Als die zwölfjährige Yeva endlich Uschorod an der Grenze zwischen der #Ukraine und Ungarn erreicht, ist sie keineswegs erleichtert oder gar voller Freude, sie wird von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit überrollt. Dabei hat sie die Frontstadt Charkiw verlassen, ist dem Grauen des Krieges einstweilen entkommen.
Das ist nicht das einzige Überraschende in diesem erstaunlichen #Tagebuch. Es ist bemerkenswert, wie schnell Kinder lernen, wenn der Krieg über sie hereinbricht. Etwa nach nur drei Tagen abschätzen zu können, wie weit die Einschläge der russländischen Artillerie- und Raketengeschosse entfernt liegen - am Knall!
Tagebücher sind von unschätzbarem Wert für jene, die sich aus der Ferne ein Bild machen wollen, was im Unvorstellbaren geschieht, was es mit dem Menschen anrichtet, dessen Leben im wahrsten Sinne des Wortes aus den Angeln gehoben wird.
Tage nach dem Auszug aus der im Kampfgebiet liegenden Wohnung wird diese von einer Rakete getroffen; Yeva verliert nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihre Kindheit und einen Teil ihrer selbst. Dank Smartphone ist das klaffende Loch in der Hauswand auch im Tagebuch zu sehen.
Apropos Smartphone: Der Leser erfährt durch abgebildete Kurznachrichten auch, wie es den Mitschülern Yevas ergeht, eine Neuerung gegenüber den alten Tagbüchern, wie Marina Weisbrand (@afelia) in ihrem schönen Vorwort schreibt. Überhaupt ist »Ihr wisst nicht, was Krieg bedeutet« toll aufgemacht, drei schön gestaltete Karten etwa erleichtern die Orientierung. Nicht zuletzt deswegen ist dieses Tagebuch auch eine gute Idee als Schullektüre.
Yeva Skalietska
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Yeva Skalietska
Ihr wisst nicht, was Krieg ist
Neue Rezensionen zu Yeva Skalietska
Vor allem für Kinder kam der Krieg überraschend. Wie mussten sie sich fühlen, abends wie immer ins Bett zu gehen, nur um am nächsten Morgen oder gar in der Nacht vom Lärm explodierender Bomben geweckt zu werden. Die 12-jährige Yeva Skalietska hat vom ersten Tag an ein Kriegstagebuch geführt, auf das im Laufe ihrer Flucht ein Fernsehteam aufmerksam wurde. Seither wurde dieses in den sozialen Medien verbreitet und der Leser bekam einen Einblick in die Gefühlswelt eines Kindes, das in Charkiw vor dem Krieg ein normales Leben führte.
Nur kurz erzählt sie zu Beginn von ihrem normalen Leben, als sie von ihrem 12. Geburtstag am 14.02. erzählt. Eine Normalität, die abrupt am 24.02. endete.
Ich habe ja schon davon gehört und gelesen, wie Kinder in einem Krieg stecken, aber ich konnte es mir noch nie so richtig vorstellen. Jetzt, nach fünf Stunden in einem Keller, ist das anders. 14%
Ich frage Oma: »Was ist mit unseren Sachen?«
Und sie sagt: »Die müssen wir zurücklassen. Unser Leben ist wichtiger!« 17%
Vor allem in den Wirren der ersten Tage merkt man die Verunsicherung des Mädchens. Kein Wunder, denn ich kenne in meinem Bekanntenkreis selbst Menschen, die ihre Koffer packten, weil sie dachten, der Krieg würde sehr schnell nach Deutschland rüberschwappen. Wie müssen sich erst diejenigen fühlen, die live dabei waren, als Russland in mehrfacher Hinsicht begann, Grenzen zu überschreiten, in dem die russischen Truppen begannen, gezielt die Zivilbevölkerung zu treffen.
Die Dinge selbst sind mir nicht so wichtig, aber sie waren ein Teil von meiner Kindheit! Ich habe das Gefühl, jetzt ist sie auch zersprengt. 32%
Der Leser erfährt von der Flucht von Yeva Skalietska und davon, wie sie dem Wechselbad der Gefühle ausgeliefert ist. Auf der einen Seite freut sie sich, dass ihre Flucht geglückt ist und erlebt auf der Flucht und schlussendlich in Irland viele schöne Momente. Auf der anderen Seite kochen immer wieder Gefühle der Trauer, Angst und Wut in ihr hoch.
