Cover des Buches Babylon (ISBN: 9783446256514)
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Rezension zu Babylon von Yasmina Reza

Tragik und Komik in einem

von Buchperlenblog vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Eine feine Geschichte voller Tragik und Komik

Rezension

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Buchperlenblogvor 7 Jahren
"Was Lydie gesagt hat, nimmt diesen Bildern allen Glanz. Er weiß nicht mehr, was er denken soll. Ihre Worte sind in seinen Körper eingedrungen und lassen ihn unstillbar verbluten." (S.120)

Inhalt

Elisabeth und Pierre sind ein Ehepaar in ihren 60ern. Elisabeth möchte eine Frühlingsparty geben und benötigt dazu mehr Stühle, als sie selbst besitzt. Sie leiht sich diese von dem Nachbarspaar im Stockwerk über ihr aus und lädt diese nun ebenfalls ein. Mit Jean-Lino ist sie befreundet, seine Frau Lydie kennt sie eher flüchtig. Der Abend verläuft gut, die Gäste brechen wieder auf. Lydie und Jean-Lino sind die ersten, die den Abend verlassen. Als alle gegangen sind, klingelt es erneut an der Tür. Jean-Lino steht davor und gesteht: Ich habe meine Frau erwürgt.

Rezension

Wer jetzt entsetzt die Luft einzieht und meint, einem großen Spoiler aufgesessen zu sein, der irrt. Nicht der Mord an sich ist das große Geheimnis dieses Romans von Yasmina Reza. Vielmehr zeigt uns die Autorin, wie aus einer anfangs recht harmlosen, fast schon alltäglichen Situation eine Eskalation entstehen kann. Wie das Leben enden kann, das man kennt. In wenigen Sekunden.

Für Elisabeth steht zunächst fest, dass sie ihrem Freund helfen muss. Sie betritt zusammen mit ihrem Mann die Wohnung, den Tatort. Relativ abgeklärt betrachten sie die Leiche, raten Jean-Lino, die Polizei zu rufen und verlassen kurz darauf die Wohnung wieder. Pierre schafft es sogar, trotz dieser Situation zu Bett zu gehen und einzuschlafen. Nur Elisabeth kann das nicht.

Altbewährtes?

Die ersten Stimmen in der Presse sagen, dass Yasmina Reza sich bei ihrem Roman Babylon auf Altbewährtes ihrer Schreibkunst beruft. Alltägliche Leben, alltägliche Situationen und eine Eskalation. Babylon war mein erster Roman von ihr, so dass mir das nicht auffiel und ich ihren für mich neuen, bühnenhaften Stil sehr genießen konnte. Die Dialoge sind sowohl tragisch als auch in ihrer Alltäglichkeit unverhofft witzig. Als Elisabeth gegen Ende von ihrem Anwalt verhört wird, musste ich doch immer wieder schmunzeln.


Und Sie bleiben dabei, es ist nichts als Freundschaft.

Ja.

Denken Sie nicht, Sie haben vielleicht Spuren einer Verbindung hinterlassen, die von einer anderen Natur ist, als Sie es beschreiben?

Nein.

Sie haben sich nicht vielleicht Mails geschrieben? Ihr Posteingang wird untersucht werden.

Nie eine Mail.

(S.178)


Diese Einfachheit der Gespräche zieht sich durch die gesamte Geschichte, wirkt authentisch und real - Hand aufs Herz, wir unterhalten uns nunmal so.

Der Grund der Eskalation ist banal und allumfassend zugleich. Er bricht aus einer sehr bekannten Alltags-Situation hervor und er steht für die dünne Schicht der Zivilisation, die uns umgibt. Denn wenn wir an unserer hochgelobten Toleranzschicht kratzen, kommt sehr schnell das wahre Gesicht der Menschen zum Vorschein.

Fazit

Eine feine Geschichte, die mir wunderbare Lesestunden brachte, deren Charaktere ich auf merkwürdige Art in mein Herz schloss. Eine Situation, die man selbst nicht erleben will und sich eben doch fragt: Hätte ich wie Elisabeth reagiert? Hätte ich helfen wollen, ein Verbrechen zu vertuschen, weil ich mit dem Täter befreundet bin?

Bewertung im Detail

Idee ★★★★★ ( 5 / 5 )

Handlung ★★★★★ ( 5 / 5 )

Charaktere ★★★★☆ ( 4 / 5 )

Sprache ★★★★★ ( 5 / 5 )

Emotionen ★★★★☆ ( 4 / 5 )

= 4.6 ★★★★★

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