Cover des Buches Northline (ISBN: 9783827008343)
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Rezension zu Northline von Willy Vlautin

Rezension zu "Northline, m. Audio-CD" von Willy Vlautin

von Stadtbuecherei_Wuerzburg vor 15 Jahren

Rezension

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Stadtbuecherei_Wuerzburgvor 15 Jahren
Allison Johnson, Anfang zwanzig, jobbt als Kellnerin und ist drogenabhängig. Sie trinkt zu viel, lässt sich mit den falschen Männern ein, die sie schlagen, vergewaltigen und wie den letzten Dreck behandeln. Ihre Familie, Verlierer der amerikanischen Gesellschaft, lebt in Armut und bietet ihr keinerlei Rückhalt. Als Allison erfährt, dass sie im dritten Monat schwanger ist, packt sie ihre Koffer und haut ab. Allison gibt den Kampf nicht auf, wenngleich sie viele Fehler begeht und sich mit Menschen umgibt, die wie sie keinerlei Perspektiven haben. Doch sie kämpft weiter, denn so oder so muss sie ja irgendwie über die Runden kommen. Die Menschen, die sie trifft, leben in Wohnwägen, haben selbst gemachte Tattoos, sind zornig, viele rassistisch und alkoholkrank und werden in Amerika zynisch als „White Trash“ bezeichnet. Doch Allison gibt nicht auf, versucht ihr Leben in den Griff zu bekommen und hält dabei eine innere Zwiesprache mit ihrem Idol Paul Newmann, die ihr Kraft gibt, ein Leben in einigermaßen geregelten Bahnen zu suchen, auch wenn sie eine heimatlose und getriebene junge Frau ist. „Northline“ ist Vlautins zweiter Roman und erneut eine packende und ergreifende Milieustudie, die frei von Sozialpathos vom Leben dieser verarmten Menschen erzählt. Vlautin gelingt es mit nur ganz wenigen Strichen ganze Leben verschiedener Figuren, die am Rande der Gesellschaft leben, zu schildern. Er schreibt mit Empathie von diesen Menschen, hautnah und direkt, schonungslos und ungeschminkt. Glücklicherweise polarisiert der Autor dieses Thema nicht und sieht sie eben nicht nur als „Opfer“, denn eines wird auch hier schnell klar: dass der Mensch immer die Summe seiner Entscheidungen ist, egal welcher Schicht er auch entspringen mag. Doch diesen fehlerhaften Entscheidungen, die jeder Mensch macht, entkommen Menschen der „Unterschicht“ weitaus schwieriger als privilegierte Menschen. „Northline“ ist keine erhebende Lektüre, mitnichten, denn sie blickt hinter die hohle Fassade des ausverkauften amerikanischen Traums und zeigt die traurigen Leben, die dahinter geführt werden müssen. Denn ein Aussteigen aus diesen trostlosen Verhältnissen scheint oft unmöglich. Willy Vlautin reiht sich mit diesem Roman in die Liga der Autoren wie John Steinbeck, T.C. Boyle oder Richard Yates ein, die diesen Menschen eine Stimme geben und ihnen dadurch zumindest etwas Würde verleihen und ins Bewusstsein der Gesellschaft zurückholen.
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