Da bei uns ja in manchen Medien sehr tendenziös gegen China berichtet wird und die meisten Europäer sehr wenig Ahnung von China haben, habe ich mir von diesem Sachbuch sehr viele interessante Fakten zum Land erwartet, aber leider zusätzlich zu diesen etwas bekommen, das für mich völlig inakzeptabel ist. Denn in diesem Werk wird nun tendenziös für China und gegen Europa polemisiert, was der Autor vielleicht als ausgleichende Gerechtigkeit sehen mag, was für mich aber in Form so einer primitiven Schwarz-Weißzeichnung – nun eben unter anderen Vorzeichen – in dieser Art und Weise absolut unpassend ist.
Alleine die USA und Europa als das Imperium zu bezeichnen, ist schon völlig gaga, denn wir sind ja nicht beim Krieg der Sterne. Zudem findet sich zuhauf rechtsesoterisches Schurblervokabular wie Mainstreammedien, Gesinnungspresse, Systempresse – als hätte es vor dem Internet nur eine Meinung in den klassischen Medien wie Zeitungen und Fernsehen gegeben – und zusätzlich auch noch widerliches antisemitisches Soros Bashing, da geht mir dann richtig die Hutschnur hoch. Die historischen gesellschaftspolitischen Fakten sind teilweise sehr propagandistisch in der Tonalität und manchmal sogar komplett falsch. Zum Beispiel bezeichnet der Autor fälschlich Serbien als das arme Opfer des Balkankrieges, das angeblich völlig zu Unrecht angegriffen wurde. Ist ja ohnehin egal, dass Serbien zwei Mal ein neutrales Land wie Österreich angegriffen hat und im Krieg gegen Slowenien im Grenzgebiet auch österreichisches Territorium beschossen hat (Und ja, ich habe hier Fakten aus direkter Quelle, denn mein Onkel war damals live an der Front zur Grenzsicherung in Langegg im Süden der Steiermark an der slowenischen Grenze und er hat mir nach dem Überfall die Granateinschläge der Serben am Hauptplatz des österreichischen Dorfes gezeigt).
In Bezug zu China wird wirklich alles, auch die schlimmsten Fehler und Gräueltaten der Vergangenheit noch hochgejubelt und relativiert. Jetzt kenne ich mich ja bei den meisten historischen und gesellschaftspolitischen Aktionen des Landes nicht so gut aus, sonst hätte ich dieses Buch ja nicht lesen müssen, aber bei ein paar habe ich dann doch Hintergrundwissen, weil ich mich schon lange damit beschäftige. Die schlimmen Fehler und Gräueln unter Mao werden vom Autor relativiert und salopp als ein notwendiger Weg zum Ziel des heutigen Erfolges verharmlost. Am dramatischsten, weil noch gar nicht so lange her und sehr grausam, wird die Ein-Kind-Politik sehr frauenverachtend als extrem erfolgreich bezeichnet und nur die Auswirkungen in den Städten thematisiert. Der Autor meint, die weiblichen Föten wären ohnehin alle abgetrieben worden und verheimlicht oder ignoriert, was massenweise und als Usus auf dem Land passiert ist: Da wurden die Mädchen, auch wenn sie schon Kleinkinder oder größere Kinder waren, einfach getötet, sobald die Mutter mit einem Jungen schwanger war. Dazu gibt es nicht nur Einzelbelege, sondern das war systematischer Femizid, der meist in herzzerreißenden Tragödien von den Müttern angeprangert wird und von den Schwiegermüttern und Vätern begangen wurde. (siehe Wolkentöchter und andere Werke)
Zudem hat der Autor nachweislich ab 2010 erstmals auf die Chinesen geschaut, ich hatte seit 2001 chinesische Studenten. Mein ehemaliger Abteilungsleiter und Chef ist bis heute Universitätsprofessor in Wuhan. Ich hatte also schon immer eine neutralere und sehr interessierte Sicht auf China. Elsner schwenkt von totaler Ignoranz, die er früher hatte, plötzlich in völlige unkritische Lobhudelei, das ist auch gar nicht intelligent.
