Cover des Buches Glücklich die Glücklichen (ISBN: B00HWBTBSW)
Wortklaubers avatar
Rezension zu Glücklich die Glücklichen von Yasmina Reza

Ungewöhnlich

von Wortklauber vor 6 Jahren

Rezension

Wortklaubers avatar
Wortklaubervor 6 Jahren

Vorweg: Yasmina Reza ist eine französische Autorin, aus deren Feder u. a. das (auch verfilmte) Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“ stammt.

Der Titel des Romans leitet sich ab von einem Zitat von Jorge Luis Borges, das dem Roman vorangestellt ist: „Glücklich die Geliebten und die Liebenden und die auf die Liebe verzichten können. Glücklich die Glücklichen.“

Damit ist schon gesagt, wovon der Roman handelt: von den Beziehungen von Menschen untereinander, dem Jagen nach dem Glück, dem Scheitern, von Sackgassen, Sehnsüchten, Neuanfängen, Unmöglichkeiten. Einen Handlungsabriss zu erstellen, wie man ihn sonst üblicherweise an dieser Stelle findet, fällt mir schwer. Der Grund ist die Struktur des Romans.

21 Kapitel sind jeweils mit dem Namen einer handelnden Person überschrieben. 18 der handelnden Personen kommen in diesen Kapiteln als Ich-Erzähler zu Wort. 21 Monologe. Selbstgespräche? Oder an ein Publikum gewandt? Wenn ja, an welches? An eine andere Romanfigur? An den Leser? Ich weiß es nicht. Erst nach und nach wird deutlich, in welcher Beziehung die Figuren miteinander stehen. Dies verlangt jedoch – besonders, wenn man das Hörbuch hört (in dem die einzelnen Figuren von jeweils anderen Sprechern gelesen werden) – ein gutes Namensgedächtnis. 18 Personen – 18 selbst erzählende Personen; daneben gibt es weitere, *über* die nur gesprochen wird – ich finde das nicht ganz so trivial. Da gibt es Ehepaare, Seitensprünge, Verhältnisse, Eltern und andere Verwandte, Freunde. Fast wünscht man sich ein Schema: Robert ist der Ehemann von Odile, Schwiegersohn von Ernest und Jeanette, Freund von Luc und Lionel … Dass es das nicht gibt, wird seinen Grund haben: Man soll die Beziehungen untereinander erst mit Fortschreiten des Romans ergründen – oder man will’s den Lesern bloß nur nicht allzu leicht machen.

Die Handlung, ja. Das ist schwierig, weil es etliche Kapitel gibt, in denen keine klassische Handlung stattfindet. Stattdessen wird man Zeuge von alltäglichen (und besonderen) separaten Geschehnissen, auch erinnerten. Robert und Odile kriegen sich in einem Supermarkt über die Wahl eines Käses in die Haare – vorgeblich. Szenen wie diese sind von absurdem Humor und einer unterschwelligen Boshaftigkeit, zugespitzt, sicher, aber dennoch möglicherweise dem Leser doch nicht ganz unbekannt. Da gibt es ein befreundetes Paar, dessen Sohn sich für Celine Dion hält. Den Sohn, der seine Mutter in die onkologische Ambulanz begleitet und sich vor ihrem Mundwerk fürchtet. Das sind kleine Scharmützel, angetrieben von unerfüllten Sehnsüchten, Selbstbetrug, Bitterkeit; etliche Personen muten irgendwie narzisstisch an, wie sie um sich selbst kreisen, sich selbst bespiegeln. Das war mir zugegeben teils etwas viel. Aber: Einmal nicht aufgepasst, schon hat man vielleicht was Entscheidendes verpasst, eine Verbindung, die von Bedeutung ist, ein Ereignis, das das Vorhergehende in anderem Licht erscheinen lässt.

Erst gegen Ende treffen mehrere der Personen bei einem Ereignis zusammen. Erst die beiden vorletzten Kapitel haben – abgesehen von Einzelheiten, die, eingestreut in die anderen Kapitel ebenfalls einen Fortgang der Handlung beschreiben – eine Handlung, wie man sie von einem „herkömmlichen“ Roman erwartet. Das Ende? Ja …

Meine Meinung zu diesem Roman ist nicht eindeutig. Interessant war er zweifellos, in der Struktur, die mir so noch nicht untergekommen ist. Ich glaube, um den Roman wirklich beurteilen zu können, muss ich ihn mir ein zweites Mal zu Gemüte führen. Was ich bei anderen Romanen schon aus Vergnügen getan habe, wäre hier aber eher der Neugier geschuldet: Was mag mir alles entgangen sein …? Und warum stehe ich beim Ende so auf der Leitung.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks