Rezension zu "Im Zeitalter der Identität" von Yascha Mounk
1) Fazit: a) Eine solide, umfangreiche (503 S.!), sehr informative & leicht verständliche Arbeit zu unerfreulichen & zunehmend problematischen Themen: Grundlagen, Theorien,, gefährlichen "Dynamiken und Konsequenzen von Identitätspolitik und Wokeness..."
b) Sehr viele & nützliche erläuterte Hyperlink-Endnoten
2) Hilfreiches
a) Zitate aus dem Rezensionsbuch: Siehe unten
b) de.wikipedia Yascha Mounk (mit Kurz-Rezension zum Buch)
c) deutschlandfunkkultur.de: 2018: "Politikwissenschaftler Yascha Mounk: Der Prophet des Untergangs der Demokratie. (29:54 Minuten)
d) Videos:
d1) youtube: Im Zeitalter der Identität Yascha Mounk
d2) youtu.be: "Yascha Mounk Identitätspolitik gefährdet die Demokratie Sternstunde Philosophie SRF Kultur"
e) Bücher
e1) Edward Said::lovelybooks
- Moustafa Bayoumii: "The Selected Works of Edward Said : 1966–2006", lovelybooks
e2) Prophezeite Zukunft der irdischen Menschheit: 2023-33 und zu den "letzten sieben Jahren der Erde" (Dudde)
Beste Literatur: Bertha Duude, Jakob Lorber
Beste Sekundär-Literatur: Gerd Gutemann, M Kahir, Kurt Eggenstein, Franz Deml, Walter Lutz, ;Michael Nolten
3) Rezensionen
a) de.wikipedia Yascha Mounk: "Identitätspolitik: Mounks Buch Im Zeitalter der Identität: Der Aufstieg einer gefährlichen Idee (2024) untersucht kritisch die Dynamiken und Konsequenzen von Identitätspolitik und Wokeness und stellt dabei heraus, wie aus anfänglich noblen Überzeugungen sektiererische Ideologien entstehen können.[18] Mounk analysiert die theoretischen Grundlagen der Identitätspolitik, darunter postmoderne Machttheorien und postkoloniale Ansätze, und zeigt auf, wie diese in ihrer Radikalisierung zu einer Spaltung der Gesellschaft und der Unfähigkeit zur Bildung von Allianzen führen.[18] Er kritisiert, dass die Identitätspolitik in ihrer extremen Form zu einer unfalsifizierbaren Ideologie mutiert, in der abweichende Meinungen nicht nur als sachlich falsch, sondern als moralisch verwerflich abgetan werden.[18] Das Buch bietet eine maßvolle Auseinandersetzung mit den Übertreibungen der Identitätspolitik und plädiert für eine differenziertere Betrachtung.[18]" [18 Robert Misik: Buch über Identitätspolitik: Zwischen Woke und Wahnsinn. In: taz.de. 18. März 2024, abgerufen am 19. März 2024.
b) taz.de: Robert Misik: 2024: "...Das Buch ist wichtig, nicht zuletzt, weil jüngst so sichtbar wurde, wie einige ideologische und theoretische Prämissen dessen, was Mounk die „Identitätssynthese“ nennt, ins vollends Bizarre führen. Wenn die Welt in Schwarz-Weiß geteilt wird, wenn bekundet wird, dass „der Unterdrückte“ immer recht hat, dann kann man sogar bei einer kritiklosen Unterstützung von Gemetzeln der Hamas landen und bei Empathielosigkeit für Malträtierte, da ja der „Widerstand“ der „Kolonisierten“ immer ein authentischer Ausdruck berechtigter Rebellion ist, auch wenn Partykids vergewaltigt, verbrannt oder aufgeschlitzt werden.
