Dystopischer Generationen-Roman: exotisch und faszinierend
von Mary2
Rezension
Schauplatz dieses dystopischen Romans ist Japan zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt in der (näheren?) Zukunft.
Das Land hat eine schwere Katastrophe erlitten, in deren Folge zahlreiche Tierarten ausgestorben sind, viele Nahrungsmittel nicht mehr verzehrt werden können und die jüngere Generation gesundheitlich schwer angeschlagen ist. Das Land hat sich komplett abgeschottet, Internet und Telefonverbindungen bestehen nicht mehr.
Hier trifft der Leser auf Yoshiro, den rüstigen, aber bereits über hundertjährigen Urgroßvater von Mumey, Grundschulkind mit Handicap.
Im Alltag dieser Generationen-WG erfährt der Leser nach und nach immer mehr über Yoshiros Lebens- und Familiengeschichte, seine einstigen Pläne und seine hingebungsvolle Pflege des Urenkels. Dabei fasziniert die positive, immer fröhliche Lebenseinstellung des Kindes, das neugierig ist, aber nicht grüblerisch. Viele Worte, die die ältere Generation noch kennt, sind inzwischen verpönt und ungenutzt (Mama, Overall, …) Sie werden Mumey erklärt und führen auch dem Leser die große Veränderung vor Augen, die sich durch die Katastrophe ereignet hat.
Ohnehin ist die Sprache des Romans seine ganz besondere Stärke. Die Autorin wählt ausgesprochen poetische Bilder für die Beschreibung des Alltäglichen. „Wechseljahre ist, wie wenn der Körper die Tonart wechselt.“ Dabei spielen häufig auch die japanischen Schriftzeichen eine Rolle. Hier ist die besondere Leistung des Übersetzers herauszuheben, der den japanischen Grundton des Romans bis ins Deutsche transportieren kann.
Faszinierend sind die Einblicke in die Verarbeitungsstratgien der japanischen Gesellschaft mit der Katastrophe: Da alle Kinder fast ständig unter Fieber leiden, wird einfach das Fiebermessen abgeschafft.
Für mich ein sehr interessanter Einblick in die japanische Literatur. Begeistert hat hier vor allem die Sprache. Leider haben sich doch viele Wort- und Grammatikfehler in die Druckausgabe geschlichen, was den Lesegenuss etwas mindert.
Ein durchaus herausforderndes Buch, das definitiv den (Lese-)Horizont erweitert.
Empfehlung für alle, die abseits des Mainstreams lesen möchten. Mit 200 Seiten eine überschaubare Lektüre und ein lohnender Ausflug nach Japan.