Lesenswert: Krimi und Thriller Leseempfehlungen 2023

Ich war schon länger neugierig auf die Bücher von Joël Dicker und wurde von „Das Geheimnis von Zimmer 622“ nicht enttäuscht. Ich hatte gar nicht so viele Erwartungen und war dann dennoch überrascht. An sich ist das Buch erstmal als Krimi einsortiert, aber zwischen den Buchdeckeln verbirgt sich noch viel mehr. Die Geschichte ist intensiv, opulent, spannungsreich, emotional und unerwartet – und hat von allem viel. Ich kann verstehen, warum das an manchen Stellen zu viel sein oder konstruiert und unrealistisch wirken kann. Wenn man sich aber darauf einlässt, dann bekommt man ein großes Lesevergnügen.

"Stille Falle" ist der erste Band einer neuen Krimireihe um Kriminalinspektorin Leonore Asker, die unvermittelt in einer Reserveabteilung der Polizei landet. Im Stockwerk Minus 1 sind die ausgemusterten Polizeibeamten, die sich ins Abseits manövriert haben und dort unkontrolliert ihr Dasein fristen. Leo, die Leiterin der Abteilung für Kapitalverbrechen hatte werden wollen, arbeitet von dort weiter an dem Vermisstenfall, zu dem ein paar Stockwerke über ihr in eine falsche Richtung ermittelt wird. Der Fall ist spannend aufgebaut, entwickelt sich dynamisch und wendungsreich. Die skurrilen Charaktere, die in Teilen über unerwartete Talente verfügen, sorgen für Unterhaltung, ohne dass die Handlung an Ernsthaftigkeit einbüßen würde.

Diesmal wird es wieder doppelt spannend in Oliver Pötzschs Reihe um Kieberer Leopold von Herzfeldt und Totengräber Augustin Rothmeyer, die ich schon allein wegen des hervorragend recherchierten Settings im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts unheimlich gern lese. Unheimlich geht es dort auch zu, als ein Mann mit angstverzerrtem Gesicht in der Krypta unter dem Stephansdom gefunden wird. Es geht viel um Spiritismus und Séancen, an denen sogar ein berühmter Gaststar teilnimmt, von dem ich das gar nicht erwartet hätte. Richtig gegruselt hat es mich, als Rothmeyers Ziehtochter Anna herausfindet, dass auch noch Kinder aus dem Waisenhaus verschwinden. Ob da wirklich ein Geist in Wien umgeht, solltet ihr unbedingt selbst herausfinden, denn das Buch ist gleichermaßen rätselhaft wie amüsant.

Ein idyllischer Ort in der Nähe von London, ideal für touristische Ausflüge. Wenn nicht ständig jemand ermordet werden würde! Zum Glück ist Mrs Potts da, um diese Mordfälle zu lösen, die sogar der Polizei zu viel werden. Mrs Potts hat mich total begeistert, sogar mehr als im ersten Teil der Serie. Sie und ihre Freundinnen sind charmant, verfügen über überraschende Fähigkeiten, und alle zusammen bilden sie das perfekte Ermittlerinnen-Team. Ich fühlte mich unterhalten, konnte nicht aufhören zu lesen. Hoffentlich war dies nicht Mrs Potts' letzter Fall. Denn ich warte jetzt schon auf den nächsten!

Die isländische Autorin Eva Björg Ægisdóttir hat es faustdick hinter den Ohren, ebenso wie manch eine*r ihrer Protagonist*innen. Ihr denkt, wenn ihr nur ganz genau lesen, auf jedes kleinste Fitzelchen achten würdet, dann müsstet ihr doch das gesamte Geheimnis des Textes knacken, alle Irrungen schon im Vorfeld durchschauen können? Nun, ich glaube nicht, dass das hinhaut - einfach, weil man hier die gewohnten Zutaten für einen Krimi nicht geliefert bekommt. Denn die Autorin schreibt anders als alle anderen Krimischriftsteller*innen, die ich bisher gelesen habe und sie setzt auch die Puzzleteile anders zusammen. Aber nicht langweiliger oder komplizierter, sondern (noch) überraschender.

"Thirteen" von Steven Cavanagh ist ein Thriller aus der etwas ungewohnten Perspektive eines Strafverteidigers. Bereits die ersten Seiten versprachen Spannung und eine Vorfreude, was noch weiterhin geschehen wird. Das packendste dabei: der Killer sitzt selbst in der Jury für einen Prozess, in dem der Mörder aber nicht der Angeklagte ist. Ich selbst fand mich bei einigen Szenen, wie ich mich vor Aufregung, was als nächstes passieren würde, in einer aufrechten Position wieder. Eine absolute Empfehlung, wenn man mal etwas anderes als die gängigen Autor*innen lesen möchte.

Viveca Sten schreibt wie gewohnt so fesselnd und mitreißend, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und die gut 500 Seiten in zwei Tagen durch hatte. Ich habe mich durch den Fall gefressen, muss ich sagen. Denn nicht nur der Stil der Autorin vermag zu begeistern, nein, mehr noch ist es der Inhalt. Alles hätte es sich genauso in der Wirklichkeit zutragen können! Wieder einmal hält die Autorin geschickt die Balance zwischen Zufällen und dem fiktiven "Alltagsleben" bzw. den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten Jahre. Wenn ich mir einen Krimi backen dürfte - so sollte er sein!

Konträr zum Setting habe ich das Buch im Sommerurlaub am Strand gelesen. Deshalb war ich begeistert, dass ich mich, trotz strahlenden Sonnenscheins, durch den lebendigen und detailreichen Schreibstil komplett in die Atmosphäre der abgelegenen schottischen Highlands während eines Schneesturms hineinversetzen konnte. Mir gefiel das Tempo, in der sich die Geschichte abspielte. Zum Ende hin konnte ich jedoch mit fast keiner Figur mehr sympathisieren. Auch wenn ich einige Handlungen teilweise nachvollziehen konnte, war jede*r letztendlich auf sein eigenes Wohlergehen aus – und zwar um jeden Preis. Insgesamt war es eine spannende und kurzweilige Geschichte bei der ich bis zum Ende mitgefiebert habe.

Wer schon “Blackout” gelesen hat, weiß, dass dieser Autor es versteht, den Begriff des Pageturners erfolgreich zu besetzen. Mich hat beeindruckt, wie kurz ein Buch von solch gewaltiger Länge doch wirken kann und wie die Kapitel förmlich vorbeiflogen. Das Thema Klimawandel ist nicht neu, aber nach wie vor hochaktuell, und hier wird das Thema, das wir eigentlich schon glauben zu kennen, neu verpackt und in einen spannenden Kontext eingebettet. Auch wenn für manche gewisse Szenen und Plottwists zu abrupt kommen, habe ich mich stets bestens unterhalten gefühlt und wurde mit neuen Gedankenanstößen zurückgelassen. Das Buch bewegt sich zwischen Thriller und Science Fiction und lässt die über 600 Seiten rasend schnell vergehen, doch das Thema bleibt gedanklich noch lange hängen.

„Kaltherz“ ist bereits der zweite Thriller von Henri Faber, der mich begeistern konnte. Temporeich, raffiniert und einfach richtig spannend wird die Geschichte einer Familie erzählt, deren Tochter spurlos verschwindet. Spannende Charaktere und unerwartete Wendungen sorgten dafür, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte und dessen Ende mich überraschen konnte. Kombiniert mit einer fesselnden Thematik und durch die Erzählung aus unterschiedlichsten Perspektiven, wurde „Kaltherz“ zu – bisher – dem Thriller-Highlight des Jahres für mich.