Dieses als „Aufklärungsschrift“ titulierte Buch des 1970 als achtjähriger Junge mit seiner Familie aus Istanbul nach Oberbayern eingewanderten Deutsch-Türken Zafer Senocak über das „Deutschsein“ wird Debatten auslösen und hat das auch teilweise schon getan.
Denn Senocak hält den Deutschen den Spiegel vor. Nicht demaskierend, sondern geradezu liebevoll versucht er herauszuschälen, was in der bisherigen, eher hitzig und hilflos geführten Integrationsdebatte übersehen wurde. Wir Deutschen haben immer noch keinen positiven Begriff davon, wer wir sind. Deshalb entwickeln de Deutschen auch immer noch keine Vision für eine offene Gesellschaft, die sich n i c h t über die Abgrenzung des für sie Fremden definiert.
Als erstes identifiziert der Autor die deutsche Sprache als wichtige, aber besonders in der Integrationsdebatte vernachlässigte Größe:
„Sprache fließt, berührt und erzeugt Lust. Nichts ist von dieser Lust spürbar, wenn in Deutschland über Integration und Sprachdefizite gesprochen wird. Es herrscht die kühle Atmosphäre eines Labors. Man spricht über Einwanderung oft so, als ginge es dabei um chemische Formeln. Wo bleiben die Wörter, die schmecken, berühren und berauschen?“
Und er beklagt die Tatsache, dass im Land der Dichter und Denker, von denen sich viel auf die universellen Werte der Aufklärung berufen haben, so wenig von diesem Niveau zu spüren ist, wenn es um öffentliche Diskkurse geht, nicht nur um die Integration, sondern generell:
„In Deutschland ist die Fallhöhe zwischen dem hohen geistigen Niveau des philosophischen Erbes und der gegenwärtigen Verflachung öffentlicher Diskurse besonders groß. Eine stark polarisierende Sprache des Kulturkampfes hat an Raum gewonnen, verhinderte eine nüchterne Analyse der Zustände und ersetzt inzwischen mehr und mehr Reflexion und Analyse.“
Man mag die Hoffnung, die Senocak auf die Macht und den Geist der deutschen Sprache setzt, naiv finden, man mag auch seine Kritik an der „christlich-jüdischen Leitkultur“, die just dann auferstehe, wenn es um die Abgrenzung gegen d e n Islam geht, den es so als monolithischen Block gar nicht gebe, unvollständig erachten. Doch sein Beitrag, sein Versuch, die Sprache und ihren aufklärerischen Gehalt in die verfahrene Debatte zu werfen, ist wichtig und gut.
Ob er sich in der erhitzten Debatte Gehör verschaffen kann. Es wäre ihm und uns allen zu wünschen.