Rezension zu Geschichte der Eisenbahnreise von Wolfgang Schivelbusch
Die Industrialisierung & Effektivierung der Fortbewegung
von Sokrates
Rezension
Sokratesvor 9 Jahren
Das Buch widmet sich in knapper Form der Geschichte eines industriellen Paradigmenwechsels: der Fortbewegung und damit der Steigerung der Mobilität aller Menschen ab dem Industriezeitalter. Mit Erfindung der Dampfmaschine braucht es nur wenige Jahrzehnte, dann findet ihre Verwendung auch in der motorisierten Fortbewegung des Menschen Anwendung. Begünstigt und beschleunigt durch die Erschließung der amerikanischen Prärie, beginnt bereits in den 1840er Jahren auch in Frankfreich und England die schrittweise Einführung zentraler Eisenbahnlinien. Schließlich allen gesellschaftlichen Schichten offen stehend, verändert sich hierdurch grundlegend das Raum- und Zeitverständnis einer Epoche. Reisen bzw. Hingelangen zu bestimmten Orten, auch Urlaubsorten, erscheint quasi als kurzer Sprung; lange Bildungsreisen (grand tour), vornehmlich durch den Adel in jungen Jahren unternommen, wird nun zum Breitensport. Wer Geld hat, kann sich ein Ticket lösen und bald - zu Ende des Jahrhunderts - auch zu beliebigen Orten fahren. Entfernungen werden relativ, man rückt näher zusammen. Auch wird der Widerspruch zwischen Stadt und Land zunehmend durch die bessere infrastrukturelle Verbindung aufgehoben. -- Schivelbusch bearbeitet in knapper Form einen sehr wichtigen, wenn auch mehr der Kultur- als der Technikgeschichte zugehörigen Aspekt der Industrialisierung des 19. Jhs. Seine Arbeit hat sich gut gelesen; ermüdend für einen technikunversierten Historiker waren insbesondere seine Ausführungen zu Beginn des Buches zur Geschichte der Eisenbahntechnik wider Erwarten nicht. Spannend schließlich waren seine leider nur knappen Worte zum medizin-psychologischen Diskurs der vielfältigen Ängsten rund ums Eisenbahn fahren: ob nun als Trauma infolge Unfällen oder als Neurose infolge der zu zügigen Fahrtgeschwindigkeit.