Wir werden erwartet

Auch wenn mich gerade das letzte Drittel nicht mehr wirklich angesprochen und überzeugt hat, bin ich traurig, dass die Reihe nun ihr Ende gefunden hat.

So wie die Figur der Hilla, so verliert sich auch ein wenig das ganze Buch. Trotzdem bin ich traurig, dass es bald vorbei ist - und dann für immer.

Der Roman ist immer dann stark, wenn er sich auf Hilla zurückzieht, auf ihre Gefühle, ihre Verwurzelung und ihre Suche. Er schwächelt, wenn er die politische Lage beschreiben und analysieren will. Hier wirkt er hölzern, nicht atmosphärisch.

"...so etwas wie kleine Gedichte, die sich reimen auf unsere Geschichte, mit unendlichen vielen Zeilen noch verweilen."

"All die nicht gesprochenen lieben Worte sagen, das nicht gestreichelte Streicheln wagen, die dünngelittenen Lippen küssen, uns augenzwinkernd grüßen, fröhlich miteinander lachen und ein paar verrückte Sachen machen..."

Die Aussöhnung mit dem Vater berührt mich einerseits sehr, andererseits ist sie mir manchmal fast zu kitschig und unwirklich. Die sozialistische Theorie als Allheilmittel für eine schwere Beziehung? Auf einmal grenzenlose Liebe und Vertrauen?

"Einfach noch einmal von vorne leben, wieder holen, was einmal gewesen wäre, als wäre es wahr gewesen."

Die politischen Berichte überzeugen mich - wie in Band 3 - weniger. Hahns eigener Anspruch, zu verstehen, warum sie DKP-Mitglied wurde, wird nicht vollends erfüllt, da sie zu rasch erzählt.

Der Roman berührt mich sehr und schlägt einen Bogen zum ersten Band. Ich bin wieder ganz nah bei Hilla, ihre Gedankenwelt nimmt mich Gefangen, ich leide mit ihr, sehe nur noch uns beide. Es klingt grausam: Aber der Tod Hugos tut der Geschichte sehr gut!

"Jede Hoffnung,ein Ende des Suchens gefunden zu haben,wird neue Täuschungen mit sich bringen.Dein Leben wird eine Kette von Täuschungen sein.Bist du endlich deine Ent-Täuschung findest.Rettung.Erlösung.Große Worte. Leben müssen wir sie eine Nummer kleiner

"Du wirst lange warten müssen, beschied mich Kreuzkamp ernst. Du wirst das alles nicht aushalten. Nicht alleine. Du wirst suchen. Dich betäuben. Jedes Suchen ein Warten..."

"Das Ende ist immer ein brutales Rätsel. Und bleibt es."

"Wie das Leben sich wirklich vollzieht, ist sein Geheimnis; man kennt nur die Erinnerung, und die schafft sich ihre eigene Geschichte."

Hugos Tod - vom Klappentext angekündigt - hat mich doch kalt erwischt. Die Trauer um einen geliebten Mensch, das Unwirkliche und vor allem die ungemeine Wut auf Gott ist unglaublich authentisch erzählt und lässt einen die Geschichte ganz nahe kommen!

"Nur einer fehlte, und alles war Nichts."

"Ich hatte ihn verloren. Ich war eine Verlorene. Verliererin."

"Leid ist eine Krankheit, hatte Friedrich mir erklärt, das du irgendwann zurücklässt wie die Schlange ihre alte Haut, der Hirsch sein Gewih. Erzwingen kannst du das nicht."

"Aber hättest du all das Schöne mit Hugo lieber nicht erlebt?"

Und man ist direkt wieder im Hilla-Universum. Wie erwartet bleibt Hahn ihrer Erzählweise aus Band 3 (leider) treu. Der Text ist zwar immer noch atmosphärisch, aber weniger erlebend, sondern mehr analysierend und rückblickend verarbeitend.

"Warum kamen mir ausgerechnet hier, wo alles neu und aufregend war, ständig Bilder von früher dazwischen?"

"Wenn es stimmt, dass es zur wahren Freiheit immer einen zweiten Menschen brucht, dann war Hugo meine Freiheit."

"Unsere Zeit lag außerhalb der Zeit..."

"Gerade weil nichts da war, was festhielt, überwältigte, ließ mich der Rhein auch träumen, verlockte zum Sehnen, Wegsehnen mit dem Strom, ins Weite, ins Ferne. Freie. Weg von denen, die es nicht wagten, zu träumen, sich weg zu denken, weg zu gehen."

"Lommer jonn, der Großvatersatz. Er gehörte nun zu uns, dieser Satz, wie er zum Rhein gehörte. Und der Rhein zu Hugo und mir. Der Dondorfer Rhein, mein Gefährte aus Kinder- und Jugendtagen und für alle Zeit."

Urlaub und der letzte Band um Hilla Palm. Genug Zeit zum Lesen und dann auch noch die Lieblingsreihe. Was will man mehr vom Leben?! :)