten herumquälen. Ein Leben in Glückseligkeit. Was wundert, ist, dass in unserer kapitalistischen westlichen Gesellschaft sich nicht schon jemand das Glück hat patentieren lassen. Hier nun ist eine herrlich überbordernde, nie in ihrer satirischen Lust nachlassende Parodie auf diese ewige Suche.
Edwin Vincent de Valu ist bei einem mittelgroßen Verlag als Lektor beschäftigt, verheiratet mit einer perfekten, schönen Frau, kämpft er sich Tag für Tag durch die Flut der unverlangt eingereichten Manuskripte. Zusammen mit ihm kämpft seine Kollegin May, die heimlich in ihn verliebt ist. Bissig und ironisch beschreibt Ferguson die Arbeit im Verlag, wobei mir die Standard-Ablehnungsschreiben nicht weit von der Realität entfernt vorkamen. Der Redakteur ist ein Alt-Hippie, der versucht den Verlag immer aktuell zu halten. Aktuell sind Ratgeber in Mode. Ratgeber über alles mögliche, warum nicht auch über Schweinebauch?! "'Unorthodoxes Denken, Edwin, daran hapert es. Unorthodoxes Denken. Frauen, Schweinebauch: ist doch ganz klar, Edwin. Ich möchte, dass sie einen Gesundheits- und Diät - Ratgeber zusammenstellen, der Frauen zeigt, wie sie mit Schweinefleisch abnehmen können. Es wird eine ganz neue Theorie werden. Wir können sie das 'Schweinefleisch-Paradox' nennen'. Eine Stille trat ein. Eine lang anhaltende Stille. So lange, dass es schon mehr eine Epoche als eine Stille war. Kontinente driften. Gletscher krochen Bergflanken hinunter." Eines Tages bekommt Edwin ein Manuskript namens 'Was der Berg mich lehrte' von einem unbekannten Tupak Soiree geschrieben. Verziert mit Gänseblümchen. Mit dem Gedanken: schon wieder ein Lebenshilferatgeber (STÖHN), wirft Edwin diesen in den Mülleimer. Auf dem darauffolgenden wöchentlichen Planungstreffen für das nächste Herbstprogramm erwähnt Edwin, mangels eigener Masse, dieses Buch als das nächste große Ding. An seinem Platz zurückgekommen, stellt er fest, dass der Mülleimer geleert ist. Die tagelange Suche, selbst auf der städtischen Müllkippe, ergibt kein Resultat. Verzweiflung erfasst Edwin. Das Manuskript bekommt er wenig später von dem nun glückseligen, ehemaligen Hausmeister in die Hand gedrückt. Und das Buch dann aufgelegt und unlektoriert, wird ein Knüller. Es verwandelt die Menschheit in eine gleichförmige, glückselige Masse. Außer Edwin. Ist das endlich das Ziel, wovon jeder geträumt hat? Edwin ist skeptisch.
"May, alles um uns bricht zusammen. Alles. Ich rede hier von der Gesellschaft, dem Land, der Wirtschaft. Es ist das Ende des Lebens, das wir kennen. Und Warum? Wegen Tupak Soiree und seiner Computer-generierten Formel für das menschliche Glück. Du hast gesagt: 'Na und, dann werden die Menschen eben glücklich. Was ist so schlimm daran?' May, unser ganzes Land basiert auf den menschlichen Schwächen, auf schlechten Angewohnheiten und Unsicherheiten. Mode. Fast Food, Sportwagen, Technik-Schnickschnack. Sexspielzeug. Diätzentren. Haarpflegesalons für Männer. Kontaktanzeigen. Religiöse Sekten. Profisport-Teams - lauter Ersatzbefriedigungen. Friseursalons. Unser gesamtes Land beruht auf Selbstzweifel und Unzufriedenheit. Männliche Midlife-Crisis. Konsumrausch. Überleg dir doch mal, was passieren würde, wenn die Menschen je wirklich glücklich wären. Wirklich zufrieden mit ihrem Leben. Es wäre katastrophal. Das gesamte Land, seine ganze Maschinerie würde zum Stillstand kommen."
Für Edwin ist die Glückseligkeit nicht das Ziel, er braucht Leidenschaft, die lodert und versengt. Wem kommt nun nicht der bayrische Engel in den Sinn, der gelangweilt auf seiner Wolke sitzt und Halleluja in den Himmel kräht. Das kann es nicht sein! Doch die Woge hat das Land schon erfasst und die Industrien die auf den Frust der Menschen aufgebaut sind, kommen zum Erliegen. Edwin kämpft gegen diese Gleichförmigkeit. Tupak Soiree sondert seinen geistigen Dünnpfiff in Late-Night-Shows ab. Dieser Mann muss weg, dann kann die Menschheit wieder leiden. Er will die Traurigkeit hervorholen.
Ab jetzt müsst ihr Edwin auf seinem Weg selber folgen. Es entwickeln sich noch die eine und andere Überraschung, bis das Buch endet. Lasst euch gesagt sein, dass dieses Buch wirklich glücklich macht. Ihr werdet schmunzeln, lauthals lachen und vielleicht sogar die eine oder andere Träne vergießen. Nicht nur, dass das Buch durchgehend gut, zynisch, witzig und mit einem kleinen Schuss Philosophie gesegnet ist. Nein, auch die handelnden Nebenfiguren sind herrlich in Szene gesetzt. Der Alt-Hippie als Redakteur, die getretene Katze, der geschasste Autor. Wunderbar, ergötzlich in Klischees getaucht und über die Geschichte gegossen. Ja selbst das Autofahren wird zu einem sprachlichen Genuss.
"Edwin Vincent de Valu trieb den Wagen seiner Frau hauptsächlich mit seinen Flüchen an. Er beschimpfte und verfluchte das saft-und kraftlose, kleine, zweitürige Heckklappenmodell, malträtierte die Kupplung und fuhr ruckelnd und zuckelnd durch die Wohnstraßen von South Central Boulevard. Bald hatte er sein Reservoir an Hasstiraden ausgeschöpft und ging dazu über, wahllos Fußgänger, Haustiere und ab und an einen Busch oder Strauch zu beschimpfen."
Ein Buch das Monty Python bestimmt gerne verfilmt hätten. Ein schönes, glücklich machendes Buch. Aber glückselig werdet ihr davon zum Glück nicht. Da hat Edwin und Will Ferguson etwas dagegen zu setzen. Natürlich ein Highlight meines Lesejahres 2018.