Ich kenne die Situation und die Entwicklung von China in den letzten Jahren nicht so genau, deshalb habe ich selbstverständlich nicht nur eine vorgefertigte Meinung, sondern die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftliche Fakten, die der Autor schon sehr gut präsentiert, nochmals mit meinem ehemaligen Chef gegengecheckt, der wirklich vor Ort die Situation bis 2020 live erlebt hat. (Jetzt kann er ja momentan nicht dort hin, obwohl ihn Wuhan eingeladen hat) und muss nun nach all meiner scharfen Kritik über die Tonalität des Werkes bei der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung ein großes Lob aussprechen. Wenn es nicht um Geschichte, Medien und Politik geht, sondern um Wirtschaft, Volkswirtschaft, Innovation und digitale Gesellschaft, wird der Autor viel sachlicher, faktenbasierter und untermauert alles mit konsistenten Modellen, nachvollziehbaren Quellen und Statistiken. Kein Wunder, denn Elsner ist Volkswirt, in diesem Metier ist er tatsächlich Fachmann und hätte sich auch ausschließlich darauf fokussieren sollen.
Seine volkswirtschaftlichen Analysen sind weitaus fundierter und mit wissenschaftlichen Modellen belegt. Ein Wahnsinn, was China in den letzten 10 Jahren bezüglich E-Mobilität auf der Straße durch Induktionsstrom statt öko-katastrophale Batterien und IT-Aufrüstung der Fahrzeuge, mit gigantischen Infrastrukturprojekten, Innovationsförderung, Deregulierung und Regulierung und vielen anderen nachhaltigen langfristigen Ökologie- und Wirtschaftsplänen zusammengebracht hat. Chinas Staat ist handlungsfähiger als die neokapitalistischen Staaten, deren Megakonzerne die Verluste und Umweltschäden vergesellschaften und die Gewinne privatisieren. In unserem System bleibt durch die Steuerflucht den Staaten einfach zu wenig Geld, um die Infrastruktur für das 21. Jahrhundert zu entwickeln. Wir versuchen E-Mobilität der Zukunft auf den Straßen des 20. Jahrhunderts zu realisieren, was vom Ressourcenverbrauch keine nachhaltige, geschweige denn eine clevere Lösung darstellt. Bei der CO2 Reduktion ist China ohnehin schon seit ein paar Jahren der Musterschüler aller entwickelten Wirtschaften weltweit. Elsner beschreibt hier lückenlos und logisch, wie sich das Land von einer öko-katastrophalen verlängerten Werkbank Europas und der USA nach und nach zu einer innovativen, umweltbewussten nachhaltigen Wirtschaft entwickeln konnte. Auch die Entwicklung von sozioökonomischen Faktoren wie die Reichtumsverteilung, Armutsindex, Bildungsniveau, Bevölkerungswachstum und die zu Grunde liegenden politischen volkswirtschaftlichen Steuerungsinstrumente werden schlüssig analysiert.
Am Ende bricht er eine Lanze für das chinesische Sozialkreditsystem, das bei uns ja als Überwachungsstaat verteufelt wird, ohne zu reflektieren, dass private Unternehmen massenweise über uns Daten sammeln, auf denen in sehr vielen intelligenten Systemen auch schon Entscheidungen und zudem soziale Beschränkungen aufgebaut werden und in die die Konsumenten überhaupt keine Einsicht haben. Man bedenke nur den Umstand, dass seit Jahrzehnten ein nicht einsehbares Bankratingsystem existiert, das Kunden Kredite verwehrt und aus dem auch nie ersichtlich ist, wie man seine Kredibilität tatsächlich wieder verbessern kann.
Die Sozialkreditsysteme in China sind völlig transparent, für alle in ihrer Beurteilung einsehbar, auch in der Darlegung und Gewichtung von Verbesserungsfaktoren, wenn jemand einmal so ordentlich ins Minus gerutscht ist, dass negative Sanktionen notwendig werden. Die positiven Faktoren für das System sind schon länger nicht mehr politische Konformität, im Gegenteil, Kritik an den Systemen und auch an den Firmen ist ausdrücklich erwünscht. Das hat mir auch mein ehemaliger Chef bestätigt, wie frei sich die Studenten in den letzten Jahren mit Fragen, Verbesserungsvorschlägen und Kritik äußern, ist sogar für ihn erstaunlich und an europäischen Universitäten sehr unüblich.
Aber was sind nun die wesentlichen Faktoren für das Sozialkreditsystem?
China kämpft vor allem gegen Korruption von Firmen, für den Umweltschutz im Großen bei den Unternehmen und im Kleinen bei jedem Bürger, gegen Hass im Netz, für soziales Verhalten in der Pandemie… . Jugendliche bekommen beispielsweise beim Recycling von Kunststoffbehältern oder Alu-Dosen, Telefonguthaben für das Handy oder U-Bahn Tickets, wenn sie als Umweltsünder den Mist auf die Straße werfen, werden sie bestraft. Manager dürfen nicht mehr reisen oder nicht mehr fliegen, müssen im Zug mit der Holzklasse fahren, wenn sie gegen den Umweltschutz verstoßen oder Korruption begehen, die Firmeninhaber werden auch zur Verantwortung gezogen, bei starken Vergehen kann die Firma sogar enteignet und den Mitarbeitern in Gemeinschaftsbesitz übergeben werden. Manchmal würde ich mir solche staatlichen Instrumente tatsächlich wünschen. Wie Elsner richtig darlegt, die Generation Fridays for future, zu denen ich mich zumindest vom Mindset her als alte Omma auch zähle, hätte eine wahre Freude daran.
