Silberberg ist ein kleines Dorf im Süden Chinas. Hier leben Bauern, es gibt eine Handvoll Marktstände und einen Fahrradflicker. Doch dann wird das Ufo gesichtet! Und die Ortsvorsteherin nutzt die Aufmerksamkeit, um mit Silberberg in die Zukunft aufzubrechen und die Story auszuschlachten bis zum Get No. Der Fortschritt überrollt das kleine Dorf und "verbessert" die Lebensumstände der Menschen - ob sie wollen oder nicht!
Dieses Buch ist sehr besonders. Es besteht nur aus Ermittlungsakten, die den Ufo-Vorfall untersuchen sollen. Das treibende Stilmittel ist hier die schiere Absurdität und Übertreibung, mit der die Autorin dem chinesischen Fortschrittswahn den Spiegel vorhält. Was soll ein kleines Bauerndorf mit einem Tourismuszentrum? Einer Autobahn? Einem Olympia-Schwimmbecken?
Trotzdem zeigt es die Tragik der Geschehnisse: während sich das Leben der Menschen auf dem Papier vielleicht verbessern mag, spüren diese aber vor allem, was sie dabei verlieren: ihre Gewohnheiten, ihre Tradition, ihre Identität und manchmal sogar ihre Würde. Was im kleinen Kosmos des Dorfes eingespielt funktioniert hat, löst sich nach und nach auf und stellt die Menschen vor Probleme, die sie vorher nie hatten.
Dieses Buch schafft den schwierigen Spagat zwischen Witz und Tragik und bringt seine Message deutlich rüber. Dabei macht es die Thematik sehr gut zugänglich. Es prangert die Blindheit und Übertreibung an, mit welcher der sogenannte Fortschritt in China mitunter vorangepeitscht wird und Xiaolu Guo schafft das auf eine sehr eigene, besondere Art und Weise. Ich möchte auf jeden Fall noch mehr von ihr lesen!
Xiaolu Guo
Lebenslauf
Alle Bücher von Xiaolu Guo
Kleines Wörterbuch für Liebende
Stadt der Steine
Ein Ufo, dachte sie
Es war einmal im Fernen Osten
Ich bin China
Eine Sprache der Liebe
Stadt der Steine
20 Fragments of a Ravenous Youth
Neue Rezensionen zu Xiaolu Guo
In der Autobiografie „Es war einmal im fernen Osten“ nimmt uns die Autorin und Regisseurin Xiaolu Guo mit auf eine Reise in ihre Vergangenheit. Guo beschreibt ihre Kindheit in einem chinesischen Fischerdorf, das vor allem von Gewalt und Armut geprägt war. Kurz nach ihrer Geburt schon wurde sie von ihren Eltern abgegeben. Sie beschreibt das Aufwachsen bei ihren Großeltern zu Hochzeiten von Maos Ideologien. Später nahmen ihre Eltern sie wieder auf, doch die Beziehung zu Guos Mutter war alles andere als harmonisch. Im jungen Erwachsenenalter schaffte sie es, einen der begehrten Plätze an der Pekinger Filmakademie zu ergattern und von zuhause auszuziehen. Mit Ende zwanzig reist sie mit einem Filmstipendium nach London und beginnt sich dort ein neues Leben als Regisseurin und Autorin aufzubauen.
In Guos Autobiografie gewährt sie uns ganz private Einblicke in ihr Leben. Als zweites Kind zu Zeiten der strikten Ein-Kind-Politik geboren, erfuhr sie bereits als Säugling nichts als Ablehnung. Die Eltern gaben sie zunächst an ein anderes kinderloses Paar ab, doch dieses entschied sich nach kurzer Zeit um und baten Guos Großeltern, das Kind wieder zurückzunehmen. So kam es, dass Guo die ersten Jahre bei ihrer Großmutter verbrachte, die freundlich zu ihr war, doch nichts besaß, nicht mal einen Namen, wie Guo schreibt. Ihr Großvater war ein jähzorniger Mensch, der ihre Großmutter regelmäßig verprügelte. So schlichen sich schon in jungen Jahren Hass und Gewalt in das Leben von Xiaolu Guo ein. Später erging es ihr bei ihrer Mutter nicht anders, die sie eines Tages plötzlich zu sich nach Hause holte.
