Dies ist die Geschichte einer Obsession. Ja'ara ist Ende Zwanzig, verheiratet mit dem herzensguten Joni, auf der Suche nach einem Dissertationsthema und im Kampf um eine der raren Dozentenstellen an der Uni. Ihr weiteres Leben scheint vorgezeichnet mit Promotion, Kindern und Wohnungskauf. Da verfällt sie Arie, einem Freund ihrer Eltern und setzt mit dieser leidenschaftlichen Affäre ihre ganze Existenz aufs Spiel. Wie sich herausstellt, als die Sache schon im vollen Gange ist, kam Arie aus Frankreich nach Israel zurück, weil seine Frau, die Krebs im Endstadium hat, in Israel sterben wollte. Für Arie ist Ja'ara bereit, alles aufzugeben: Ihren Mann, ihre Familie, ihr Promotionsprojekt.
Es tut mir leid: Bei mir funktioniert dieses Buch nicht - auf keiner der möglichen Ebenen.
Rational ist das Entflammen Ja'aras schon mal nicht zu erklären. Sie riskiert ihre bürgerliche Existenz, ihre Ehe, ihre wissenschaftliche und berufliche Zukunft mit dieser Affäre. Arie hat ihr weder Status noch Geld zu bieten; was er beruflich macht, bleibt ein Geheimnis, man munkelt, es seien Geheimdienstaufträge gewesen, die ihn nach Frankreich geführt haben. James Bond aber ist er beileibe keiner.
Egal: Liebe und Leidenschaft sind nicht immer rational. Schauen wir also auf die emotionale Ebene. Ja'ara hat ihr Päckchen zu tragen: Ein kleiner Bruder ist im Babyalter gestorben, die Ehe der Eltern verläuft spätestens von da an lieblos und von Verbitterung geprägt. Ihren Mann Joni hat sie nicht aus romantischer Liebe geheiratet, sondern in erster Linie, um von zu Hause wegzukommen. Überhaupt ist da nicht viel Liebe in ihr, auch nicht viel Sicherheit. Aber Arie ist der letzte, der Ja'aras Bedürfnisse nach Zuwendung, nach Halt, nach Bestätigung erfüllen könnte. Der ist nichts als ein alternder Hallodri, ein Schürzenjäger, der - wie Ja'ara selbst zum Schluss erkennt - ihre Abhängigkeit von ihm genießt und im Grunde braucht.
Bleibt die Erotik. Aber auch da sieht es mau aus: In den reichlich expliziten Sexszenen findet Ja'ara bei Arie keine Erfüllung, keine Ekstase. Ihr Verlangen, sich ganz Aries Willkür hinzugeben, ist wohl mehr der Sehnsucht nach Geborgenheit und Sicherheit geschuldet - als dominanter Herr im Bett taugt Arie jedenfalls auch nicht viel. Und wenn der Text beim Publikum prickelnde Erotik verbreiten soll, kann ich nur sagen, dass er bei mir keinerlei Erregung auslösen konnte.
Nein, ich finde keine Erklärung für all das, was in diesem Buch geschieht, ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen und verstehen. Stattdessen sitze ich ratlos und schüttle den Kopf über die dusselige Kuh, die sich da sehenden Auges kaputtmacht.
Dabei ist die Geschichte sprachlich flüssig, um nicht zu sagen: über weite Strecken sogar stilistisch efreulich geschrieben. Das hat Hand und Fuß, und man erkennt, dass dieses Buch genau so gedacht und konzipiert war. Da ist keine Stümperin am Werk, die mal eben ein bisschen Schweinkram zusammenschreibt.
Vielleicht liegt des Rätsels Lösung in der jüdischen Semiotik. Die Szene im letzten Kapitel deutet darauf hin, in der Ja'ara gegenüber ihrem Professor die Frau des Baumeisters aus dieser Geschichte von der Zerstörung des Tempels so vehement von Schuld freispricht. Nun, da bin ich raus: Nichtbiblische jüdische Legenden sind mir gänzlich fremd, dieser Symbolik kann ich nicht folgen.
Was in meinem beschränkten abendländischen Blick bleibt, ist eine psychisch labile Frau, die unberechenbar ist und deren Entscheidungen mir verschlossen bleiben. Eine Amour Fou, die eben genau das ist: "fou" - närrisch, bescheuert, verrückt. Aber, sorry: Für das erratische Sexleben einer (pardon!) durchgeknallten Bekloppten ist mir meine Zeit und Energie zu schade, da les ich lieber was Bereichernderes.