Die Korruptionsbekämpfung Chinas und die Entwicklung hin zu Credible China war auch sehr sinnvoll und erfolgreich, man denke nur an den Babymilchskandal, der viele Verhaftungen nach sich zog. Wenn ich mir die aktuellen Korruptionsfälle bei uns ansehe (z.B. in Österreich der Ibiza Skandal), würde ich mir solche Aktionen wünschen, denn Konsequenzen für korrupte Politiker und die Firmen gab es bisher noch immer nicht.
So geht es munter weiter. Ein bisschen Corona, AI-WEIWEI etc. …, die gegenwärtige Situation in China war sehr interessant. Die aktuellen Quellen sind in einem Verzeichnis ausführlich und recht vorbildlich belegt.
Fazit: Die Fakten zur aktuellen Wirtschaft und Gesellschaft sind ausgezeichnet – die Tonalität und der polemische politische Ton und teilweise die Geschichtsrevision ist unterirdisch, das geht mitunter sogar ins rechtsesoterische Reichsbürgertum. Wenn sich der Autor auf die sachliche Präsentation von Fakten konzentriert hätte und nicht versuchen würde, zu missionieren, wäre es für mich ein richtig gutes 5-Sterne Werk geworden. So ist das Sachbuch streckenweise in seiner Schwarz-Weiß-Malerei unerträglich, extrem nervig und nur Mittelmaß.
Wolfram Elsner
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Wolfram Elsner
Das chinesische Jahrhundert
China und der Westen – Aufstiege und Abstiege
Die Zeitenwende
Neue Rezensionen zu Wolfram Elsner
Das Sachbuch „das chinesische Jahrhundert“ war für mich eine sehr schwere Kost und dennoch interessant, deswegen wird es von mir keinen Rat in die eine oder andere Richtung geben, schaut einfach mal was mir beim Lesen aufgefallen ist. Nur eines vorab, womit ihr klar kommen müsst, der Autor „Wolfram Elsner“ ist begeistert von China und es mich würde nicht wundern, wenn er eines Tages dort für immer leben würde. Ich finde es wichtig, dass man nicht vergisst, dass es eine USA ohne TRUMP gibt, was ich durch meinen Blutsbruder als meine Aufgabe sehe dies immer wieder zu sagen, aber es ist auch sehr wichtig, dass wir Russlandversteher und China Fans in Deutschland haben.
Gewundert hat mich sein Einstieg in dem er erzählt wie er zu China kam und wie er es zwischendurch immer wieder vergessen hat. Er vergleicht im Buch die USA und China teilweise miteinander und die Vereinigten Staaten verlieren in diesen Punkten. Doch ich denke das er Recht damit hat, dass die eine die frühere Weltmacht ist und das andere Land die kommende Weltmacht. Sehr mutig fand ich, dass er gleich mit den schwierigen Themen Hongkong und Uiguren angefangen hat. Er bringt eine ganz andere Sicht auf diese Themen ein und ich denke die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.
Sehr spannend fand ich wie China den Umweltschutz als wichtiges Thema erkoren hat und wie sie langsam nur noch Elektroautos zu lassen wollen und wie sie mit den PET Flaschen umgehen. Interessant fand ich auch wie man die neuen Megacitys verändern will und wie man versucht das ganze Land aus der Armutsfalle zu holen. Es ist wichtig dies alles zu wissen, denn so wie uns einst die USA beeinflusst haben, wird es in Zukunft wohl China tun. Ich selbst bin seit frühster Jugend von diesem Land fasziniert. Meine Faszination begann mit chinesischen Filmen wo mir aufgefallen ist, dass ich nie einen mit Happy End gesehen habe wie es aus dem amerikanischen Kino gewohnt war. Seine Geschichte und seine Landschaft haben mich neugierig gemacht und seit Jahren liege ich meiner Familie damit in den Ohren, dass ich dorthin reisen möchte. Zudem habe ich eine sehr gute Freundin, welche aus Shanghai stammt und mir einiges über die Unterschiede zwischen Deutschland und China erklärt hat. Bitter aufgestoßen ist mir bei ihm seine Meinung über Taiwan, aber das habe ich noch geschluckt. Er berichtet auch noch über die Themen Außenpolitik (u.a. Seidenstraße), Arbeit und Soziales, Einkommen, Wirtschaft und Staatseigentum, Minderheiten und Titel: „Neuerfindung der Diktatur“.