Es ist erschreckend und traurig zu lesen, wie die Beziehung zwischen der Autorin und ihrer Mutter zunächst von gegenseitigem Hass geprägt ist, der sich später in Gleichgültigkeit wandelt. Ich war beim Lesen erschüttert und schockiert von der Gewalt, die der Autorin von so vielen Menschen in ihrem Leben angetan wurde. Diese traurige Grundstimmung zieht sich durch das ganze Buch.
Die Einblicke in Guos Sicht der chinesischen Kultur, in die Politik und den Alltag zur damaligen Zeit sind spannend zu lesen. Man erfährt viel über Chinas Gesellschaft zur damaligen Zeit, allerdings muss man an dieser Stelle auch anmerken, dass die Eindrücke und Schilderungen natürlich sehr persönlich sind.
Die Biografie lässt sich überwiegend flüssig lesen, hat sich an einigen Stellen aber auch etwas gezogen. Am Ende bin ich mir nicht sicher, ob mir die Autorin sympathisch ist oder nicht, aber es ist auch nicht meine Aufgabe, dies zu beurteilen. Der Untertitel der Biografie „Ein Leben zwischen zwei Welten“ ist ziemlich irreführend. Fast das gesamte Buch handelt von ihrem Leben in China, erst auf den letzten paar Seiten schreibt Guo über ihren Aufbruch nach London und ihre dortige Zeit.
„Es war einmal im fernen Osten“ liefert einen spannenden Einblick in das Leben eines chinesischen Mädchens, das trotz aller Widrigkeiten in der Kindheit ihren Weg gegangen ist.
„Eine Sprache der Liebe“ erzählt aus der sehr persönlichen Perspektive einer Ich-Erzählerin über die Herausforderungen einer Immigrantin in London und darüber wie es ist, in einem fremden Land und in einem neuen Leben die Liebe zu finden. Xiaolu Guo hat für diese Thematik einen sehr lyrischen, manchmal wagen und offenen Stil gewählt. Manchmal stehen nur wenige Worte auf einer Seite.
Die Protagonistin ist eine namenlose Chinesin, die im Jahr 2015 kommt. Gerade wurde der Brexit beschlossen. Ihre Eindrücke über Sprache und Kultur werden direkt durch ihre Augen wiedergegeben. Der Text begleitet sie über eine längere Spanne ihres Lebens hinweg und in verschiedenen Phasen ihres Ankommens in England.
Vieles bleibt zwischen den Zeilen. Wörtliche Reden im klassischen Sinne gibt es nicht. Der Partner wird in der zweiten Person angesprochen und so wirkt der Text manchmal ähnlich wie ein Brief oder ein Gedankenmonolog. Eine Konversation, die man vielleicht nur unterbewusst mit jemandem führt oder aber in der eigenen Erinnerung. Es geht viel um die Gegensätze in der Wahrnehmung einer Liebe und eines gemeinsamen Lebens , wenn beide Menschen in sehr unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen sind. Das Buch handelt auch von den Problemen, die entstehen können und von den Sehnsüchten und Hoffnungen, welche die Betroffenen antreiben. Themen wie Entfremdung und das Wesen von Heimat oder Zuhause werden bearbeitet. Ich habe all diese Gedanken sehr gerne gelesen. Sie werden so künstlerisch verpackt, dass sie ganz zart und leicht wirken. Das Buch vermittelt eine sehr sanfte, warme Atmosphäre. Es ist eine leise Geschichte, keine, die mit Spannung oder Wendungen auftrumpft, aber eine, die mich mit ihrer Klugheit und ihrer sprachlichen Ästhetik überzeugt hat.
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