Lesenswert: Biografie Leseempfehlungen 2024

Als Jennifer Teege mit 38 Jahren herausfindet, dass ihr Großvater der aus Schindlers Liste bekannte KZ-Kommandant Amon Göth war, bricht ihre Welt zusammen. In "Amon" verarbeitet sie, eine schwarze Frau, diese Entdeckung und berichtet, wie sie sich in den darauffolgenden Jahren damit auseinandergesetzt hat. Sie schafft es, diese für sie sehr emotionale Zeit sachlich und dennoch fesselnd wiederzugeben. Ein großartiges Buch, das einen anregt, sich mehr mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen.

Mildred Scheel war in den 1970er Jahren eine der bekanntesten Frauen Deutschlands. Sie war Ärztin und alleinerziehende Mutter, bevor sie den späteren Bundespräsidenten Walter Scheel heiratete. Als First Lady gründete sie 1974 die Deutsche Krebshilfe. Sie war das Vorbild einer ganzen Frauengeneration. Sie war uneitel, intelligent, kämpferisch, unkonventionell. In ihrer Romanbiografie erzählt Yvonne Winkler leichtfüßig und detailliert von den wichtigsten Leistungen und den zahlreichen Widerständen in Mildred Scheels Leben. Besonders gut gefallen hat mir, wie gründlich der Roman recherchiert ist und wie nah er an der Wirklichkeit bleibt. Dass die Autorin ihrer Protagonistin mit Respekt und Sympathie begegnet, habe ich auf jeder Seite gespürt.

Da ich seit vielen Jahren Kurzgeschichten schreibe, war es selbstverständlich, dass dieser besondere Schreibratgeber seinen Weg zu mir findet. In „Die Geschichten in uns“ nimmt uns Benedict Wells mit auf seinen Weg zum Autorendasein und erzählt berührend von Tiefschlägen und großen Erfolgen. Darüber hinaus lädt er uns aber auch in seine Schreibwerkstatt ein und gibt anhand zahlreicher Beispiele wertvolle Tipps für das eigene Schreiben. Mir hat diese wunderbare Biographie sehr viel gegeben, gerade weil Benedict Wells sehr ehrlich über sein Autorenleben samt ständiger Selbstzweifel schreibt. Ich werde es immer mal wieder zur Hand nehmen und empfehle dieses großartige Buch uneingeschränkt weiter.

Ich habe mich immer gefragt, wie man Extremsportler wird und wie so ein Leben aussieht. Eine so spannende Antwort mit so vielen persönlichen Geschichten, hatte ich gar nicht erwartet bei diesem Buch, aber es hat mich total gepackt. Benedikt Mayr nimmt uns mit auf seine wichtigsten Karrierestationen, zu seinen Anfängen und auch zu den dunkelsten Momenten. Denn den extremen Leistungsdruck muss man auch aushalten. Ganz offen spricht er mit uns Leser*innen über Verletzungen, seine Depressionen, seine Sucht und den schweren Weg hinaus. Ich konnte meine Neugier auf Extremsportler*innen mit allen Facetten auf sehr unterhaltsame Weise stillen!

Eindrucksvoll. Ein Wort mit dem ich Ottos Leben definitiv beschreiben würde. So wahnsinnig viele Eindrücke, so viele Momente und Erfahrungen. So viel Leben! Es ist unglaublich, was ein Mensch in so kurzer Zeit alles erleben & machen kann, was für Ziele in der beschriebenen Lebensspanne erreichbar sind, wenn man sich anstrengt, es will & sich wirklich reinkniet, zielstrebig dranbleibt. Diese innere Stärke ist beeindruckend. So wie der ganze Mensch Otto: von der Ausbildung, über die Bundeswehrzeit, seine Lehrgänge, die Zeit als Footballprofi ... Man kann gar nicht glauben, so viel Leben & Abenteuer auf so wenig Seiten lesen zu können. Und am Ende ist sogar noch Platz für Mindset-Tipps, um eigene Ziele zu erreichen. Otto erzählt klar über sein Leben, übertreibt und schönt nicht. Es ist mehr ein Zuhören als ein Lesen, fordert dabei aber auch stark. Lesepausen sollten eingeplant werden.

