Der alte Mann lauschte, und sein Lächeln war so voller Traurigkeit, so voller Mitleid mit allem, daß ich es niemals wieder vergaß. (Seite 47)
Meine Meinung
Es sei zugegeben, daß ich den Namen Willa Cather noch nie gehört hatte, als ich auf dieses Buch gestoßen bin. Mit vielen Lorbeeren versehen hatte ich hohe Erwartungen an das Buch. Nun, ausgelesen, weiß ich nicht so recht, was ich vom Buch halten oder genauer: wie ich es einordnen soll.
Um eines gleich vorweg zu vermerken: es hat mir durchaus gut gefallen. Auch wenn ich nicht so ganz nachvollziehen kann, weshalb der Roman als „Klassiker“ oder gar „Meisterwerk“ gilt. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase las es sich sehr gut; die Autorin gibt anschauliche Beschreibungen und hat einen flüssigen Erzählstil.
Meine Irritation hinsichtlich des Buches rührt daher (aber vielleicht interpretiere ich auch falsch), daß ich das Gefühl habe, als ob der Roman aus Sicht einer Städterin mit einer leicht (und manchmal stärker) verklärten Sicht auf das Landleben früherer Zeiten geschrieben ist; die Autorin hat ja ihr Leben lang das Leben in der Großstadt (New York) bevorzugt. Die Härte des Lebens an der Frontier konnte ich beim Lesen des Buches nicht nachvollziehen; auch wenn sie von schweren Zeiten und Problemen schrieb, hatte ich das Gefühl, als ob alles wie von selbst gehen würde. Ohne größere Schwierigkeiten - aber das war damals ganz sicher nicht so. Das gipfelte darin, daß ich während des gesamten „Buches 3“ den Eindruck bzw. das Gefühl hatte, daß das auch in einer Stadt in Deutschland zu der Zeit hätte spielen können, wozu die ausführliche Theaterbeschreibung sicherlich ihren Teil beigetragen hat.
Das ganze Buch empfand ich von einer melancholischen Grundstimmung getragen. „Erinnerung“ ist das Stichwort, das mir schließlich auf Seite 268 kam, immer wieder Erinnerungen - das ganze Buch ist eigentlich eine einzige Erinnerung an eine längst verflossene Zeit und vor allem Jugend. Daher auch der „helle Schein“, die Verklärtheit, die allenthalben aus der Erzählung hervorlugt. Das Ganze kulminiert als Höhepunkt (des Buches?) für mich in dem Absatz auf S. 296f (Anaconda-Ausgabe): „Ich lag noch eine lange Weile wach, bis der Mond auf seiner Bahn über den Himmel langsam an meinem Fenster vorbeigezogen war. (…)“. Als ob das Buch auf diesen Absatz hin geschrieben worden wäre.
Ein Gesamturteil fällt mir, auch einige Zeit nach dem Lesen, immer noch schwer. Der Roman hat sich gut und angenehm gelesen und mir durchaus einige schöne Lesestunden bereitet. Und auch, wenn ich gerne Bücher lese, die am Ende gut ausgehen und/oder im Amerika des „Wilden Westens“ spielen, hat mich dieses Buch, obwohl beide Faktoren erfüllt sind, letztlich bis zu einem gewissen Grad unschlüssig zurück gelassen. Ich kann das nicht genau an etwas festmachen; vielleicht habe ich zu viele Bücher über jene Zeit gelesen und zu viele Western gesehen, so daß ich über weite Strecken das Gefühl hatte, hier wurde alles „weichgespült“. Für die Zeit der Frontier zu weich. Vielleicht aber habe ich auch nur eine falsche Vorstellung und alles falsch aufgefaßt. Wer weiß das schon.
Sollte ich den Roman in einem Wort beschreiben müssen, würde ich allerdings deren drei benötigen: Melancholisch-wehmütige Erinnerung.
Mein Fazit
Eine melancholisch-wehmütige Erinnerung des Erzählers an seine Jugendzeit. Auch wenn mich das Buch nicht ganz überzeugen konnte, werde ich es vermutlich ein zweites Mal lesen. Was eigentlich dann doch für das Buch spricht.