Goethe müht sich an Isaak Newton ab. Durch eigene Experimente und das Studium der "Alten" legte er eine eigene Farbenlehre auf, von der er bereits im Vorfeld wusste, dass die meisten zeitgenössischen Wissenschaftler ihr zumindest abweisend gegenüberstehen würden. Beinahe möchte man als LeserIn die viele schöne vergebliche Mühe, die sich Goethe bei seinem Werk zweifellos gemacht hat, bemitleiden. In paragraphischem Eifer teilt er seine Farbenlehre in drei Kategorien, die er durch eigene Anschauung und Fachliteratur zu belegen sucht. Vieles davon ist für Laien unverständlich, doch die Sprache, in der Goethe seine Einsichten kleidet, ist oft wunderbar unliterarisch. Wenn er etwa Newton auf der einen Seite als brillanten Mann bezeichnet, ihm aber dann gleichfalls "Charakter" zugesteht, denn allerdings auch ein Wurm zeigt, der zertreten werden soll. Eifrig beschreibt er Newtons "Irrtum" hinsichtlich seiner optischen Lehre, und wie ihr alle Welt aufsitzt, nur um seinen eigenen Irrtum umso breiter zu treten. Ein schönes Buch, dass sich heutige Politiker aneignen sollten, um zu begreifen, wie man sich mit (auch eifrig) angelesenem Halbwissen auf fachlichem Terrain selbst demontieren kann, wenn man anerkannte Expertisen durch die eigene Meinung ersetzen will.
Ein Lehrstück wissenschaftlichen Halbwissens