Zdena Salivarová

 4,3 Sterne bei 3 Bewertungen
Autor*in von Ein Sommer in Prag.

Lebenslauf

Zdena Salivarová, geb. 1933, ist eine tschechische Schriftstellerin, Übersetzerin, Verlegerin, aber auch Sängerin und Schauspielerin. Sie schrieb neben einer Reihe von Kurzgeschichten, Novellen und Erzählungen zwei autobiographische Romane. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Truppen des Warschauer Pakts emigrierte sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Josef Škvorecký, nach Kanada.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Zdena Salivarová

Cover des Buches Ein Sommer in Prag (ISBN: 9783963118388)

Ein Sommer in Prag

(3)
Erschienen am 18.03.2024

Neue Rezensionen zu Zdena Salivarová

Cover des Buches Ein Sommer in Prag (ISBN: 9783963118388)
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Rezension zu "Ein Sommer in Prag" von Zdena Salivarová

Johanna_Be
Zum Lachen und zum Weinen - eine Geschichte aus dem realen Sozialismus

Auch im Winter zu lesen. Zum Lachen und zum Weinen.

Über Bösartigkeit, Hinterlist, Mut, Witz, Vertrauen, Liebe und Lebensfreude. Und die sieben Todsünden kommen auch vor. Mitreißend und geradlinig erzählt. Leicht zu lesen.

Eine Geschichte aus dem realen Sozialismus im Prag der 50er Jahre. Die junge Ich-Erzählerin Jana Honzlová kommt aus einer armen Familie, die böse Erfahrungen mit dem tschechoslowakischen Staat gemacht hat. Mehr als Kartoffeln mit Milch gibt’s oft nicht. Zwei Brüder sind in Arbeitslagern interniert. Der Vater ist nach Übersee geflohen. Mutter, Bruder und Schwester müssen von dem bisschen Geld leben, das Jana nach Hause bringt. Sie hat nach dem Abitur eine Stelle  in einem folkoristischen Sing- und Tanzensemble gefunden. Einmal durfte sie mit ins Ausland, nach Frankreich. Für die Reise nach Finnland hat man ihr nun keine Ausreiseerlaubnis mehr erteilt. Sie soll derweil im leeren Prager Büro die Stellung halten und Telefondienst machen. Glücklicherweise bringt ein Versehen des Direktors erstes Licht ins Dunkel der Behördenwillkür. Jana erfährt aus den Kaderakten, die im Safe des Direktors lagern (er hat die Zahlenkombination am Schlüsselbund hängen lassen), was für ein Mensch sie laut den Denunzianten in ihrem Kollegium ist:

„J. Honzlová ist eine leichtfertige, durchtriebene Person, […] kennt keine Skrupel … lebt in einem moralischen Sumpf … hat in unserem Kollektiv nichts zu suchen …“ Die Mutter schimpfe öffentlich „auf unsere sozialistische, demokratische Ordnung. Das zumindest kann Jana nachvollziehen, da ihre Mutter öfter mal den VEB Obst und Gemüse kritisiert hat, „weil es da nie Zwiebeln gab“.

Jana möchte aber genauer wissen, warum sie die begehrte Erlaubnis, ins kapitalistische Ausland zu fahren, nicht bekommen hat, da sie doch für ihren Einsatz in Frankreich zumindest mündlich belobigt worden ist. Sie begibt sich also ins Kultusministerium und setzt damit eine ganz Kette von Behörden- und Spitzel-Aktivitäten in Gang. In ihrer Verzweiflung will sie sich sogar taufen lassen, um Trost zu finden. Der auserwählte Pfarrer ist der ehemalige Bewerber um ihre Gunst…

Obwohl das alles deprimierend klingt und die Geschichte auch tragisch endet, ist das kein trauriges Buch. Die liebenswerte Erzählerin berichtet von sich und ihrem Leben, ihren falschen Entscheidungen und ihrer Umgebung mit viel schnoddrigem Witz, oft umgangssprachlich. Exzellent ins Deutsche übersetzt von Sophia Marzolff.

