Zvi Jagendorf

 3,1 Sterne bei 11 Bewertungen

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Cover des Buches Die fabelhaften Strudelbakers (ISBN: 9783746622385)

Die fabelhaften Strudelbakers

 (11)
Erschienen am 01.11.2006

Neue Rezensionen zu Zvi Jagendorf

Cover des Buches Die fabelhaften Strudelbakers (ISBN: 9783746622385)
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Rezension zu "Die fabelhaften Strudelbakers" von Zvi Jagendorf

Sprachlich wunderbares Eintauchen in eine komplexe Welt
Viv29vor 4 Jahren

Ich war schon vom ersten Satz dieses Buches angetan: "Er war ein toter Mann, der an einem Samstagabend des Jahres 1937 mit leeren Taschen in einer Tram durch Wien fuhr."

Der Anfang versprach einen originellen Schreibstil und dieses Versprechen hat Zvi Jagendorf mit seinem Buch absolut erfüllt. Es gibt viele herrlich bildhafte Formulierungen, gelungene Beschreibungen. Die Welt der Helfgotts und Golds erstand beim Lesen vor mir auf.

Wir begleiten die beiden Familien durch die Augen Wolfy Helfgotts, auch wenn er nur in einem Kapitel tatsächlich als Ich-Erzähler auftritt. Wolfys Eltern Frida und Chaim gelang 1939, kurz vor Kriegsausbruch, die Flucht aus Wien und vor "dem gigantischen Fallstrick (...), der in der alten Heimat ausgelegt worden war, um sie alle zu töten." Auch weiteren Verwandten gelang die Flucht und so sind Fridas Bruder Mendl und seine Frau Rosa ebenfalls in England, während ihre Eltern und Schwester sich schon etwas früher nach Tel Aviv retteten. Andere Familienmitglieder konnten dem widerlichen Millionenmord der Nazis nicht entkommen. Ihr Schicksal fließt ab und zu ein, lakonisch, in Nebensätzen, die trotz oder wegen dieser Beiläufigkeit stark wirken. Es gehört leider für diese jüdischen Familien in London oder Tel Aviv zum Alltag, Angehörige auf grausame Weise verloren zu haben, ihre Gräber nicht besuchen zu können, weil es keine gibt. Auch die Erfahrungen der Familien vor der Flucht werden immer wieder in kurzen Episoden oder Sätzen eingewoben, sowohl das kultivierte und angenehme Leben vor der Nazizeit wie auch die erniedrigenden und erschreckenden Erfahrungen danach. Hier ebenfalls ein lakonischer Schreibstil, manchmal durchzogen von dunklem Humor.

Durch diese etwas sprunghafte Erzählweise setzt sich unser Bild der Charaktere und Geschehnisse erst nach und nach zusammen, werden manche Dinge erst ganz am Ende aufgedeckt. Da erfahren wir von Fridas Eltern plötzlich eine ganz andere Seite und grübeln nach, warum manche Dinge in der Familie vermeintlich ungerecht behandelt wurden, bevor Zvi Jagendorf uns durch Wolfys Gedanken in Erinnerung ruft: "Solche Fragen waren unzulässig, weil sie zeigten, daß man nicht begriffen hatte, welch furchtbare Qual es bedeutet hätte, bestimmte Entscheidungen treffen zu müssen."

Die eigentliche Handlung beginnt in den Kriegsjahren in London und führt uns intensiv durch Wolfys Kindheit und Jugend. Das ist anschaulich geschrieben, oft richtig komisch, weil der Autor die menschlichen Eigenheiten so gut erfaßt und die skurrilen Situationen, die jede Familie durch ihre ganz eigene Dynamik erlebt, so herrlich schildert. Wolfy, seine Eltern Frida und Chaim, sein Onkel Mendl und Tante Rosa werden uns sehr vertraut, sie sind wundervoll lebendige Charaktere. Auch Wolfys Balancieren in dieser Welt, in der er in England als Jude und Flüchtling durchaus schief angesehen wird, während seine Familie von ihm die Einhaltung jüdischer Regeln verlangt, die er innerlich nicht immer nachvollziehen kann, ist sehr anschaulich. Für einen Jungen ist ein solcher Balanceakt nicht immer einfach und manchmal ist es fast unmöglich, allen gerecht zu werden. Das erfahren wir hier sehr eindrücklich und dabei habe ich auch noch viel Interessantes über jüdisches Leben und jüdische Traditionen gelernt.

Die Elterngeneration, die noch das Vorkriegswien kennt, möchte Traditionen und Lebensart bewahren, die jüngere Generation lehnt sich dagegen auf. Wir erblicken hier beide Sichtweisen und es ist manchmal recht schmerzlich, diese widerstreitenden Meinungen zu erleben und dann oft interessant, welche Kompromisse getroffen oder welche Schlupflöcher gefunden werden. Ein Kapitel fast am Ende des Buches zeigt uns den mittlerweile erwachsenen Wolfy in Tel Aviv, in der Wohnung seiner Tante, die eine Mischung aus der alten und neuen Welt ist. Die schweren dunklen Möbel, das feine Porzellan, das aus Wien gerettet wurde, im hitzeflirrenden Israel. Die Tante, die sich dieser neuen raueren Existenz angepaßt hat, aber doch irgendwie auch noch in Wien ist.

So fängt Zvi Jagendorf auf meisterhafte Weise das Lebensgefühl jener zwei Generationen ein, die ihrer Heimat beraubt wurden, sich aber ihre Identität erhalten haben. Das liest sich flüssig, unterhaltsam, nur zum Ende hin waren einige Passagen - wie ein Kapitel, das sich vorher und nachher nie wieder auftauchenden und für die Geschichte nicht wirklich relevanten Verwandten widmet - für mich nicht ganz so überzeugend. Das Ende selbst kommt ein wenig abrupt, wird etwas zu summarisch abgehandelt. Das trübt aber nicht den Gesamteindruck dieses Romans, der mit so gelungener Sprache und solcher Eindrücklichkeit eine komplexe Welt voller tiefer Emotionen schildert.

Cover des Buches Die fabelhaften Strudelbakers (ISBN: 9783351029975)
Daphne1962s avatar

Rezension zu "Die fabelhaften Strudelbakers" von Zvi Jagendorf

Rezension zu "Die fabelhaften Strudelbakers" von Zvi Jagendorf
Daphne1962vor 12 Jahren

Jüdische "Flichtlinge" sind die Familie Helfgott, die es nach London verschlagen hat und die dort versuchen zurecht zu kommen. Wolfy Helfgott hat es nicht so leicht, der langsam in einer fremden Umgebung aufwächst. Im Mittelpunkt steht immer die Familie mit ihren Traditionen, wie Apfelstudel backen und Briefe schreiben. Hier bekommt man einen Eindruck in die Lebensweise der jüdischen Kultur. Ich fand den Titel sehr originell, das hat mich doch sehr angesprochen. Was es mit dem Apfelstrudelbacken auf sich hat und wie alle in der Familie helfen müssen, sollte jeder selbst mal lesen.

Cover des Buches Die fabelhaften Strudelbakers (ISBN: 9783351029975)
schokobooks avatar

Rezension zu "Die fabelhaften Strudelbakers" von Zvi Jagendorf

Rezension zu "Die fabelhaften Strudelbakers" von Zvi Jagendorf
schokobookvor 14 Jahren

Nur angelesen. Hat mir überhaupt nicht gefallen.
Schreibstil war nichts für mich.

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