Ich bin zwiegespalten, was meine Meinung zu dem Buch betrifft.
Die Geschichte von Arsènes Flucht und der Rolle, die sein Koffer dabei (und auch später) für ihn spielt, hat mich sehr bewegt und wird mich sicher auch noch eine Weile beschäftigen. Hier hätte ich mir jedoch mehr Tiefe und mehr Details gewünscht, auch an früherer Stelle im Buch ein paar mehr dezente Hinweise auf die Hintergründe des Genozids in Ruanda. Weniger Interesse hatte ich an der Geschichte vom Tod von Suzannes Vater und der Bedeutung dieser Wohnung; dies lag jedoch u.a. an den (vom Lektorat übersehenen?) Wiederholungen, die dazu führen, dass Suzanne meiner Wahrnehmung nach in diesem Strang penetrant um sich selbst und ihren Verlust kreist.
Problematisch finde ich zum einen, dass diese beiden Verlustgeschichten auf eine Weise miteinander verflochten werden, die sie ebenbürtig oder zumindest vergleichbar erscheinen lassen soll - zumindest kann dieser Eindruck durchaus entstehen. Hier findet meiner Ansicht nach allerdings eine Verhöhnung der Opfer eines Völkermordes statt, wenn ihr vollständiger Verlust von Familie und Heimat, der aus irrem Hass entstanden ist und die Betroffenen ihrer kompletten Identität zu berauben droht, mit einem Schicksalsschlag gleichgestellt wird, der sicher auch tragisch ist, aber im Leben halt leider vorkommt.
Die Erzählweise wirft zum anderen bei mir vor allem die Frage auf, wozu die Autorin den Anschein erweckt, aus zwei Perspektiven zu schreiben - und dafür extra diese ungewöhnliche Du-Form bemüht - , um dann faktisch doch beide Handlungsstränge nur aus Suzannes Perspektive zu beleuchten. Auch hier kreist mir das Buch einfach zu sehr um Suzanne, während die eigentlich spannende Figur für mich Arsène ist.