Wolfgang Wagner

Die Abgründe des Mikrokosmos einer irischen Kleinstadt werden durch einen Außenseiter erst so richtig deutlich. Wie schon im Romanvorgänger, geht es um die Spielregeln der Gemeinschaft. Und die sind nicht immer fair. Tana French beobachtet gut und hat ein Händchen für realistische Dialoge. Insgesamt hat es mich diesmal aber deutlich mehr ermüdet, als unterhalten, dabei zuzuhören, wie kleinkarierte Dorfgockel sich spreizen. Jeder weiß genau, was richtig ist. Von wegen leben und leben lassen. Schwer zu ertragen, dass die Dorfgemeinschaft festlegt, was geht und was nicht. Aber genau so ist es wohl. Der Plot insgesamt war für mich aber etwas unrealistisch. Dennoch tolle Personenzeichnung, viel Liebe zum Detail, dadurch entstehen Längen.

Ich weiß nicht, was viele andere vor mir so spannend an diesem Buch fanden. Aufgrund dieser Rezensionen habe ich mir dieses Hörbuch besorgt und Kapitel für Kapitel gedacht, wann passiert denn endlich mal was. Zum Teil waren die Dialoge toll und die Handlung in den Anfängen interessant, aber leider konnte mich die Geschichte nicht vom Hocker reißen, auch der Schluss etwas spannender wurde. 15 Stunden lang auf dem Weg zur Arbeit und wieder nach Hause durchgequält. Schade, hatte mir mehr davon versprochen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich vorher nicht wusste, dass es einen ersten Teil gibt. Der hätte mir die Figuren und manche Handlungsstränge vielleicht näher gebracht.

Im Mittelpunkt des Romans steht Tray, die voller Wut auf die Dorfbewohner ist, denen sie die Schuld am Tod ihres Bruders gibt. Auch ihren Vater verachtet sie, da er die Familie vor Jahren verlassen hat. Die Situation spitzt sich zu, als dieser plötzlich mit einem dubiosen Geschäftspartner zurückkehrt und neue, unheilvolle Pläne im Gepäck hat.
Das atmosphärisch dichte und raue irische Setting konnte ich mir gut vorstellen. Auch ohne den Vorgänger gelesen zu haben, konnte ich mich gut in die Geschichte hineinversetzen. Die Charaktere sind vielschichtig und geheimnisvoll. Der Sprecher des Hörspiels konnte den übermäßig vielen Dialogen Leben einhauchen und die düstere Stimmung gut vermitteln.
Obwohl der Schreibstil bildhaft und gut ist, zieht sich meiner Meinung nach die Handlung stellenweise in die Länge. Einige Passagen wirken zäh und ich hätte mir mehr Spannung gewünscht. Trotz der starken Charakterbeschreibungen hat mich persönlich das Buch leider nicht vollkommen überzeugt. 3 von 5 Sternen.