Eine kleine Entdeckung vom diesjährigen #indiebookday. Dieser sehr kurze Roman des Franzosen Éric Faye hat nicht nur den Grand Prix de l’Académie Française gewonnen, sondern beruht auch noch auf einer wahren Begebenheit, einer japanischen Zeitungsmeldung: Ein Mann entdeckt, dass sich in eine Frau in seine Wohnung geschlichen und dort – in einem selten benutzten Zimmer im Wandschrank versteckt – ein Jahr lang gelebt hat.
Die Geschichte ist zu kurz, um viel dazu zu sagen. Es geht um Einsamkeit und wortwörtliches Aneinander-vorbei-leben. Es geht um zwei Menschen, die – jeder für sich – sehr isoliert leben, obwohl in ein und derselben Wohnung. Deren Schicksale sich kreuzen, parallel laufen, ohne dass sie selbst sich tatsächlich begegnen. Wie Schiffe in der Nacht leben sie im selben Raum, aber weit entfernt voneinander.
Traurigkeit kommt auf, wenn man das liest. Erst recht, als Shimura sich am Ende insgeheim wünscht, die Unbekannte nicht verraten zu haben. Da ist Sehnsucht zwischen den Zeilen dieses einsam und eintönig lebenden Mannes. Die vertane Möglichkeit, einem in Not geratenen Menschen zu helfen. Diesen Menschen tatsächlich kennen zu lernen. Zu groß, zu übereilt war die Empörung über das Eindringen in die Privatsphäre.
Ob das eine Parabel auf die heutige Zeit sein soll, mag ich nicht sagen. Es fühlt sich allerdings so an. So viele Menschen, so viele Schicksale. Aber selbst, wenn man sich nahe kommt, bedeutet das noch lange nicht, dass man sich überhaupt berührt.
Distanz strahlt auch der Schreibstil aus. Selbst eher berichtartig, voller Distanz, projeziert man als Leser selbst Emotionen hinein, leise Zwischentöne.
Was am Schluss bleibt, ist ein Gefühl von Bedauern und der verpassten Chance, aus der Einsamkeit zu entkommen.
Ein kleines feines Buch. Ein gelungener Fund am #indiebookday.