Rezension zu "Geschichte und Systematik der Psychologie" von Wolfgang Schönpflug
Dass die Psychologie nicht erst mit Siegmund Freud begann, das wird spätestens nach der Lektüre dieses umfassenden Buches mit seiner breiten Darstellung von der Geschichte der Psychologie, ihren Traditionslinien, Entwicklungen, Kontroversen, Umbrüchen eindeutig klar. Die Einordnung der Psychologie in das menschliche Leben, die Gesellschaft, die Systematik dieses Faches in ihrer Gliederung in Teilfächer hinein und mithin die Zusammenhänge, in denen die Psychologie steht ist mithin, neben der Darstellung der Geschichte, ein zweiter, gelungenener Schwerpunkt des Buches.
Ein nicht einfaches Unterfangen im Übrigen, denn eine „bunte Schar“ tummelt sich seit der modernen Prägung der Psychologie auf diesem Feld. Vielfache Systematiken, Ansätze, Anwendungsbereiche sind es, die das Feld der Psychologie in seinen praktischen Ausformungen der Therapie, Beratung, des Coachings und vielem mehr stark diversifizieren.
„Zu jedem psychologischen Problem gibt es unterschiedliche Erfahrungen, zu jeder Erfahrung unterschiedliche Deutungen“. Und das alles befindet sich auf der Basis verschiedener, teilweise konkurrierender Lehransätze und Lehrtheorien.
Ruhig, nüchtern und sachlich schreitet Schönpflug, unbeirrt von den „vielen Verschiedenheiten“ das Feld ab. Beginnend bei den „Ursprüngen der Psychologie“ in der Philosophie der Antike (und arbeitet in diesem Zusammenhang konkret und verständlich heraus, wie und warum die Psychologie erst im 20. Jahrhundert u einem Beruf für Spezialisten“ geworden ist) mitsamt der schon damals vorliegenden Problematiken der systematischen Zuordnung von Seele, Geist und Körper, von Ethik, Individuum und Gemeinschaft.
Über die „Seelenlehren“ (Und „Seelsorge“) des mittelalterlichen Christentums, die Entwicklung der Psychologie zum eigenständigen, Lehrfach an mittelalterlichen Universitäten führt der Weg dann über das 17. Und 18. Jahrhundert (inbegriffen die „Praktische Psychologie für das öffentliche und private Leben mit ihrem Schwerpunkt u.a. auf der „Charakterkunde“) in die Neuzeit hinein, wo im 19. Jahrhundert jene Entwicklungslinien deutlicher zu Tage treten, die im 20. Jahrhundert zu solch sprunghaften Entwicklungen führten. Hier vor allem zu erwähnen (und lesenswert) die Forschungen über die „Funktionen des Bewusstseins“.
Die (möglichen) Paradigmen der modernen Psychologie (und damit eine Systematik) stellt Schönpflug anhand dreier Schwerpunkte zunächst dar. „Behaviorismus“, „Tiefenpsychologie“ und „Kognitivismus“ und ordnet diesen Themen die einzelnen „psychotherapeutischen Schulen“ zu und ein. Ein wichtiger Schwerpunkt zum Status quo folgt, die „praktische Psychologie in der Moderne“. Hier findet Schönpflug in der Darstellung einsichtige und nachvollziehbare Strukturierungen, vor allem in den diagnostischen Methoden und den Praxisfeldern (samt Interventionen).
Die Spannung ziwschen „Kontinuität und Diversität“ wird das Fach auch über den Tag hinaus begleiten, liegt der Psychologie sozusagen „inne“. Eine Ausblick, der das Buch abschließt und einen Blick in die Zukunft von Systemtheoien, Aufgaben und Neuorientierungen interessant beschreibt.
In der Form, auch grafisch, bietet das Buch eine hohe Übersichtlichkeit in flüssiger Sprache und Darstellung. Wesentliche Inhalte werden zusammengefasst farblich abgesetzt vor Augen geführt, jedes einzelne Thema und Kapitel logisch strukturiert bearbeitet. Natürlich kann nicht die gesamte Breite hunderter von Theorien und methodischen Ansätzen abgebildet werden, aber die „Kernlinien“ finden sich bestens erläutert und dargestellt im Buch, die vorgenommene Systematik ist fundiert und nachvollziehbar begründet.
Alles in allem ist Wolfgang Schönpflug mit diesem Buch ein dauerhaftes Standardwerk zur Geschichte, aktuellen Lage und zum Ausblick der Psychologie als wissenschaftliches Fach einerseits und praktischer Einbettung in das allgemeine Leben andererseits gelungen.