So sehr ich die Werke von Isabel Allende auch schätze - „Das Geisterhaus“ hat einen Platz in der Riege meiner Lieblingsbücher sicher – hier hat die Dame des Guten zu viel getan. „Der Tote im Smoking“ stammt zwar nicht aus der Feder der chilenischen Schriftstellerin, wäre aber ohne ihre Ermunterung sicher auch nicht entstanden. Autor des Buches ist nämlich niemand geringeres als ihr Ehegatte William C. Gordon, dessen Ambitionen zum Schreiben sie in der Vergangenheit nachdrücklich gefördert hat. Und nach der Lektüre des, laut Kollegin Amy Tan, angeblich so „fesselnden Thrillers“, bleibt nur zu konstatieren – hätte sie das mal lieber gelassen. Der erste Band der mittlerweile drei Bücher umfassenden Reihe um den Hobbydetektiv Samuel Hamilton lässt all das vermissen, was einen guten Krimi ausmacht und entlarvt in erschreckender Deutlichkeit das mangelnde schriftstellerische Talent des Möchtegern-Schreiberlings. Diese Warnung sei absichtlich vorangestellt, da sich der interessierte Leser vom neugierig machenden Klappentext durchaus zum Kauf verführen lassen könnte.
Die Geschichte beginnt im San Francisco des Jahres 1960. Samuel Hamilton, Anzeigenverkäufer bei der Zeitung, der den Wunsch hegt Reporter zu werden, fristet sein tristes Dasein zumeist in den verrauchten Räumen der Camelot Bar, um sich nach ein paar Gläsern Alkohol über sein unerfülltes Liebesleben auszulassen. Ein offenes Ohr hat für ihn oft nur sein exzentrischer Freund Reginald Rockwood III., dessen elegant gekleidete Gestalt im starken Kontrast zum sonstigen Publikum des von Verlierern besuchten Etablissements steht. Als dieser eines Tages bei einem Unfall stirbt, trifft Samuel der Verlust hart. Umso überraschter ist er, dass kaum ein anderer seine hohe Meinung von Reginald teilt. Im Gegenteil: Die meisten haben sich von diesem ferngehalten. Und selbst die mitteilungsbedürftige Wirtin Melba verstummt, wenn das Thema auf den Verstorbenen kommt. Den Höhenpunkt stellt schließlich die Beerdigung dar, welche Samuel als einziger besucht. Langsam rührt sich in ihm Misstrauen.
Wer war dieser Reginald eigentlich wirklich? Was für ein Leben hat er abseits der Camelot Bar geführt? Und war sein Reichtum vielleicht nur gespielt? Da ihn sein Anzeigenressort bei der Zeitung nur wenig fordert, geht Samuel dem Ganzen näher nach und stößt bald in äußerst kriminelle Kreise vor, welche ihn bis in das Herz von Chinatown führen … und damit auch in äußerste Gefahr.
Was sich auf den ersten Blick wie ein typischer Noir-Krimi im Stile Chandlers liest, entpuppt sich bereits nach wenigen Seiten als halbgarer, zäher Aufguss, dem es, neben Witz und Klasse, vor allem an Tempo mangelt. Schon kurz nach Beginn scheint jede Seite schwerer zu werden, das Blei nur so zwischen den Wörter zu hängen, derart müde kriecht der Plot daher, den der schrecklich langweilige und zudem noch äußerst unsympathische Hauptprotagonist einfach nicht zu tragen vermag. Die Nachforschungen Samuels sind so spannend wie ein Besuch beim Baumarkt. Sein erfolgloses Liebesgeplänkel ungefähr so erotisch und aufregend wie Cindy Marzahn im Bikini. Egal wohin der Krimifreund seine Aufmerksamkeit richtet – hier will einfach so gar nichts zusammenpassen. Die Rädchen greifen nicht ineinander, der Handlung geht jeglicher Esprit ab. Fast wirkt es so, als hätte die gute Frau Allende ihren Gatten bei der Niederschrift noch anfeuern müssen. Anders lässt sich diese Ideenarmut, dieser völlige Abwesenheit von Leichtigkeit, nicht erklären.
Nicht selten können solche Negativpunkte mittels einer gelungenen Atmosphäre wett gemacht werden – aber auch hier vollzieht „Der Tote im Smoking“ eine Bruchlandung. Die biedere Prosa des Autors vermag seinen Schauplätzen nicht das geringste Leben einzuhauchen. Mehr noch: Die Kulisse versumpft schon nach kurzer Zeit in einer betäubenden Belanglosigkeit. Von 60er-Jahre-Flair fehlt jegliche Spur. Und auch die Bedrohungselemente verpuffen wirkungslos, während sich Samuel Hamilton von Indiz zu Indiz schleppt. So bleibt dem „Vielleicht-wirds-doch-noch-besser“-Gedanken letztlich, trotz einiger leidlich amüsanter Passagen, eine Belohnung gänzlich vergönnt.
Ein insgesamt nicht lesenswertes, handwerklich schlechtes Romandebüt, dessen zwei Fortsetzungen sich Gordon genauso getrost hätte sparen können, wie der Hoffmann & Campe Verlag deren Übersetzung. Im Anbetracht der Tatsache, dass so viele Krimiperlen hier in Deutschland bisher unveröffentlicht geblieben sind, ist der Druck von „Der Tote im Smoking“ beinahe schon ein Schlag ins Gesicht.