Die Volksrepublik China ist nicht unbedingt als ein Land bekannt, in dem der offene, kritische Dialog und die unverhüllte Dokumentation von Problemen und Missständen Tradition haben. Unter Mao und seinen Nachfolgern blühte vielmehr eine Praxis der Günstlingswirtschaft, der Unterdrückung einer freien Meinung und Presse sowie die Ausbeutung der Arbeiterschicht bei gleichzeitiger Akkumulation von Kapital in den oberen Klassen der Gesellschaft. Und obwohl diese Umstände bekannt sind, ist es im modernen China nicht möglich, darüber zu berichten. In diese Phalanx des Schweigens bricht die Autorin Zhang Jie mit ihrem 1981 erschienenen Roman Schwere Flügel ein: anhand eines lokalen Fixpunktes, namentlich des Schwerindustrieministeriums in Peking, werden die Räder in der Maschinerie von Politik und Ökonomie offen gelegt, wird schonungslos gezeigt, wieviel Zeit und Energie in persönliche Ränkespiele investiert werden, statt sie dem Aufbau eines funktionierenden Staates angedeihen zu lassen. Demgegenüber steht die Arbeiterklasse, die für jede noch so geringe Verbesserung ihrer Lebens- und Produktionsbedingungen hart kämpfen muss und dabei nicht selten auf der Strecke bleibt. Als Bindeglied fungieren Menschen, die auf dem ideologischen Boden des Humanismus gediehen und ungeachtet ihrer persönlichen Reputation die Kritik an der Oberschicht nicht scheuen. Dabei geht es Zhang Jie in ihrem Werk darum, die Schwierigkeiten einer Annäherung zwischen beiden Welten aufzuzeigen: in einer Gesellschaft, die vom Karrierismus und dem rücksichtslosen Drang nach sozialem Aufstieg geprägt ist, wird jede noch so kleine Verfehlung, jeder schwarze Fleck im Lebenslauf genutzt, um den politischen Gegner zu vernichten. Jeder Versuch, eine Brücke zu schlagen, bringt hohe individuelle Opfer mit sich. Leben werden genommen, Familien und Karrieren zerstört. Beeindruckend klar und mutig plädiert der Roman für eine Gesellschaft der ideologischen Erneuerung; für einen Abbau von Schranken und einer Harmonie aller Schichten. Dies geschieht aber nicht auf eine übermäßig melodramatische Weise, sondern immer eingedenk der chinesischen Mentalität und langen Tradition. Der Text hat fast vierzig Jahre nach seinem Erscheinen nichts an Aktualität verloren und ist ein starkes Zeichen für ein Umdenken der Menschen im Umgang miteinander.
Dem Drachen die Stirn geboten