Ich schäme mich, zuzugeben, dass ich kein Zuhause habe. Seit wir aus unserer Wohnung in den Keller gezogen sind, kann ich diesen Gedanken nicht ertragen. (75%)
Den Tagebucheinträgen sind jeweils Meldungen aus den Nachrichten hinzugefügt worden. Außerdem gibt es zahlreiche Anmerkungen zu Details, die der vom Krieg nicht betroffene Leser nicht weiß. Mit einigen Schwarz-Weiß-Fotos wird der geschriebene Text untermalt und verdeutlicht in vielerlei Hinsicht die Einträge. Zum Ende werden die Erlebnisse einiger ihrer Freunde in Kurzform abgedruckt, die zeigen, wie unterschiedlich die Fluchtwege aussahen (und aussehen), am Ende aber doch immer die gleiche Sehnsucht nach Freiheit und ihrer Heimat steht.
Fazit
Ja, ich weiß nicht, wie es ist, einen Krieg zu erleben und vor ihm zu fliehen. Und ich bin sehr dankbar, dass ich dies nicht erfahren muss. Umso mehr tut es mir leid, dass eine ganze Nation unter den Wirren eines fehlgeleiteten Menschen leiden muss. Alle Kriege sind sinnlos, aber für den Krieg in der Ukraine gilt das insbesondere. Yeva Skalietska gibt den Lesern einen Einblick, wie Kinder aus ihrer Normalität gerissen werden und welche Gefühlsaufwallungen sie erleben mussten.
Aufgrund des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine mangelt es nicht an Büchern zu diesem Thema. Sei es Bücher über die Geschichte des Landes oder Analysen von Strategen oder Betroffenen. Dieses hier ist ein besonderes. Es ist das Tagebuch der 12-jährigen Yeva Skalietska.
Yeva lebt mit ihrer Großmutter in Charkiw im Osten der Ukraine. Die Eltern arbeiten im Ausland.
Das Leben von Yeva gerät aus den Fugen, als Putins Armee am 24. Februar 2022 in der Ukraine einmarschiert.
In ihrem Tagebuch beschreibt sie jene Tage und Wochen bis es gelingt, gemeinsam mit der Großmutter aus der Ukraine zu fliehen. Mit Hilfe von zahlreichen Freiwilligen schaffen sie es nach Budapest und gelangen nach Irland. Dort geht Yeva wieder in die Schule und kann endlich wieder ein Teenager sein.
Meine Meinung:
Das Buch hebt sich aus der Masse der Bücher zum Krieg in der Ukraine ab. Das liegt vor allem daran, dass das Tagebuch der Zwölfjährigen nicht verändert worden ist. Daher wirkt die Sprache stellenweise kindlich und enthält viele Ausdrücke von Teenagern. Das ist vor allem bei den Whatsapp-Nachrichten, die sie mit ihren Schulkolleginnen teilt.
Berührend auch die Nachrichten, die sie von ihren Schulkollegen erhält:
"Einige meiner liebsten Menschen - Papa, Oma und Opa - sind immer noch in Charkiw. Ich vermisse sie furchtbar und liebe sie sehr. Mein größter Wunsch ist Frieden!" (Kristina, S. 169f.)
"Wir träumen immer noch davon, eines Tages nach Hause zurückzukehren." (Olha, S. 172)"Ich will nach Hause nach Charkiw! Ich will in ein friedliches Charkiw, wo ich draußen mit meinen Freunden spielen kann, ohne mich ständig vor Sirenen und Explosionen verstecken zu müssen! Ich will zurück in die Schule und meine Lehrer wiedersehen! Aber vor allem will ich wieder, dass meine Eltern ein echtes Lächeln lächeln." (Kostja, S. 174)
"... und alles, was ich will, ist Frieden und wieder zu Hause sein!" (Alena, S. 178).
Yevas Schlusswort ist wohl wenig hinzuzufügen:
„... Wir sind Kinder. Und wir haben ein Recht auf Frieden!"
Und ja, wir, die im Frieden leben, wissen nicht, was Krieg ist.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem Tagebuch 5 Sterne.
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