Liest man sich den Teil der Vita von Wolfgang Jenewein durch, der auf dem Buchumschlag steht, dann kann man schon in Ehrfurcht versinken: Professor für Betriebswirtschaftslehre an der angesehenen Universität von St. Gallen mit Forschungsschwerpunkt "Transaktionale und Transformationale Führung" und einer von fünf der einflussreichsten Leadership-Trainer in Deutschland, jedenfalls nach Meinung des Focus-Magazins. Mir hingegen fiel das Lesen dieses Buches enorm schwer, und ich musste mich zweimal zwingen, es weiterzulesen. Naja, ich muss ja auch nicht vom "Knowing über das Being zum Doing kommen", wie es so schön auf der letzten Seite dieses Textes heißt. Mir reicht erst einmal Knowing. Und mein Knowing ist mit diesem Buch nicht umfangreicher geworden. Und mein Being beim Lesen war ganz lustig, denn der Autor hat mich mit seinem intensiven Phrasendreschen oft zum Lachen gebracht. Besonders am Ende bei seinen Fußballweisheiten. Aber dazu später.
Ähnlich wie in der Wissenschaft gelingen Karrieresprünge in der Wirtschaft in der Regel durch Fachkompetenz oder Beziehungen, manchmal auch durch beides. Universitätsprofessoren halten dann Vorlesungen, obwohl ihre Kompetenz auf diesem Gebiet fast keine Rolle bei ihrer Berufung spielte. Ähnlich benötigen Manager auch kein Zeugnis in Empathie und Menschenführung für ihren Aufstieg. Dass es diesbezüglich Defizite in den Führungsetagen von Unternehmen gibt, steht deshalb außer Zweifel. Ob sie aber durch Leute wie Wolfgang Jenewein dauerhaft und nachhaltig behoben werden können, ist mindestens genauso zweifelhaft. Wenn man sich dieses Buch durchliest, weiß man auch warum das so ist.
Jenewein lebt in seiner universitären Blase und forscht auf einem Gebiet herum, dass der gewöhnliche Manager nicht kennt, obwohl es ihn eigentlich betreffen sollte. Und dann geht Jenewein in große Unternehmen und bringt dort seine Erkenntnisse unters Managervolk. Kleine und mittlere Unternehmen und insbesondere solche, die von den Besitzern geführt werden, kommen kaum auf die Idee, für solche sicher nicht ganz billigen "Beratungen" Geld auszugeben. Sie können noch wirtschaften und rechnen ihre Ausgaben gegen den Mehrwert, den Jenewein bringen könnte, um dann festzustellen, dass es wichtigere Dinge gibt. Und vielleicht haben sie Recht. Sie kümmern sich nämlich in der Regel um ihre Mitarbeiter, denn wenn sie es nicht tun, kriegen sie kostenintensive Probleme. Und wenn ihnen Jenewein entgegenhält, dass "ein Manager von heute auch und vor allem das Leading, Engaging und Enabling anderer beherrschen" muss, dann werden sie ihn vermutlich empfehlen, erst einmal in einer verständlichen Sprache zu sprechen. Manager in großen Unternehmen quatschen dagegen dieses hohle Kauderwelsch erst einmal nach. Schließlich will man nicht für blöd gehalten werden.
In seinem Text geht es Jenewein oft um Empathie, also um die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können. Wie steht es eigentlich um seine eigene Fähigkeit zur Empathie? Nicht besonders gut, wie mir scheint, denn wenn ein Autor nicht in der Lage ist, sich von seinem Fachjargon zu trennen und in der Sprache der Menschen zu schreiben, die seine Ausführungen lesen sollen, dann zeugt das nicht gerade von empathischem Vermögen.
Ich will gar nicht bestreiten, dass es Jenewein möglich ist, in seinen Seminaren eine gewisse temporäre Motivation zu erreichen. Doch dauerhaft habe ich da meine Zweifel. Dieses Buch jedenfalls liest sich sehr abgehoben. Jenewein hat offenbar versucht, Trainer und Spieler von Union Berlin unter dem damaligen Trainer Jens Keller zu motivieren. Keller wurde entlassen, Union ist nicht aufgestiegen. Jenewein nennt den Rauswurf zynisch. Und Jenewein ist ein großer Fan von Jogi Löw und dessen Fähigkeiten. Und von Klinsmann, dem das Aufstellen von Buddha-Figuren beim FC Bayern nicht bekommen ist. Und der auch später nichts mehr gerissen hat. Vielleicht ist Klinsmann ein Paradebeispiel für Menschen, deren Motivationsgehabe ihre Fachkompetenz deutlich überschreitet. Irgendwann wird das auch dem Letzten deutlich. Und dann fällt das ganze Kartenhaus in sich zusammen.
So etwas scheint auch dem guten Herrn Löw passiert zu sein. Dämliche Slogans wie "Best never rest" können zur Lachnummer werden, wenn der fachliche Durchblick fehlt und sich ein Spielsystem überlebt hat. Oder wenn "Die Mannschaft" gar keine ist, weil ihr Trainer, das nicht mehr hinkriegt. Aber das konnte der lobpreisende Autor damals noch nicht wissen. Wie auch immer – mein Eindruck von diesem Buch war, dass es völlig nutzlos ist, weil es einfach nicht auf den Punkt kommt und unablässig Phrasen abgibt. Wirklich Konkretes wird man kaum finden, bestenfalls ein paar Anregungen, auf die man aber mit gesundem Menschenverstand auch selbst kommen kann, wenn man das ganze Angeber-Kauderwelsch wirklich einmal auf seine magere Substanz hin abklopft.