Im Jahr 1946 schrieb William Lindsay Gresham (*20.08.1909, †14.09.1962) »Nightmare Alley«. Darin geht es um Stanton Carlisle, der nach seinem rasanten Aufstieg als erfolgreicher Illusionist immer mehr in den Abgrund gerät. Greshams Roman war so erfolgreich, dass er kurz nach der Veröffentlichung verfilmt wurde. Danach ist der Autor samt Werk für einige Zeit in Vergessenheit geraten. 2021 kehrte die Story dank Regisseur Guillermo del Toro zurück auf die Leinwand. Bradley Cooper spielt Stanton Carlisle, weshalb er auch auf dem Cover zu sehen ist.
Handlung:
Carlisle schließt sich einer Gruppe von Schausteller:innen an und stellt bald fest, dass er mehr will, als für den Rest seines Lebens auf einem Jahrmarkt zu arbeiten. Da Stanton ein gewiefter Typ ist, lernt er schnell einige interessante Tricks kennen. Diese will er aber an den Reichen und Schönen anwenden, da sie logischerweise mehr Geld zahlen, als das „einfache Volk“ auf einem Jahrmarkt. Stanton gelingt es, rapide erfolgreich zu werden. Er denkt, er ist dazu in der Lage, alle um sich herum zu täuschen. Dabei merkt Stanton nicht, dass er sich selbst täuscht. Dies wird ihm eines Tages zum Verhängnis.
Charaktere:
Stanton Carlisle hätte viel aus sich machen können, denn er ist anpassungsfähig und hat eine schnelle Auffassungsgabe. Schade, dass er keine Grenzen kennt und immer der Meinung ist, dass er alle überlisten kann. Er bekommt viele Gelegenheiten, bei denen er aus Fehlern der anderen lernen kann, ignoriert aber alle Warnzeichen. Er merkt nicht, wie er abstürzt, obwohl er denkt, dass er aufsteigt. Die interessanteste Figur war für mich jedoch nicht Stanton, sondern Dr. Lilith Ritter, da sie etwas komplexer gestrickt ist als Stanton. Während man bei Stanton früh erkennt, in welche Richtung es mit ihm gehen wird, bleiben Ritters wahre Absichten lange verborgen, was sie für mich faszinierend machte.
Carlisle und Ritter sind aber nicht die einzigen Figuren in »Nightmare Alley«. Molly Cahill ist eine weitere Figur, die nicht außer Acht gelassen werden darf. Sie und Stanton lernen sich kennen, als Stanton noch mittellos ist. Für ihn lässt Molly alles stehen und liegen, da sie in ihn verliebt ist. Als sie merkt, dass Stanton sich nicht unter Kontrolle hat, versucht sie an seine Vernunft zu appellieren. Das Wahrsager-Paar Zeena und Pete Krumbein sind ebenfalls erwähnenswert, da sie Stanton viel beibringen. So skrupellos wie Stanton ist, sind sie für ihn nur ein Mittel zum Zweck.
Gestaltung:
»Nightmare Alley« besteht aus zweiundzwanzig Kapiteln. Jedes Kapitel trägt den Namen einer Tarotkarte und enthält deren Abbildung. Soweit ich es richtig erkennen kann, handelt es sich dabei um das Rider-Waite-Tarot. Aber ich kann mich auch irren, da ich keine Wahrsagerin oder Ähnliches bin :-D Was ich aber weiß ist, dass diese Gestaltung Hinweise auf den Inhalt des jeweiligen Kapitels gibt, was ich ziemlich cool finde. Eine bessere Gestaltung für diese Geschichte kann ich mir nicht vorstellen.
Schreibstil:
Besonders gut ist Gresham eine glaubwürdige Darstellung der Figuren gelungen. Die Art und Weise, wie tief er in die Abgründe ihrer Seele blicken lässt, sorgte bei mir einige Male für Gänsehaut. Das Setting ist ziemlich düster, passt aber zur Handlung und zum Protagonisten. Man fühlt sich beim Lesen oft unwohl, was vor allem an Stantons Entscheidungen liegt. Man fragt sich, wie weit er noch gehen kann und wie vielen Menschen er dadurch schaden wird. Gleichzeitig bekommt man einen kleinen Einblick hinter die Kulissen und erfährt einiges über die Tricks und das Leben der Schausteller:innen. Ich fand den Anfang und das Ende des Buches genial, da mich der Autor mit der Art und Weise, wie er den „Kreis“ um Stanton geschlossen hat, überrascht hat.
Fazit:
Düster und lehrreich - »Nightmare Alley« von William Lindsay Gresham ist ein spannender Roman über den Auf- und Abstieg eines gierigen Mannes.
