Rezension zu "Stumme Gewalt" von Carolin Emcke
"Niemals zu fordern, was wir wollen und brauchen, niemals einzuklagen, was wir für richtig halten, niemals zu erklären und zu beschreiben, wer wir sind oder sein wollen, weil wir es für unmöglich halten, dass es sich erfüllt, lässt uns selbst verkümmern." (Emcke, 2016:55)
Carolin Emcke war Studentin, als im November 1989, Alfred Herrhausen - Vorstandssprecher der Deutschen Bank und Patenonkel von Emcke - mit einer selbstgebauten Bombe tödlich verletzt wird. Sie reist zur Familie und versucht - wie alle im Umfeld Herrhausens - die Tat zu verarbeiten. Die RAF bekennt sich zum Anschlag, die Täter werden nie gefunden. Doch wie verarbeitet man eine Tat, die mit Schweigen quittiert wird? Wie finden die Angehörigen Ruhe, Frieden und Antworten auf ihre zahlreichen Fragen?
Diesen Dingen begegnet Emcke mit einer Vielzahl an eigenen Fragen, Überlegungen und Gedankenspielen. Wie begegnet man der RAF? Ihrem Schweigen? Wie kann man das Konstrukt RAF begreifen? Wie (endlich) ihre zahlreichen Taten aufklären?
Sie plädiert für einen Dialog jenseits von juristischen Konsequenzen. Ein Dialog, der eben jenen offenen Fragen - die vor allem die Angehörigen der Opfer haben dürften - begegnet, der eine gesellschaftliche Aufklärung ermöglicht und das Kapitel RAF endlich aufklärbar macht. Diese Haltung ist für sich genommen bemerkenswert, denn obwohl Emcke einen Freund an die Organisation verloren hat, ist ihr Plädoyer frei von Hass, Wut, Zorn oder anderen Gefühlsregungen, die durchaus nachvollziehbar wären. Vielmehr setzt sie sich für eine Offenheit den Tätern der RAF gegenüber ein, die wahrscheinlich nur wenige Menschen jenen gegenüber walten lassen würden, die einen Menschen durch einen anderen verloren haben und damit offenbart sie ihren eigenen Humanismus.
Fazit: Ein beeindruckendes Buch, dass eine starke Frau offenbart, die nicht davor scheut, zu ihren Gedanken und Gefühlen zu stehen. Die einen Standpunkt, eine Meinung vertritt - die sicher nicht jedem gefällt. Empfehlenswert.