Mounk nimmt sich ohne Polemik, dafür mit umso besonnenerer Kritik der theoretischen Grundlagen einer Ideologie an, die er mit dem Begriff „Identitätssynthese“ charakterisiert. Mounk ist Politikwissenschaftler und Publizist, er ist eher ein (Links-)Liberaler, der aber aus der sozialdemokratischen Linken kommt (aus der SPD trat er wegen der Hinnahme der Krim-Annexion aus), er ist Jude, Pole, Deutscher und Amerikaner, was nicht nur eine lose Aufzählung von Identitätsmerkmalen ist, sondern: Mounk lebte und lebt in unterschiedlichen politisch-kulturellen Diskursordnungen und ist gut in Übersetzungsleistungen. Mit Büchern wie „Der Zerfall der Demokratie“ hat er seit Jahren Aufmerksamkeit erregt."
Zitate aus dem Rezensionsbuch
a) S. 27: "Die Identitätssynthese rückt wahre Ungerechtigkeiten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie verleiht allen, die sich marginalisiert oder schlecht behandelt fühlen, ein neues Vokabular für ihre Erfahrungen. Und sie verspricht ihren Anhängern, Teil einer großen historischen Bewegung zu sein, die die Welt verbessern wird. Aber leider wird die Identitätssynthese letztlich das Gegenteil bewirken. Denn trotz der besten Absichten ihrer Befürworter macht sie es Gesellschaften schwerer, eine echte Gleichheit zwischen den Mitgliedern unterschiedlicher Gruppen zu erreichen."
b) Ja, ich mache mir weiterhin starke Sorgen über Viktor Orbán und Narendra Modi, über Marine Le Pen und die Alternative für Deutschland (AfD). Aber wenn ein Politiker wie Donald Trump mittlerweile seit fast zehn Jahren auf der politischen Bühne steht, seine Versprechen immer wieder gebrochen hat, in der Bevölkerung höchst unbeliebt ist und in aktuellen Umfragen für die im Herbst anstehenden Präsidentschaftswahlen trotzdem vor Joe Biden liegt dann müssen wir vielleicht mal in den Spiegel blicken. Warum haben die
Wähler zu den wichtigsten Institutionen, Politikern und Medien in den USA so wenig Vertrauen?
Etwas Ähnliches gilt auch für Deutschland. Die AfD ist eine der radikalsten rechtspopulistischen Parteien in Europa. Sie macht neben extremistischen Slogans auch immer wieder mit internen Querelen von sich reden. Warum also genießt sie gerade einen Höhenflug, der in der Geschichte der Bundesrepublik seinesgleichen sucht – und könnte, wenn man den aktuellen Umfragen traut, dieses Jahr zum ersten Mal an einer Landesregierung beteiligt sein?
Die Antwort auf diese Fragen, so meine Überzeugung, liegt zumindest zum Teil im wachsenden Einfluss neuer Ideen von der Rolle der Identität, mit denen dieses Buch sich auseinandersetzt. Wie ich darstelle, haben wir in den letzten Jahren nichts weniger als die Geburt einer neuen Ideologie erlebt – einer Ideologie, die weithin als »woke« bekannt ist, obwohl ich den Begriff der »Identitätssynthese« für trefflicher halte. Die Identitätssynthese wendete sich, wie die spannende Geschichte ihres Ursprungs belegt, von Anfang an ausdrücklich gegen die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie peilt eine Gesellschaft an, in der Kategorien wie das
Geschlecht, die Hautfarbe oder die sexuelle Orientierung nicht etwa an Bedeutung verlieren – sondern stets bestimmen, wie wir einander
wahrnehmen und behandeln. Das Problem an ihr ist also nicht, dass sie zu radikal oder kompromisslos für hehre Anliegen wie den Kampf gegen den Rassismus einstünde. Im Gegenteil: Das Problem an ihr besteht in ihrer Unfähigkeit, eine Gesellschaft zu inspirieren, in der wir friedlich zusammenleben, uns wirklich ebenbürtig fühlen und einander als wahre Mitbürger erkennen.
Trotz dieser Makel hat die Identitätssynthese in den letzten zehn Jahren im Rekordtempo an Einfluss gewonnen. Sie hat viele für die Gesellschaft wichtige Institutionen – von Universitäten bis zu öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – stark verändert. Und sie bestimmt auch hierzulande immer mehr, was es bedeutet, links zu sein.
