Malaya, 1893: Die 17-jährige Li Lan lebt mit ihrem Vater in einem verarmten Haushalt. Die Chancen, eine gute Ehe zu arrangieren, sind für sie mit ihren Mitteln verschwindend gering. Doch dann erhält ihr Vater ein ungewöhnliches Angebot der wohlhabenden Familie Lim: Sie soll den kürzlich verstorbenen Sohn der Familie heiraten und zur Schattenbraut werden. Doch Li Lan weigert sich, denn Lim Tian Ching sucht sie in ihren Träumen heim und terrorisiert sie. Ihr Versuch, ihn auszusperren, schlägt fatal fehl - und Li Lan findet sich selbst in der Welt der Toten wieder, in der sie ein kompliziertes Komplott aufdecken muss.
In "Schattenbraut", aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Heike Reissig und Stefanie Schäfer, lässt Yangsze Choo ihre Lesenden tief in die Kultur malaysischer Chines*innen im späten 19. Jahrhundert eintauchen. Li Lans Geschichte ist durchzogen von Geistern, Mythen und Sagen, sie lässt Realität und Fantasie verschwimmen und dreht sich um Familie, Abhängigkeiten und wahre Liebe. Die Protagonistin ist mutig, neugierig und eigenwillig, was mir sehr gut gefallen hat, allerdings ist sie zur Lösung ihrer Probleme letztlich doch immer auf die Hilfe anderer angewiesen. Sie bewegt sich in verschiedenen Welten, die durch den tollen Schreibstil der Autorin vor meinem inneren Auge aufgelebt sind. Der Fantasy-Roman (der auch ein klein wenig von kriminalistischen Elementen durchzogen ist) beruht auf den Glaubenssätzen und der Kultur chinesischer Auswanderer in Britisch-Malaya (heute, nach der Unabhängigkeit, Malaysia genannt), was vor allem durch die Anmerkungen der Autorin am Ende des Buchs nochmals aufgegriffen und erklärt wird. Yangsze Choo ist selbst Malaysierin mit chinesischer Abstammung.
Mich konnte "Schattenbraut" letztlich nicht so sehr begeistern wie "Nachttiger", ein weiterer Roman der Autorin, den ich vor einigen Jahren gelesen habe. Für meinen Geschmack gab es zu viele Längen im Buch, die Geschichte nimmt immer wieder Fahrt auf, nur um letztlich doch wieder vor sich hin zu plätschern. Auch die Beziehungen der Figuren fand ich eher blass und teils zu überstürzt, um tatsächlich mit ihnen mitzufühlen. Das Setting des Romans hat mir hingegen ausgesprochen gut gefallen und ich habe das Gefühl, viel über eine mir zuvor unbekannte Kultur gelernt und mitgenommen zu haben. Wer nach einer fantasievollen Geschichte abseits des Gängigen sucht, wird hier sicher fündig!