William Lindsay Gresham
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Nightmare Alley
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Neue Rezensionen zu William Lindsay Gresham
Rezension zu "Nightmare Alley" von William Lindsay Gresham
Er hat sich durch seine fabelhaft-düstere Bildsprache einen Namen gemacht: Guillermo del Toro inszenierte preisgekrönte Streifen wie das verwunschene PANS LABYRINTH (2006) oder das märchenhafte SHAPE OF WATER (2017). Nun verfilmt der mexikanische Regisseur den düsteren Roman NIGHTMARE ALLEY (1946) von William Lindsay Gresham, der sich mit den Schattenseiten der Unterhaltungsbranche beschäftigt – und das Publikum auf immer düstere Pfade aus Zaubereien und Täuschungen führt…
Starres Handlungskorsett durch das Aufstieg-Fall-Kontinuum
Jedes der 22 Kapitel wird durch die Erläuterung einer Tarot-Karte eingeleitet, die allegorisch für den Handlungsverlauf steht. Stanton Carlisle gerät durch Umwege in das Jahrmarktgeschäft und entdeckt dort sein Talent, die Besucher*innen durch geschickt inszenierte Programme auszutricksen. Ihm bereitet die Macht des Erstaunens durch immer waghalsigere Aktionen Freude, bis er sich schließlich eigenständig macht und durch das Land tourt.
Dass diese Gier in Selbstüberschätzung – und letztendlich bitterem Niedergang – mündet, macht bereits der Klappentext klar. Dass der Plot diesen strikten Spannungsbogen konsequent verfolgt, macht jede Hoffnung auf Überraschungen obsolet. Der Autor klebt so sehr an dem Narrativ des Aufstieg-Fall-Kontinuums, dass beinahe jede Wendung vorhersehbar wirkt und bei mir als Leser schnell Ermüdungserscheinungen auftraten.
Jahrmarkt und magische Tricks als spannender erzählerischer Ausgangspunkt
Dabei bietet der Jahrmarkt mit seinen unterschiedlichen Attraktionen und Darsteller*innen viele Möglichkeiten, interessante Einzelschicksale und Performances auszuleuchten und für Abwechslung zu sorgen. So fesselte der Text besonders zu Beginn, wenn Gresham sich die Zeit nimmt, das Wechselspiel und die Hierarchie im Zirkusensemble abzubilden. Welche Hintergründe führten die Charaktere zu der Entscheidung, sich auf dem erbarmungslos harten Schauplatz niederzulassen?
Die Schilderung der magischen Tricks funktioniert besonders gut, wenn der Autor die Zusammenhänge zwischen dem Geschehen auf der Bühne und der Wirkung für das anwesende Klientel im Unklaren lässt. So sind die Leser*innen angehalten, sich mit der Funktionsweise der scheinbaren Magie auseinanderzusetzen und die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Imagination zu hinterfragen.
Durchgehender Pessimismus sorgt für düstere Atmosphäre in NIGHTMARE ALLEY
Der klare Handlungsverlauf erstickt die Möglichkeit eines gewissen Grusels im Keim – es ist und bleibt eindeutig, dass Stanton geradewegs in den Ruin steuert. Dennoch schafft Gresham, der Kurzkritik der Palm Beach Post auf dem Buchdeckel gerecht zu werden, indem er „kein Lichtstrahl“ in den Roman eindringen lässt. Durch seinen konsequenten Pessimismus und dem Glauben an das habsüchtige und betrügerische Sein der Menschheit schafft er eine düstere Atmosphäre, die zumindest ein kurzweiliges Leseerlebnis ermöglichen.
Aber schon bald wirkt es so, als würde sich Gresham seiner offenkundigen Frustration gegenüber der Umwelt allzu sehr hingeben – das wirkt sich sichtlich auf die erzählerische Raffinesse seiner Erzählung aus. Die Ausarbeitung der Charaktere bleibt oft nebensächlich; es geht einzig und allein um den Großen Stanton, der sich als erfolgreicher weißer Mann selbstvergöttert und die Nebenfiguren konsequent aufgrund ihrer – angeblichen – Dummheit, ihrer Weiblichkeit, der Hautfarbe oder ihres Gewichts abwertet.
Literaturklassiker: Marginalisierende Sprache beibehalten oder nicht?
Diese marginalisierende Sprache störte meinen Lesefluss stark – und konfrontierte mich einmal mehr mit der Diskussionsfrage, inwiefern Neuauflagen von literarischen Klassikern den Anspruch an sich selbst haben sollten, problematische Wortlaute aus dem originalen Duktus der Autor*innen zu streichen. Ist das Ausdruck eines Zeitgeistes, der nicht angerührt werden sollte? Oder dürfen Rassismus, Misogynität und Queerfeindlichkeit aus heutiger Perspektive als das bezeichnet werden, was sie sind?
