„Es sei, als hätte Jena seinen Vater verloren.“
Mit diesen Worten verabschiedete Jenas Oberbürgermeister Heinrich Singer den Wissenschaftler und Unternehmer Ernst Abbe auf dessen Trauerfeier im Januar 1905. Einhundert Jahre später kann man sich kaum noch vorstellen, wie der Kopf eines weltweit operierenden Wirtschaftsunternehmens als Vater bezeichnet werden kann, denn schließlich steht das „Familienoberhaupt“ für Schutz, Vertrauen, ja auch Geborgenheit.
Auf welch beeindruckende Weise Ernst Abbe sich zu Lebzeiten einen solchen Nachruf erarbeitet hat, dokumentierte Kerstin Gerth in Zusammenarbeit mit dem Leiter des Zeiss-Archives, Wolfgang Wimmer, und veröffentlichte im Abbe-Jahr 2005 das Buch „Ernst Abbe – Wissenschaftler, Unternehmer, Sozialreformer. 1840-1905“, erschienen im Verlag Bussert & Stadeler.
Die Dokumentation beginnt mit der Kindheit und der Jugend Abbes, beschreibt die Verhältnisse, in denen der begabte Schüler aufwuchs, die anschließende Studienzeit in Jena und Göttingen und seine wissenschaftliche Laufbahn.
Im Jahre 1866 begann die Zusammenarbeit mit Carl Zeiss, die sich immer mehr vertiefte.
In den folgenden Jahrzenten erlebte das Unternehmen einen immensen wirtschaftlichen Aufschwung, auch angetrieben durch die gute Zusammenarbeit mit dem Glaschemiker Otto Schott.
Parallel zum wirtschaftlichen Aufschwung änderte sich aber auch die Situation innerhalb des Betriebes. Die von Abbe initiierten sozialpolitischen Maßnahmen brachten ihm letztendlich den Ruf des Sozialreformers ein, dem im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet wurde.
Nach dem Motto, kein Wohltäter zu sein, sondern den Arbeitern zu ihren Rechten zu verhelfen, wurde der Neustundentag, später der Achtstundentag eingeführt, ein Fonds für Alters- und Hinterbliebenenrente eingerichtet, ein Arbeiterausschuss ins Leben gerufen, Mindestlöhne, Urlaub und Krankengeld garantiert. In den heutigen Zeiten des kontinuierlichen Abbaus von Sozialleistungen liest sich das wie ein Märchen.
Dieses Buch gibt nicht nur Einblicke in Abbes Leben, es zeichnet ein recht genaues Bild vom Wissenschaftler, Unternehmer aber auch vom Familienvater Ernst Abbe. Die zahlreichen Illustrationen und Abbildungen, die Zitate und Auszüge aus Briefwechseln machen ihn greifbar. Und nebenbei erfährt man viel über das Wachsen und Gedeihen der Stadt Jena, die in Abbes Studienjahren gerade mal 7000 Einwohner zählte.
Alles in allem ein Buch, das informiert, unterhält, neugierig, aber auch nachdenklich macht.
Rezension zu "Ernst Abbe 1840-1905." von Kerstin Gerth