Ich bin - oder war - ein großer Fan der EINZLKIND-Bücher. „Gretchen“, „Billy“ und „Harold“ gehören zu meinen absoluten Lieblingsromanen. Als ich vor etwa über einem Jahr zufällig erfuhr, dass mit „Minsky“ ein viertes Buch des anonymen Außnahmeautors veröffentlicht werden sollte, war ich entsprechend begeistert. Dieser Begeisterung taten auch die vielen, unangekündigten Verschiebungen des Releasedatums keinen Abbruch. Seit Dezember ist „Minsky“ beim Extrawurstverlag Edition Tiamant erhältlich – nur in gebundener Form natürlich, man ist ja unter Gebildeten. Leider hat sich das Warten nicht gelohnt.
Obwohl sämtliche der bisher erschienenen EINZLKIND-Romane durchaus sehr unterschiedlich gestaltet waren, so zeichneten sie sich doch alle durch eine exquisite Wortgewandtheit, eine bösartig-präzise Beobachtungsgabe und einen charmant zynischen Sarkasmus aus. Leider ist nichts davon in „Minsky“ zu finden.
Stattdessen serviert EINZLKIND seinen Leser*innen eine erschreckend platte und vorhersehbare Dystopie, rund um die ausgeleierte Thematik der künstlichen Intelligenz. Eher schlecht als recht verpackt er darin auf nicht sonderlich subtile Art und Weise einen ganzen Haufen an „satirischer Gesellschaftskritik“.
Tatsächlich bemüht EINZLKIND hier eher das gesamte Repertoire des pseudo-provokanten Boomer-tums:
Zockende Millenials, handyabhängige Influencerinnen, extreme Fridays For Future Aktivisten, panische Virologen, naive Gutmenschen, machtgeile Politiker, lächerliche Gendersternchen – alle bekommen ihr Fett weg. Naja, mehr oder weniger. Sämtliche der mit viel selbstgefälliger Überheblichkeit hervorgebrachten „Ist-es-wirklich-noch-ein-Witz-oder-nicht-denk-mal-drüber-nach“-Witze sind unheimlich abgehalftert und so schon tausendmal dagewesen. Jaja, alle sind dem Selbstoptimierungswahn verfallen und so politisch überkorrekt, dass sie zwischen Cancel-Culture und Opferrolle gar nicht mitbekommen, wie die Diktatur der Wokeness die Welt umkrempelt. Gähn. Man hat das Leuchtreklameschild “VORSICHT BISSIGE SATIRE, NICHT FÜR SCHNEEFLÖCKCHEN GEEIGNET” quasi vor Augen.
Zwischendrin gibt es dann noch vermeintlich hochphilosophische Ergüsse zu Themen der menschlichen und nichtmenschlichen Existenz, die so übertrieben wirr und aufgesetzt spitzzüngig formuliert werden, dass es wehtut. Holzhammerironie fürs Feuilleton. Was zum nachdenken.
Sowas ist vielleicht für Fans von Dieter Nuhr und Abonnenten des TikTok Feeds der Jungen Union unterhaltsam. Für alle anderen ist es höchstens langweilig und peinlich. Es ist wirklich traurig, dass sich EINZLKIND nicht zu schade für so einen plumpen Quatsch ist.