Ich persönlich hätte mir wenigstens eine Anmerkung des Verlags gewünscht, dass sie sich von diesen Begriffen distanzieren. Etwa in Form von Fußnoten, da so die Bedeutung des Werks nicht verändert werden muss – und dennoch klare Stellung bezogen werden kann.
Verfilmung NIGHTMARE ALLEY (2021) als audiovisuelles Erlebnis
In der gleichnamigen Verfilmung NIGHTMARE ALLEY (Guillermo del Toro, USA 2021) schart der Regisseur eine Starbesetzung um sich. Bradley Cooper mimt den unnahbaren, aber charismatischen Stanton und trägt die Handlung des 150-minütigen Streifens auf beiden Schultern. Cate Blanchett begeistert in ihrer Rolle als eisige, unnachgiebige Therapeutin Lilith Ritter, in deren starre Mimik sich nur selten ein echtes Lächeln verirrt. Auch Toni Collette, Willem Dafoe und Richard Jenkins beweisen sich in diesem Psychothriller als gewohnt gute Charakterdarsteller*innen, die mit dem richtigen Verhältnis an Verzweiflung, Egoismus und Wahnsinn agieren.
Es sind aber vor allem die Schauwerte, die den Film zu einem audiovisuellen Erlebnis machen: Die Jahrmärkte – die als Entstehungshintergrund für die ersten Filme gelten – machen mit ihrem liebevollen Szenenbild und Kostümdesign die Leidenschaft für die Welt der Unterhaltung deutlich. Die ruhige Kameraführung von Dan Laustsen hält in angenehm weichen Bewegungen die warmen, gemütlichen Farben des Showbusiness‘ fest – scheut sich aber auch nicht davor, auf zunehmend blutige und gewaltvolle Sequenzen draufzuhalten.
Im abschließenden Vergleich von literarischer Grundlage und ihrer filmischen Umsetzung lässt sich meine Präferenz für die Adaption festhalten: Guillermo del Toro hat ein Gespür dafür, erzählerische Schlenker des Buches zu umgehen und sich auf die handlungsrelevanten Ereignisse zu beschränken. Trotz des allzu linearen Verlaufs zaubert er ein ästhetisches Seherlebnis, das atmosphärisch unterhält und eine Liebe für das Handwerk offenbart.
Fazit
NIGHTMARE ALLEY ist eine düstere Geschichte über das Unterhaltungsgeschäft, das sich zu sehr an das Narrativ des Aufstieg-Fall-Kontinuums klammert und damit jedwede Hoffnung auf Überraschung zerstört. Die filmische Umsetzung kann viele erzählerische Mängel durch ihre ansehnlichen Schauwerte wettmachen.
Rezension zu "Nightmare Alley" von William Lindsay Gresham
Der Protagonist Stan ist ehrgeizig, er strebt nach Erfolg, Ruhm und Anerkennung. Aus einem Schausteller hat er sich zu einem Gedankenleser und später zu einem Geisterbeschwörer entwickelt. Wie geschickt er die Leute täuschen kann! Aber Stans Traumas aus der Kindheit verfolgen ihn und sind seine Schwächen. Die Geister der Vergangenheit lassen ihn auch bei der Vorbereitung seiner großen Nummer nicht in Ruhe. Stan schafft seine eigene Blase aus Täuschung, die später zu Wahnsinn wird und sein Leben komplett verändert. Seine Begierde tut ihm Verrücktes an. Die Realität und das Trugbild im Verlauf der Geschichte kann man schwer voneinander trennen. Die Alpträume bestimmen Stans Leben. Und am Ende kommt alles zurück.
Alle Figuren im Buch wurden psychologisch gut ausgearbeitet. Der Autor schafft eine düstere Atmosphäre rund um den Gauner. Der Roman besteht aus 22 Kapiteln, die nach den großen Arkana - 22 Tarotkarten - genannt wurden. Die Deutungen der Tarotkarten werden mit den Kapiteln in Einklang gebracht. Der Schreibstil ist von Anfang an flüssig und leicht zu lesen.
Ich habe diesen Roman innerhalb weniger Tage verschlungen. Die Geschichte hat mich nicht losgelassen. Ich habe ein anderes Ende erwartet, aber wie es ist genügt mir vollkommen.
Es ist ein mystischer Thriller mit einem düsteren und gleichzeitig faszinierenden Setting. Eine Mischung aus Täuschung, Psychoanalyse und Esoterik, deren Tiefe einem unter die Haut geht.
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