Ein Kuriosum. Ein Unterhaltungsroman, der im Exil in englischer Sprache verfasst, lange Zeit nicht übersetzt wurde und erst 2024 auf Deutsch erschienen ist.
Der Autor Hans Flesch-Brunningen floh vor den Nazis 1933 nach England. Er engagierte sich im „Freien Deutschen Kulturbund“, einer Vereinigung von Exilanten in London, und konnte sich nach Jahren der Armut seinen Lebensunterhalt als Sprecher der Österreich-Abteilung der BBC verdienen. Der Roman „Zur falschen Zeit“ erschien 1940 und erhielt damals in der englischsprachigen Presse gute Kritiken. Eine Rezensentin verglich ihn, laut Nachwort, sogar mit Kafka: „It may be like Kafka, but Mr. Brun [sein Pseudonym] convinces us that it is also like Austria in 1939.”
Der Roman beginnt in London. Zwei Brüder sind vor den Nazis aus Österreich nach England geflohen. Der jüngere, Anton, kehrt 1939 zurück nach Reichenau an der Rax, weil ihn ein Telegramm seiner Schwester erreicht hat. Sein Vater liege im Sterben. Er findet eine völlig undurchsichtige Situation im Elternhaus vor. Nazis gehen dort ein und aus, seine Schwester hat anscheinend ein Verhältnis mit einem der üblen Typen, andererseits behauptet ein ehemaliger Heimwehr-Aktivist und Nazigegner, sie sei mit ihm verlobt. Paktiert die Mutter mit den neuen Machthabern? Welche Rolle spielt der wohlhabende Onkel? Haben die Nazis etwas mit dem Tod seines Vaters zu tun? Sie haben es jedenfalls auf eine Schweizer Versicherungspolice abgesehen, die der Vater illegal für seine beiden Söhne abgeschlossen hat. Anton wird von ihnen erpresst: „Bilde dir bloß nicht ein, dass wir nicht über alles Bescheid wissen. Wir wissen alles und erreichen alles. Du kannst mit deiner Versicherungspolice nicht davonkommen. Vielleicht bleibst du ja lieber im Großdeutschen Reich, in einem Lager oder im Arbeitsdienst, oder was immer du bevorzugst.“ Turbulent geht es zu bei einer Wanderung auf der Rax und im Schwimmbad in Reichenau. Anton muss sich verstecken, hat nicht nur Angst um seinen Pass, sondern auch um sein Leben.
Eine wirklich spannende Erzählung. Kein literarisches Meisterwerk, eher leichtere Kost zu einem Kapitel österreichischer Geschichte. Es ist ein Zeitdokument. Gut zu lesen, wenn man sich erst einmal an den sehr simplen und zuweilen eintönigen Satzbau gewöhnt hat.
Aus dem Englischen übersetzt von Alexander Pechmann. Mit Anmerkungen, einem Literaturverzeichnis und einem Nachwort von Wolfgang Straub.