Dies ist kein lustiges Buch, auch wenn Titel und Cover das vermuten lassen. Heide Fuhljahn erzählt darin offen, ehrlich und sehr mutig von ihren Erfahrungen als stark Übergewichtige in einer Welt, in der Schlanksein die wichtigste Eigenschaft von Frauen zu sein scheint. Sie schildert lebendig und eindringlich, wie Menschen, die nicht der „gesellschaftlichen Norm“ entsprechen, tagtäglich diskriminiert werden. Das zu lesen war nicht einfach. Es hat mich betroffen und wütend gemacht. Und es hat mich dazu gebracht, kritischer hinzusehen: Wann und wie werte ich mich selbst oder andere ab? Wovon lasse ich mich manipulieren? Was ist meine echte eigene Sichtweise? Eine intensive Lektüre, die nachwirkt.

Robert Oppenheimer - ein Name, den fast jede*r schon einmal gehört hat. Bis zum letzten Sommer wusste ich ehrlich gesagt nicht viel über J. R. Oppenheimer oder das Manhattan-Projekt. Und ohne den Kinofilm gesehen zu haben, wollte ich mehr über diese besondere Persönlichkeit wissen. Die Biographie ist wirklich sehr ausführlich und beschreibt viele Details zu Oppenheimers Leben und Wirken, angefangen bei seiner Kindheit und Schulzeit und im Hauptfokus steht natürlich seine Arbeit als Wissenschaftler. Gut gelungen fand ich, dass man Oppenheimer als facettenreichen Mensch kennenlernt, der schon als Kind besonders war und später zum "Vater der Atombombe" wurde.

Anders, als der Titel suggeriert, handelt es sich bei „The Marmalade Diaries“ nicht um ein Marmeladen-Tagebuch - auch wenn Marmelade gekocht und gegessen wird. Vielmehr ist es das Tagebuch von Ben, der inmitten der Corona-Pandemie zu der wesentlich älteren Winnie ins Haus zieht, um sie in ihrem täglichen Leben zu unterstützen. Winnie ist nicht auf den Mund gefallen, hält Ben ordentlich auf Trab und geht ihm auch schon mal gehörig auf die Nerven. Die einfühlsame und ehrliche Art, in der Ben über diese besondere Wohngemeinschaft schreibt, hat mir sehr gefallen. In diesem Buch steckt jede Menge Herzenswärme und mindestens ebenso viel britischer Humor.

Im Handarbeitsunterricht war ich keine große Begabung. Erst viel später habe ich meine Liebe zum Stricken entdeckt. Die finnische Autorin Karin Erlandsson dagegen hat das Strick-Gen von ihren Vorfahren geerbt und ließ schon als Kind eifrig die Nadeln tanzen. In ihrem kleinen, feinen Buch erzählt sie auf sympathisch persönliche Weise von den Strickprojekten ihres Lebens. Dabei wandern ihre Gedanken weit über Wolle und Muster hinaus. Besonders spannend fand ich es, etwas über den kulturellen Stellenwert der Handarbeit in den skandinavischen Ländern früher und heute zu erfahren. Die 24 Essays haben mich mit ihrer wunderschönen poetischen Sprache und dem leisen Humor zum Staunen und zum Lächeln gebracht.

"Anders nicht falsch" von Maria Zimmermann ist ein eindrückliches und sehr interessantes Buch mit autobiografischen Zügen. Außergewöhnlich gestaltet bringt es seinen Leser*innen näher, wie sich ein Leben mit Autismus anfühlen kann. Die Autorin gibt dabei sehr viele - auch persönliche - Einblicke und ermöglicht ein tieferes Verständnis für die autistische Wahrnehmung. Dabei zeigt sie zudem auf, wie wichtig unsere Sprache in diesem Zusammenhang ist. Denn viele Wendungen rund um Autismus schaffen ein völlig unnötig defizitäres Bild davon. Ich habe durch das Buch viel Neues gelernt und kann es nur weiterempfehlen.