Rezension zu "„Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ...“" von ZEIT ONLINE
Die ZEIT-Online-Redaktion hat die Mitschriften aus den Reden, die im Deutschen Bundestag zwischen 1949 und 2019 gehalten wurden, ausgewertet und an Hand des Vorkommens bestimmter Wörter die wichtigsten Themen zu den jeweiligen Zeitpunkten zugeordnet und auch den Wandel bestimmter Themen / Wörter analysiert.
Insgesamt hat mich die Betrachtungdurchaus angesprochen, beispielsweise die Entwicklung der "Flüchtlingspolitik": so verstand man 1949 unter "Flüchtlingen" vor allem heimatvertriebene Deutsche, die in der Bundesrepublik - durchaus auch damals gegen den Widerstand der "Alteingesessenen" angesiedelt werden mußten. 2015 wurde auch von Flüchtlingen gesprochen ("Wir schaffen das."), allerdings in einem ganz anderen Kontext.
Natürlich stößt eine rein statistische Betrachtung von Wörtern auch an gewisse Grenzen, wie die Autoren beim Wort "Liebe" selbst zugeben: Das deutlich häufigere Aufreten seit den 1980ern hat weniger damit zu tun, daß die Abgeordneten in der Vergangenheot weniger liebevoll miteinander umgegangen sind, sondern hängt mit der Anrede "Liebe Frau..." zusammen - zwischen 1949 und 1980 gab eben deutlich weniger weibliche Abgeordnete, und die Statistik unterscheidet nicht zwischen dem Subjektiv "Liebe" und der Anrede "Liebe".