 

Besonders beeindruckend: das haarsträubende Verhör im Innenministerium, bei dem man ihr einen Mord anhängen will, um sie zur informellen Mitarbeit zu zwingen. Das Märchen am Ende hätte ich nicht gebraucht. Ein Quäntchen zu viel Rührseligkeit für meinen Geschmack.

Zdena Salivarová hat in ihren eindrucksvollen Roman viele autobiographische Elemente eingebaut, wie aus dem Nachwort zu entnehmen ist. Sie gründete im Exil in Toronto einen Verlag und veröffentlichte den Roman dort im Jahr 1972. Das Buch stand 2024 auf der #Hotlist der unabhängigen Verlage.

Cover des Buches Ein Sommer in Prag (ISBN: 9783963118388)
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Rezension zu "Ein Sommer in Prag" von Zdena Salivarová

Wolf-Macbeth
Verlorene Träume im Prager Sommer

„Ein Sommer in Prag“ von Zdena Salivarová entführt uns in die brütende Hitze des Prager Sommers der 1950er Jahre. Die junge Sängerin Jana Honzlová, Protagonistin und Ich-Erzählerin des Romans, wird aufgrund ihrer politischen Unzuverlässigkeit nicht mit ihrem Folklore-Ensemble auf Tournee gehen dürfen. Stattdessen muss sie im Betriebsbüro arbeiten, wo sie sich mit der freundlichen Putzfrau anfreundet und heimlich die internen Intrigen des Systems aufdeckt. Doch auch ihre komplizierte Familiensituation und die Repressionen des kommunistischen Regimes setzen ihr zu. Jana schildert ihre Erlebnisse mit Unverblümtheit und einem scharfen, humorvollen Blick auf die Absurditäten ihrer Welt. 


Salivarová, die eigene Erfahrungen in den Roman einfließen ließ, schafft ein authentisches Porträt einer vergangenen Zeit, das leichtfüßig erzählt wird, ohne die Tragik und Absurdität zu verharmlosen. Das Buch erschien 1972 im kanadischen Exil und gilt als ein Meisterwerk der tschechischen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.


Die Sprache des Romans ist leicht, sarkastisch und humorvoll, was das Lesen trotz der beklemmenden Thematik angenehm macht. Die allgegenwärtige Überwachung und die ständige Unsicherheit, ob jemand Freund oder Feind ist, erzeugen eine dichte, beklemmende Atmosphäre. Ein Beispiel dafür ist Herr Sedláček, der Jana bedrängt und bei dem sie nie sicher sein kann, ob er ihr helfen will oder sie nur als Spitzel anwerben möchte.


Der Roman ist in zwei Handlungsstränge gegliedert: Zum einen Janas Arbeitswelt mit den hinterhältigen Machenschaften des kommunistischen Systems, zum anderen ihre familiären und freundschaftlichen Beziehungen. Diese Mischung aus politischem Druck und persönlichen Geschichten verleiht dem Buch eine besondere Tiefe. Die Erzählung ist zugleich lustig und traurig, denn sie zeigt die schwierigen Lebensverhältnisse in Prag und führt letztendlich zu einer Katastrophe. Man lacht mit Jana, aber vergisst dabei nicht die Tragik ihrer Situation, besonders gegen Ende des Romans,


Salivarová gelingt es meisterhaft, eine so bedrückende Geschichte in einem leicht lesbaren Stil zu präsentieren. Dieses Werk hat meinen Horizont um eine düstere historische Perspektive erweitert und bleibt durch seinen humorvollen, aber auch ehrlichen Erzählstil lange im Gedächtnis. „Ein Sommer in Prag“ ist ein beeindruckendes literarisches Zeugnis, das die Widersprüche und Herausforderungen einer unterdrückten Gesellschaft auf eindrucksvolle Weise einfängt.

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