Was mich jedoch jedes Mal beim Lesen störte und mich dazu brachte, dass ich das Buch zur Seite legen musste, waren seine Beschimpfungen über Deutschland. Ich bin stolz auf meine Heimat, auch wenn ich sehe, dass bei uns sehr vieles nicht richtig läuft. In einem Buch über China will ich jedoch kein Bashing über meine Heimat lesen. Der Autor hätte das Bücher lieber kürzer schreiben soll und sich nur auf China oder den Weltmachtvergleich mit den USA konzentrieren sollen. Man kann dieses riesige Reich einfach nicht mit Deutschland, sondern vielleicht eher mit der EU vergleichen. Gefehlt haben mir im Buch vielleicht noch tiefere Verbindung zu Japan und Singapur, zwei Staaten in Asien, welche man meiner Meinung nach auch nicht unterschätzen sollte. Da ich mich nach jedem Bashing wieder zum Lesen zwingen musste, ziehe ich dem Buch zwei Sterne ab.
Da China faszinierend ist und der Autor eine andere Sicht auf dieses Land zeigt, lohnt es sich sehr es zu lesen, aber nur für Leser denen es nicht bitter aufstößt, wenn er immer wieder Deutschland scharf kritisiert.
Wie Autor Wolfram Elsner bemerkt, ist unser Bild von China verzerrt. Mit diesem Buch versucht er Licht ins Dunkel unserer Sichtweise zu bringen.
Nach einer recht langen Einleitung erklärt er uns in drei großen Abschnitten wie China so tickt. Natürlich ist auch dies nur eine, nämlich seine, Sichtweise.
- China verstehen lernen ... oder ideologischer Krieg?
- Vom Entwicklungsland zur Führungsnation. Strukturen und Prozesse sozialen und ökonomischen Erfolgs
- „It‘s the System, stupid“
Jeder Abschnitt ist noch in weitere Kapitel unterteilt, die interessante Tatsachen zu Tage fördern.
Vielen von Elsners Aussagen kann ich zustimmen, aber dass Saddam Hussein deshalb sterben musste, weil er sich seine Öllieferungen nicht länger mit US Dollar bezahlen lassen wollte, erscheint mit doch ein wenig weit hergeholt (S. 133).
Es scheint unbestritten, dass Chinas Regierung ihre Bevölkerung aus der Armutsfalle geholt hat (S. 160).
Wenn Chinas bislang als größter Umweltverschmutzer angeprangert worden ist, sollten sich vielleicht jene, die hier so laut schreien, überlegen, welchen Anteil europäische Firmen durch die Auslagerung ihre Produktionen in Billiglohnländer haben.
Gut gefällt mir dieses Kapitel „Recycle to Ride“. Das Modell, für gesammelte PET-Flaschen Guthaben für Öffi-Tickets oder Aufladebons für Smartphones zu vergeben (S. 204). In vielen westlichen Staaten schafft man es nicht einmal ein Pfandsystem für PET-Flaschen bzw. Alu-Dosen einzuführen (in Österreich zum Beispiel).
Viele Menschen argumentieren gegen China mit Menschenrechtsverletzungen und führen auch die Unterdrückung von ethnischen Minderheiten an. Allerdings ist kein Land davon gefeit. Auch in Europa wird mehr oder weniger subtil gegen ethnische Minderheiten polemisiert. An dieser Stelle seien zwei investigative deutsche Journalisten zitiert: „Eine ethnische Minderheit grundlos zu kriminalisieren, wäre das Ende eines Vielvölkerstaates (Chinas), dessen beispiellose Entwicklung die Menschen nicht nur ernährt, sondern ihnen auch Bildung, Selbstachtung und solide Zukunftsperspektiven vermittelt hat.“ (S. 256)
Auch der Vorwurf, China brächte mit seinen Investitionen in Afrika die dortigen Länder in eine Schuldenfalle, ist nicht zu beweisen (S. 278). Im Gegenteil, es scheint, dass beide Seiten Nutzen aus der Kooperation ziehen. China versucht derzeit durch sein Engagement in Afrika jene Ungerechtigkeiten zu beseitigen, die der jahrelang westliche Imperialismus hier hinterlassen hat.
Fazit:
Eine interessante Lektüre, die das Reich der Mitte unter einem anderen Licht erscheinen lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.
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