Cover des Buches Nächtliche Vorkommnisse (ISBN: 9783716026052)
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Rezension zu Nächtliche Vorkommnisse von William Gay

Rezension zu "Nächtliche Vorkommnisse" von William Gay

von Wolkenatlas vor 15 Jahren

Rezension

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Wolkenatlasvor 15 Jahren
Hardcore Albtraum aus den Wäldern Tennessees… William Gay, der in den Wäldern Tennesees zurückgezogen lebende Autor, hat nach „Provinzen der Nacht“, „The Long Home“ und den Erzählungsbänden „I See The Evening Sun Go Down“ und „Wittgenstein’s Lolita“ (die drei letzeren noch nicht übersetzt) einen weiteren Roman veröffentlicht. „Nächtliche Vorkommnisse“ (Originaltitel „Twilight“) beginnt in einer (durch die kursive Schreibweise auch optisch) an Cormac McCarthy erinnernden Einleitung, die sich später als vorgezogener Prolog des Finales entpuppt. Damit endet jedoch auch schon jeder Vergleich mit Cormac McCarthy, dessen „„Kein Land für alte Männer“ Stephen King auf dem Cover als quasi Ausgangspunkt für diese „doppelte Dosis“ zitiert. „Die Toten wurden auf einer strohbedeckten Pritsche zur Schau gestellt. Also der Schlag soll mich treffen, sagte ein dicker Mann. Er zeigte auf eine blutige Masse krauser Haare. Kannst du dir denken, warum der Killer auch den Hund getötet hat? Das hab ich mich auch schon gefragt, sagte Sandy. Ich glaub, es war einfach nichts anderes zum Töten mehr übrig.“ Die Geschwister Tyler (Corrie und Kenneth) machen 1951 in einem Dorf in Tennessee die Entdeckung, dass der Bestattungsunternehmer Fenton Breece sich an den von ihm bestatteten Leichen vergeht. Die ersten Beweise sichern sie sich, indem sie Gräber öffnen. Um weitere Beweise zu sichern, stehlen sie Fenton Breeces Tasche, in der sich Fotobeweise der Nekrophilie des Bestatters befinden. Gleichzeitig lässt uns William Gay an der Lebensgeschichte Granville Sutters teilhaben, der wenig später von Fenton Breece angeheuert wird, um die Fotos von den Geschwistern, die den Bestattungsunternehmer erpressen, zurückzuholen. Dass Granville Sutter für seine Mordlust bekannt ist, kommt Breece nur entgegen. Damit beginnt eine albtraumhafte literarische Reise durch nächtliche Gefilde, die der Leser so schnell nicht vergessen wird. William Gay schreibt oft fragmentarisch, bruchstückhaft und überlässt den Mosaiksteinen viel Zeit, um sich in das Gesamtbild zu fügen. Dadurch kommt das Buch, auch nach einer Feuerwerkseröffnung nur langsam in Fahrt. Wenn diese Dampflokomotive der Nacht dann aber in Fahrt ist, ist sie nicht mehr zu bremse. Atemlos, sprachlos und schockiert folgt man Kenneth Tyler auf der Flucht vor den irren Granville Sutter. William Gays Sprache ist relativ einfach, gewinnt aber meiner Meinung nach gerade dadurch eine wirklich eigenwillige leuchtende archaische Kraft. Hier ist der Unterschied zu Cormac McCarthy besonders auffällig. Während auch die grausamsten Momente in „Kein Land für alte Männer“ stilistisch immer noch immens fein und raffiniert sind, so ist William Gays Prosa vergleichsweise grobschlächtig. William Gays Sprache ist relativ einfach, jedoch auf frappierende Weise konsequent und erreicht meiner Meinung nach gerade deshalb auch eine wirklich eigenwillig leuchtende archaische Kraft. Beeindruckende Dialoge, packende Metaphern, rabenschwarze psychologische Einsichten und eine regennasse Jagd durch den Wald, sowie ein „Grande Finale“ sind die weiteren Zutaten dieses grausam faszinierenden Romans, dessen lebhafte Bilder sich wie Kletten im Hirn des Lesers festsetzen… Eine absolute Empfehlung für LeserInnen mit starken Nerven…
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