Bewertung zu "White Bird - Wie ein Vogel" von R. J. Palacio
Ich habe das Hörbuch ganz zufällig gesehen und hätte bei dem Cover auch nicht gedacht, dass es sich um eine Geschichte des Holocausts handelt. Das Hörbuch ist für Kinder ab 11 Jahren - und obwohl ich sonst selten Kinder- und Jugendbücher lese, finde ich die Umsetzung dieses ernsten und schwierigen Themas sehr gelungen.
Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen – in der Gegenwart soll Julian einen Aufsatz über einen Menschen aus seinem Umfeld schreiben; er entschließt sich für die Geschichte seine Großmutter Sarah. In dem zweiten Erzählstrang erzählt sie nun von ihrer jüdischen Kindheit und Jugend.
Die Autorin hat diese fiktive Geschichte Sarahs mit viel Fingerspitzengefühl erzählt – bei einem Kinderbuch erwarte ich natürlich nicht grausige Details, dennoch aber habe ich beim Hören die Verzweiflung und die Not der kleinen Sarah gespürt. Sie wurde als Jüdin in der Schule gedemütigt, musste mit ansehen, wie ihre Lehrer und ihre Familie deportiert wurden, ihr selbst ist es gelungen, sich dem zu entziehen, doch das zu einem hohen Preis.
Es ist eine Achterbahn der Gefühle, die man beim Hören erlebt – es geht um Erniedrigung und Hass, um Ungerechtigkeit und Unterdrückung, aber auch um Liebe und Freundschaft, um Vertrauen und Geduld. Sarah ist ein liebenswertes Kind, und die Geschichte aus ihrer Sicht zu erleben, war auch für mich, die schon viele Schicksale des Holocausts gelesen und gehört hat, berührend. Ich habe sie sofort ins Herz geschlossen, nicht nur aus Mitleid, weil sie so gedemütigt wird und sich schließlich lange verstecken muss, sondern weil sie einfach das Herz am rechten Fleck hat und ihre Taten und auch gesagten Dinge hinterfragt und auch daraus lernt.
Ich finde immer wieder toll, wenn man erfährt, dass es nicht nur böse Menschen gegeben hat, sondern viele, die geholfen haben – in dem sie Menschen gerettet und versteckt haben, ohne Gedanken an die Gefahr, die sich für sie selber daraus ergibt.
Die Geschichte ist fiktiv, aber stellvertretend für viele Schicksale – genau so hätte es sich abspielen können, und ich bin sicher, dass es in ähnlicher Weise so auch irgendwo geschehen ist.
Die Sprecher Sascha Icks und Elisabeth Schwarz sind sehr gut gewählt. Sascha Icks hat eine junge Stimme und trägt den Teil der Vergangenheit vor, Elisabeth Schwarz dagegen kann mit ihrer reifen Stimme die Atmosphäre der Gegenwart wunderbar einfangen.
Ein wichtiges Buch, das ich gerne empfehle – gerade auch für die Zielgruppe; denn es führt behutsam an das wichtige Thema des Holocausts heran.