Cover des Buches Herr der Fliegen (ISBN: 9783596950287)
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Rezension zu Herr der Fliegen von William Golding

Eskalierendes Gedankenexperiment

von Buchperlenblog vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Zu recht ein Klassiker: Interessantes Gedankenexperiment, dass nach und nach eskaliert!

Rezension

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Buchperlenblogvor 6 Jahren

Inhalt

Ein unbekannter Krieg, ein plötzlicher Flugzeugabsturz, eine unbewohnte, tropische Insel. Wundersamerweise überleben nur die Kinder, die in diesem Flugzeug von jenem Krieg evakuiert werden sollten. Ein Experiment der menschlichen Psyche beginnt.

Rezension

Kinder sind der Inbegriff der Unschuld, so sagt man. Das Gute steckt in jedem von uns, und das Kind ist der Träger dessen, bis es erwachsen wird und vergisst. William Golding geht dieser Annahme Anfang der 50er Jahre in einem interessanten Gedankenexperiment nach. Was wird aus Kindern, wenn sie sich selbst überlassen werden, fernab jeglicher bekannter Zivilisation?

Nachdem sich die wenigen Kinder auf der Insel zusammengefunden haben, stecken die altbekannten Richtlinien der Erwachsenenwelt noch tief in ihnen. Sie suchen einen Anführer und finden ihn in Ralph, einem Jungen, der sowohl Souveränität als auch Ruhe ausstrahlt. Doch von Beginn an steht ihm Jack gegenüber, der Rothaarige, der ein gewisses Maß an Gewaltbereitschaft ausstrahlt. Er und seine ehemaligen Chormitglieder werden zu Jägern auserkoren, der Rest der Kinder bekommen Aufgaben zugeteilt wie Hüttenbau und Feuer. Feuer ist sowieso das wichtigste, denn ohne Feuer kein Rauch, und ohne Rauch keine Rettung. Immer und immer wieder erinnert Ralph die Anderen daran, doch je länger sie auf der Insel bleiben müssen, umso mehr wird dieses Wissen in den Hintergrund gedrängt. Spiel und Vergnügen sind schneller zu haben als langfristiges Planen und Regeln befolgen. Ralph und Piggy, ein dicklicher Junge mit Brille, der schon zu Schulzeiten immer für den Spott der anderen herhalten musste, sind nahezu die einzigen, die an der Dringlichkeit der Rettung noch festhalten.

Während Jack in seiner Aufgabe der Jagd mehr und mehr aufgeht, verrohen er und seine Jäger zusehends. War es anfangs noch undenkbar, in das weiche, lebende Fleisch eines wilden Schweines mit einem selbstgebastelten Speer zu bohren, scheint nach nur wenigen Tagen oder Wochen bereits alles möglich. Der Leser verfolgt, wie das Wilde sich aus den Kindern immer mehr Bahn bricht, zu Tage tritt und sie die anerzogenen Regeln als leere Hülle zurücklassen.

Das Buch mag sich an mancher Stelle etwas ziehen und der Ausspruch „Ich habe die Muschel!“, auf den meisten nur mit höhnischem Gelächter geantwortet wird, ließ mich zunehmend mit den Augen rollen. Doch diese Muschel, die am Anfang alle zusammen rief und die den Respekt der anderen Kinder beanspruchte, ist eines der letzten Symbole der ziviliersten Welt auf dieser tropischen Insel, irgendwo im Meer. Als auch noch von einem Monster die Rede ist, dass die Kinder in der Nacht überfallen wird, dreht sich die Spirale der Gewalt, die die Kinder selbst entfesselt haben, immer schneller auf ihren infernalen Höhepunkt zu. Außenseiter und jene, die auch in der zivilen Bevölkerung kaum eine Chance zum (über-)Leben hatten, haben es auf dieser Insel, dem Reich des Herrn der Fliegen, ganz besonders schwer. Denn hier zählt nur noch das Gesetz des Stärkeren.

Es ist eine erschreckende Entwicklung, die die Kinder hier in kürzester Zeit durchmachen, vom verhätschelten Chorknaben zum Wilden ohne Moralvorstellung. Und doch ist es nicht gänzlich undenkbar. Vielleicht wäre es anders verlaufen, wenn es nicht nur Jungen gewesen wären, die in diesem Flugzeug saßen und abstürzten, vielleicht wäre die Entwicklung freundschaftlicher verlaufen, wenn ein paar Mädchen zur Harmonie zwischen den Kindern beigetragen hätten. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.

Fazit

Ein großartiger Gedankengang, den William Golding im Herrn der Fliegen ausgearbeitet hat. Ein Experiment, dass die Gewaltbereitschaft der menschlichen Natur zeigt. Gut geschrieben, in einer einfachen, intensiven Sprache.

Bewertung im Detail

Idee ★★★★★ ( 5 / 5 )

Handlung ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Sprache ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Emotionen ★★★★☆ ( 4 / 5 )

= 4.2 ★★★★★


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