"Und am Ende die Wende" beschreibt das Leben der vier Jugendlichen Ulrike, Maria, Lisa und Alex in den letzten Jahren vor der Wende, zwischen dem Versuch der Anpassung an das System bis hin zu offenem Aufbegehren. Dabei beschreibt der Autor Wolfgang Mondorf detailliert und sehr detailreich das menschenverachtende System der Deutschen Demokratischen Republik, die das Leben ihrer Bürger bin ins Private hinein bestimmt und kontrolliert und die geringsten "Vergehen" aufs Härteste bestraft: Wer sich nicht völlig unterordnet und anpasst, wird verhört, gefoltert und inhaftiert unter den furchtbarsten Bedingungen.
Ich muss zugeben, dass ich mich an etlichen Stellen zum Weiterlesen zwingen musste und das Buch auch immer wieder aus der Hand legen, weil mir die Vorkommnisse einfach zu nahe gingen. Insbesondere das Wissen darum, dass es sich zwar um eine fiktive Geschichte handeln mag, aber genau diese Dinge tatsächlich geschehen sind und nicht der Fantasie des Autors entspringen, heben die Geschichte nochmals auf ein anderes Niveau. Der Mangel und das Schlangestehen, die extreme Umweltverschmutzung sind dabei fast nur Randbemerkungen. Ist es schon schwer erträglich, sich vorzustellen, dass der Staat den Menschen vorschreibt, welche Schulen sie abschließen dürfen, dass "der Staat" von heute auf morgen zum Abbruch einer Ausbildung zwingt und die jungen Menschen nach Belieben in einen Beruf weist- so darf Lisa z. B. nicht ihren Traum, Ärztin zu werden, verwirklichen, einfach aus dem Grund, weil Kindern von Akademikern im Arbeiter- und Bauernstaat eben dann nur einfache Tätigkeiten verrichten dürfen - war es fast unerträglich zu lesen, wie selbst Jugendliche in Dunkelhaft genommen werden oder einfach nur wegen des Singens eines englischen Liedes ins berüchtigte Frauengefängnis Hoheneck eingewiesen werden für Jahre.
Mondorf erzählt anschaulich und emotional, offenbart die Gedanken und Sehnsüchte seiner Figuren und zieht den Leser tief in seine Geschichte hinein. Der Erzählstil ist flüssig und mit steigender Spannung. Dabei sind die Figuren immer lebensecht und in allen ihren Dimensionen gezeichnet, so dass sich dem Leser auch immer die Frage stellt, wie er/sie selbst gehandelt hätte.
Die Perspektiven wechseln ständig und springen zwischen den Beteiligten und den Orten hin und her. - und nicht allein aus diesem Grund hätte ich mir mehr Absätze und vor allem auch überhaupt Kapitel gewünscht. Leider ist das gesamte Buch in einem einzigen Fließtext geschrieben, was für mich ein kleiner Kritikpunkt ist. Und auch ein paar Rechtschreibfehler, aber auch inhaltliche Schwächen sind zu finden, was dem Gesamteindruck des Werkes jedoch keinen Abbruch gibt.
Natürlich möchte ich nun wissen, wie das Leben der vier Figuren nach der Wiedervereinigung verlaufen wird; die Wende-Trilogie soll ja weitergehen... Der Freikauf von Maria im letzten Abschnitt und ihre ersten Zeit in Gießen geben einen Vorgeschmach darauf, dass mit der Wende am Ende (dieses Buches) die schlimme Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist.
Während ich einerseits urteilen möchte, dass dieses Buch Pflichtlektüre werden müsste und das Schicksal von Ostdeutschland, seiner Bürger und die ihnen genommenen Freiheiten niemals in Vergessenheit geraten darf, muss ich doch zugeben, dass die Lektüre nicht einfach zu ertragen ist.
Ein Kompliment an den Autor, der sich trotz seiner West-Vergangenheit tief in die Deutsche Geschichte eingearbeitet hat und seinen Lesern aufzeigt, welches Glück FREIHEIT ist und welch großes Glück alle haben, die in Westdeutschland aufwachsen und leben durften.