Ich wurde 1982 in München geboren. Während meiner Kindheit war es die Linke, die sich für universalistische Werte stark machte. Als Kind jüdischer Einwanderer aus Polen, für das Bundeskanzlerhelmutkohl bis zum Alter von 16 Jahren ein einziges Wort zu sein schien, sehnte ich mich nach einem weltoffeneren Deutschland: nach einer Republik, in der die deutsche Abstammung und die christliche Religion nicht mehr die Eintrittskarte für die volle Mitgliedschaft in der Gesellschaft sein würden. Mit 13 Jahren trat ich der SPD bei, weil ich davon überzeugt war, dass linke Parteien diesen Humanismus am besten verkörperten:
c) "Die Identitätssynthese
Die neue Ideologie, die im Begriff ist, die grundlegenden Regeln und Normen unserer Gesellschaft zu verändern, hat ihren Ursprung im Wandel der zentralen Anliegen der Linken. Einst war die Linke von ihren universalistischen Zielen geprägt. Links zu sein bedeutete, auf eine Zukunft zu hoffen, in der Menschen nicht auf ihre Religion oder ihre Hautfarbe, ihre soziale Klasse oder ihre sexuelle Orientierung reduziert werden.[41] Linke hofften darauf, eine Welt zu erschaffen, in der unsere Gemeinsamkeiten wichtiger als die Unterschiede werden, die in der grausamen Geschichte der Menschheit oft eine solch wichtige Rolle spielten.[42] Doch in den vergangenen sechs Jahrzehnten hat sich im Denken der Linken über Identität ein tiefgreifender Wandel vollzogen."
d) S. 56 "Bekämpft die Macht (der Worte)
...Die seltsamen Ursprünge des Namens von Edward Said sollten sich als prophetisch für seine ambivalente Beziehung zum Westen erweisen. Wie viele andere postkoloniale Denker war er maßgeblich von westlichen Schulen und Überzeugungen geprägt....Nichts deutete darauf hin, dass er sich schon bald zu einem der berühmtesten Kritiker der westlichen politischen Mächte wandeln sollte...Doch dann häuften sich die Enttäuschungen und ungerechte Behandlungen, die Said als palästinensischer Amerikaner mit komplizierter Identität erlebte.
Wie er sich später erinnern sollte, war es ihm am Victoria College verboten, Arabisch zu sprechen.[27] Er störte sich daran, wie der Nahe Osten in vielen klassischen Texten des westlichen Kanons dargestellt wurde, die er als junges Fakultätsmitglied der Columbia University zu lehren hatte. Und er hatte auch den Eindruck, dass viele seiner Kollegen oder Bekannten in New York die Gerechtigkeit der palästinensischen Sache nicht angemessen würdigten...Aufgrund seines neu entdeckten Interesses am Nahen Osten entwickelte er allmählich jene Ideen, die ihn mit der Veröffentlichung von Orientalismus im Jahr 1978 von einem unbekannten Professor zu einem berühmten Intellektuellen machen sollten....
»Ich behaupte nämlich, dass man den Orientalismus als Diskurs auffassen muss, um wirklich nachvollziehen zu können, mit welcher enorm systematischen Disziplin es der europäischen Kultur in nachaufklärerischer Zeit gelang, den Orient gesellschaftlich, politisch, militärisch, ideologisch, wissenschaftlich und künstlerisch zu vereinnahmen – ja, sogar erst zu schaffen.
