Cover des Buches Große Verlierer (ISBN: 9783498063658)
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Rezension zu Große Verlierer von Wolf Schneider

Rezension zu "Große Verlierer" von Wolf Schneider

von metalmel vor 16 Jahren

Rezension

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metalmelvor 16 Jahren
Was will man mehr? Ein Buch über die großen Verlierer der Geschichte. Über Gewinner zu lesen ist langweilig. Es sind die Gescheiterten, die uns bewegen und berühren, am besten die grandios gefallenen. Wenn man sich schlecht fühlt und alles schrecklich findet, dann hilft das Buch, denn all den Menschen darin sind viel schlimmere Dinge passiert – Zuchthaus mit Zwangsarbeit oder das Köpfen mit der Axt oder der Guillotine. Hey, mir geht’s doch ganz gut. Ché Guevara zum Beispiel. Der Jesus der 68er. Und auch heute noch kennt jedes Kind sein Bild (obwohl vermutlich nicht mehr jedes Kind weiß, wer er war). Von wegen „Hasta la victoria siempre“. El Commandante ist gescheitert. Drei Revolutionen hat er angezettelt, nur eine war erfolgreich. Nach Kuba wollte er Afrika und dann ganz Südamerika befreien mit „Befreiungsarmeen“ von um die 50 Mann. In Südamerika schließlich gerät er, nach monatelangem rat- und sinnlosen Herumirren im Dschungel mit nur noch sechs Mann in einen Hinterhalt. Er wird hingerichtet und zum Märtyrer. Übrigens „der einzige mit Sex-Appeal; eine unwiederholbare Mischung aus Jesus, Lenin, Tarzan und Rudolph Valentino“ wie das Buch zu berichten weiß. Auch Oscar Wilde findet seinen Platz: „Tief gestürzt sind viele; kaum einer aber so tief, so rabiat, ja so mutwillig wie“ er. Selbst schuld! In seiner maßlosen Überheblichkeit dachte er wohl, niemand könne ihm und seinem hübschen, arroganten Geliebten Bosie etwas anhaben. Doch so war es und er ging für zwei Jahre ins Zuchthaus. Als er wieder rauskam, war er ein anderer – hoch verschuldet, aufgedunsen, krank und von der Gesellschaft verachtet, starb er in einem schäbigen Pariser Hotel. Am Sterbelager bekam er ein letztes Glas Champagner und sagt: „Ich sterbe, wie ich gelebt habe: über meine Verhältnisse.“ Und ebenso findet sich der heute teuerste Maler der Welt in diesem Buch. Vincent van Gogh – „Hungerleider...(und) Selbstverstümmler...ein atemloser Flüchtling auf Erden.“ Ein unstetes Leben hat er geführt, mal dies und al das ausprobiert und erst mit 27 Jahren das Malen für sich entdeckt. Und er malte mit fiebrigem Eifer, so als wüsste er, dass ihm nicht viel Zeit bliebe. Er versoff das Geld, mit dem ihn sein Bruder über Wasser hielt oder er torkelte damit in den Puff. Vermutlich auch im Suff schneidet er sich ein Ohr ab, wickelt es in Zeitungspapier ein und bringt es zu einer Prostituierten. „Die Polizei findet ihn am nächsten Morgen in seinem besudelten Bett. Mit der Diagnose ‚Akutes Irresein mit Tobsucht’ wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Danach weiterhin rastloses Malen, ein Aufenthalt in einer Nervenanstalt, in der er natürlich auch randaliert, von seinen Farben isst und Terpentin trinkt. In den letzten 10 Wochen seines Lebens „schleudert er 80 Bilder in die Welt“, bis er an einem heißen Julitag auf ein Feld hinausläuft und sich mit einem Revolver in die Brust schießt. Tot. Was für ein Leben! Viele weitere Leben sind noch beschrieben, doch nur zwei Frauen. Es ist ein beruhigendes Buch, eins das versöhnlich stimmt mit dem eigenen Schicksal, es macht Spaß, es zu lesen. Wenn ihr also wieder mal denkt, die ganze Welt sei gegen euch und es gibt keinen Weg mehr, dann lest es. Euch geht es bald besser. Und wenn nicht, dann geht zum Nervenarzt!
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