Rezension zu "Pinocchio" von Winshluss
Märchenstunde mal anders
»Ich bin ein richtiger Junge!« Absolut jeder bringt diesen Ausspruch mit dem Kinderbuchklassiker Pinocchio von Carlo Collodi in Verbindung. Die Geschichte des Holzjungen und seines Menschenvaters Geppetto ist in aller Munde - eine Fabel für die ganze Familie, insbesondere für die kleinen.
Der Comic, den ich Euch heute ans Herz legen möchte, ist - trotz Happy End - partout n i c h t für Kinderaugen geeignet. Handelt es sich dabei doch um eine sehr freie Adaption des gleichnamigen Romans - dreckig, fies und gemein.
Die anders geartete Überlieferung beginnt schon damit, dass Pinocchio kein Holzjunge ist, sondern aus robustem Metall besteht - auserkoren ein Superroboter zu werden. Nichts ahnend macht sich dieser auf den Weg in die große weite Welt und trifft auf allerhand Schurken und Gauner, die sich an ihm bereichern wollen. Kurzerhand wird er an einen gnadenlosen Firmenmogul verkauft, der Kinder für sich schufften lässt um Spielzeug herzustellen. Durch einen glücklichen Zufall - seiner dezenten Unzerstörbarkeit - kommt Pinocchio frei. Auf seiner Flucht findet er noch einen Koffer voll Geld den er gleich mal mit nimmt - kann ja nicht schaden.
Prompt trifft er auf die nächsten Spiesgesellen, die dem gemeinen Leser eigentlich bekannt sein müssten: die sieben Zwerge. Kleine, dicke, hässliche Männer in roten Rollkragenpullis, die ihre Chance wittern und Pinocchio das Geld abluchsen, indem sie ihn einfach in einen Zug nach Nirgendwo verfrachten. Und was machen Zwerge mit soviel geklautem Geld? Sie gehen natürlich auf den Schwarzmarkt und kaufen davon ein Herz, das sie ihrem vermeintlichen Schneewittchen implantieren. Kaum erwacht, wird die arme sexuell so bedrängt, dass sie sich lieber in den Tod stürzt, als diesen Minimenschen gefügig zu sein. Muss wohl ein neues Schneewittchen her..
In der Zwischenzeit lernt Pinocchio in besagtem Zug einen weiteren Jungen kennen. Einen Raufbold, der eigentlich nur auf der Suche nach der Zauberinsel ist. Dort gibt es Spiel und Spaß für Jedermann. Klingt gut. Also beschließt der Sohn Geppettos die Reise auch anzutreten.
Nach langem Suchen erreichen die beiden die Zauberinsel und machen sich voller Eifer an die Erkundung dieser. Die Zuckerstangen schmecken nicht wie sie sollten, die Schokolade stinkt und das Gebäck verfault sobald man hineinbeisst. Die Insel ist verwahrlost und die reinste Einöde. Glatter Betrug! Die Hoffnung ward schon fast aufgegeben, da zieht des Nachts eine Parade vorbei. Es werden bunte Fähnchen verteilt, Lieder gesungen und der Weg in den Circus angestrebt. Alles scheint doch noch ins Lot zu kommen. Von wegen.. der Oberclown zückt das Mikrofon und verwandelt alle Kinder in blutrünstige Werwölfe. Alle bis auf einen.. Und so wird Pinocchio an der nächstbesten Riesenzuckerstange aufgehängt und verweilt dort fast ein ganzes Jahr..
Neben der Geschichte Pinocchios gibt es noch zwei weitere Erzählstränge. Der eine beschäftigt sich mit Geppetto, der sich auf die beharrliche Suche seines Goldjungen gemacht hat und auf seiner Reise auch das ein oder andere Abenteuer erlebt. Die andere Geschichte handelt von Jiminy der Wanze.. Übrigens die einzige Erzählung, die mit Worten ausgeschmückt ist. Der Rest des Comics muss ohne diese auskommen, was ihm hervorragend gelingt.
Wie die einzelnen Panels über die jeweiligen Seiten aufgeteilt sind ist absolut grandios. Die einzelnen Geschichten sind wahnsinnig gut ineinander verwoben, so dass sich dem Leser eins nach dem anderen sinnvoll erschließt. Es bleiben keine Fragen offen und das Comicliebhaberherz schlägt definitiv höher. Die Story ist sehr umfangreich, aber jede Seite ist es wert umgeblättert zu werden.
Das es ein Happy End geben wird, habe ich schon verraten. Welcher Art es sein wird, müsst ihr selbst herausfinden. Es lohnt sich!