«Said, der seine profunde Kenntnis des westlichen Kanons mit postmodernen Methoden verband, argumentierte, dass die traditionellen »westlichen« Repräsentationen des »Orients« echten Schaden verursacht hätten....Seit der Antike, so Said, hätten westliche Denker versucht, sich die äußerst unterschiedlichen Länder des Nahen Ostens, des indischen Subkontinents und Ostasiens zu erschließen, indem sie diese vereinfachend als »Orient« kategorisierten. Mit dem Aufstieg der modernen Universitäten und dem Studienfach der Orientalistik nahm diese Tradition eine Art wissenschaftlicher Neutralität für sich in Anspruch. Die »liberale Übereinkunft, dass ›wahre‹ Erkenntnisse grundsätzlich unpolitisch sind, verschleiert die hochgradig intransparent organisierten politischen Bedingungen des Wissenserwerbs.«[31]
Westliche Darstellungen östlicher Kulturen zu studieren, war insbesondere aus einem Grund wichtig: »Der Orientalismus stößt einen nämlich geradezu auf diese Frage – namentlich, ob der politische Imperialismus ein ganzes Fachgebiet mitsamt seinen prägenden Vorstellungen und Institutionen beherrscht…«[32]
Westliche Darstellungen des »Orients«, meinte Said, hätten einen direkten politischen Einfluss. Die reduktionistische Betrachtung des »Orients«, die sich sowohl in den Schriften von John Stuart Mill als auch in jenen von Karl Marx widerspiegelten, habe beide Denker dazu veranlasst, Metanarrative gutzuheißen, die offenbar die zeitweise Notwendigkeit des Kolonialismus rechtfertigten.[33] Seither hat eine Reihe neuer Vorstellungen über den »arabischen Geist« zu amerikanischen Interventionen im Nahen Osten beigetragen. Der Hauptzweck von Orientalismus bestand darin, den Leser von der verhängnisvollen Macht zu befreien, die diese Diskurse nach wie vor ausüben.[34]
Die Politik wieder ins Spiel bringen Orientalismus war außerordentlich erfolgreich. Seit der Erstveröffentlichung wurden Hunderttausende von Exemplaren verkauft.
e) Bücherverbrennung
S. 295 : "Auch außerhalb der Vereinigten Staaten ist der Einfluss der Identitätssynthese immer stärker zu spüren. In Kanada verbrannten staatliche Schulen in der Provinz Ontario auf Anraten eines führenden Mitglieds der regierenden Liberal Party in einer sogenannten »Flammenreinigungszeremonie« vermeintlich »anstößige« Bücher.[8]
.[8] Thomas Gerbet, »Des écoles détruisent 5 000 livres jugés néfastes aux Autochtones, dont Tintin et Astérix«, Radio-Canada, 7. September
2021, ici.radio-canada.ca/nouvelle/1817537/livres-autochtones- bibliotheques-ecoles-tintin-asterix-ontario-canada. Suzy Kies, stellvertretende Vorsitzende der Indigenous peoples’ commission der Liberal Party of Canada im Jahr 2019, riet dem Verwaltungsrat einer
katholischen Schule mehr als 4 700 Bücher entweder zu verbrennen oder zu recyceln oder zu vergraben. Als keine Dokumente über Kies’
indigene Vorfahren gefunden werden konnten, verurteilte die Liberal Party ihre Empfehlungen und sie trat kurz darauf zurück. Kevin J. Jones,
»Indigenous ›Expert‹ Advised Book Burnings at Catholic Schools«,Catholic News Agency, 6. Oktober 2021,
In Großbritannien zwangen Studenten durch ernst zu nehmende Drohungen mit Gewalt eine angesehene Philosophin, wegen ihrer Ansichten über das Wesen von Gender und biologischem Geschlecht ihren Lehrstuhl aufzugeben.[9] In der Schweiz wurde in letzter Minute der Auftritt einer Rockband abgesagt, weil ihr weißer Sänger seit seiner Jugend Dreadlocks trägt.[10] Und in Spanien kam ein Verlag zu dem Schluss, dass es inakzeptabel sei, eine prominente schwarze Dichterin von einem weißen Mann übersetzen zu lassen.[11]
Angesichts dieser entmutigenden Vorfälle kommen viele Beobachter zu dem Schluss, dass es zu spät sei, um der Identitätsfalle noch zu entkommen. Das Spiel, meinen sie, ist schon aus. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir, wie Andrew Sullivan es formuliert, jetzt »alle auf dem Campus leben«."