Wer diesen Roman in die Hand nimmt, wird schon auf den ersten Zeilen feststellen, dass ihn eine Art literarischer Kampfhund anfällt, sich wüst knurrend, sabbernd, geifernd und mit reichlich spitzen Zähnen im mächtigen Gebiss festbeißt und nicht wieder loslässt - es sei denn, man legt das Buch beiseite. Was man unbedingt vermeiden sollte, denn hinter einer Nebelwand wüsten Gepöbels schimmert ein kleiner Schatz.
Es ist die Geschichte einer Rückkehr in die Heimat aus einer Art Exil. Da sich beides in jenem Landstrich befindet, der mit ziemlich zerbeulten und verrosteten Namen »Ex-Jugoslawien« bezeichnet wird, ist es selbstverständlich kompliziert; und hierzulande wahrscheinlich nicht gerade mit Sachwissen überfrachtet.
Einige Kenntnisse über die Nachwehen des Bürgerkrieges, der sich dem Staatszerfall anschloss, und die aufgeheizte politische Situation der Gegenwart erhöhen den Lesegenuss, denn das alles hinterlässt Echos und macht viele Andeutungen verständlich. Notwendig ist das nicht, umgekehrt erhält der unbedarfte Leser eine Art Crash-Kurs über das, was das komplizierte Durcheinander im Alltag anrichtet.
Autor Goran Vojnović hat in seinem Roman »18 Kilometer bis Ljubljana« die Rückkehr seines Helden auf komische, oft geradezu groteske Weise inszeniert. Eigentlich ist es nämlich eine Flucht, denn in #Bosnien hat sich Marko in die falsche Frau (Muslimin) verliebt und mit den falschen Leuten angelegt, die ihn zwar nicht umbringen, aber via Beziehungen von der Polizei verfolgen lassen.
Zuhause wartet ein schwer erkrankter Vater mit seiner Frau, deren Ehe eine Art wechselseitiger Belagerungszustand ist; die ehemaligen Freunde von Marko sind ihm fremd geworden, was Vojnović mit Genuss vor dem Leser ausbreitet. Und in allem rumort die Historie, von der sich Marko eigentlich freimachen will, was ihm jedoch nicht recht gelingt. Der Roman aber, der ist rundum gelungen.
AlexanderPreusse
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Ob jemand diesen Roman lesen kann, ohne bittere Wut zu empfinden? Jene bebende Wut, die aus dem Gefühl genährt wird, Ungerechtigkeit, Betrug und Verrat zu erleiden? Es mag seltsam erscheinen, wenn ein Leser aus dem – noch – ruhigen, demokratischen Deutschland so fühlt, wo es doch um den »Arabischen Frühling« in der ägyptischen Ausprägung geht.
Doch ist es für mich nur folgerichtig, denn mit dem Flammenmeer an Erhebungen in der arabischen Welt verbanden sich Hoffnungen. Keine allzu großen, zu oft schon war ich ferner Zeitzeuge, wenn irgendwo das Banner der Hoffnung wehte und alsbald in den Dreck fiel; oder gar der Sieg errungen zu sein schien und das Übel wieder aus verborgenen Löchern kroch.
»Die Republik der Träumer« ist in einem mitreißenden und zugleich oft nüchternen Tonfall verfasst. Alaa Al-Aswani hat äußerst geschickt ein vielfältiges Personenensemble zusammengestellt und in die aufgeheizte Lage vor der Revolution geschickt. Vom Geheimdienstchef über einen Ingenieur und Ex-Sozialisten bis hin zu den Studenten reicht die Palette, fast jeder mit seinen Widersprüchen, Sehnsüchten, Bedürfnissen und den daraus resultierenden Ängsten.
Was den Roman zu einem wirklich großen macht, ist die kunstvolle Gestaltung der mächtigen, klugen und geschickt handelnden Revolutionsgegner, was unangenehm ist, sich aber wohltuend vom naiven Hollywood-Film oder utopischen Bullerbüs á la »Pantopia« abhebt. Antisemitismus ist ein wirksames Mittel der Gegenrevolution.
Jeder weiß, wie „es“ ausgegangen ist, wie der »Arabische Frühling« zermalmt, zerredet und im Nachhinein als naseweiser Revolutionsversuch dargestellt wurde, doch das „Wie“ hat in »Die Republik der Träumer« eine laute, mitreißende, hochspannende und aufwühlende Stimme erhalten.
Historisches Neuland habe ich mit dem Sachbuch »Mitten im zivilisierten Europa« betreten, mit dem Autor Jeffrey Veidlinger ein Thema beackert, das hierzulande kaum Beachtung gefunden hat: Pogrome im Nachgang zum Ersten Weltkrieg.
Mir war das Ausmaß der Gewalt gegenüber der jüdischen Bevölkerung in den Jahren 1918 bis 1922 in jenen Gebieten, die Timothy Snyder bezüglich des Zweiten Weltkrieges als »Bloodlands« bezeichnet hat, nicht bekannt. Die Schilderungen sind zum Teil schwer erträglich, aber auch nötig, um eine Vorstellung zu bekommen, wie sehr sich die Taten gegenüber denen vor dem Ersten Weltkrieg in ihrer Erbarmungslosigkeit gesteigert hatten.
Veidlinger zeigt die Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg gut nachvollziehbar auf, geht dann auf die Kriegszeit ein, ehe er sich der Zeit widmet, die gewöhnlich als »Bürgerkrieg« bezeichnet wird. Zumindest auf das Gebiet der Ukraine bezogen ist das laut Veidlinger ein eher unglücklicher Begriff, denn dazu gab es dort zu viele Parteien mit unterschiedlichen Zielen und Ambitionen.
Zwei Dinge sind fatal: Einmal die Tatsache, dass alle (!) anderen Volksgruppen und Mächte die #Juden mit Gewalt überzogen, zweitens lösten die Pogrome eine massive #Flüchtlingswelle aus, die in Westeuropa und Amerika von den Rechten politisch ausgeschlachtet wurde - mit verheerenden politischen und später auch humanitären Folgen für in Hitlers Deutschland verfolgte Juden.
Damit erhält das Buch eine beklemmende Aktualität, auch in dem Sinne, dass Flüchtlinge gezielt zur Waffe gemacht werden können, um Staaten zu destabilisieren. Vor allem aber zeigt Veidlinger auf, dass der Beginn des Holocaust 1941 aus der Sicht der Opfer (!) zunächst den Pogromen von 1918 - 1922 ähnelte, ehe die Massenvernichtung alles Dagewesene in den Schatten stellte.
Als die zwölfjährige Yeva endlich Uschorod an der Grenze zwischen der #Ukraine und Ungarn erreicht, ist sie keineswegs erleichtert oder gar voller Freude, sie wird von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit überrollt. Dabei hat sie die Frontstadt Charkiw verlassen, ist dem Grauen des Krieges einstweilen entkommen.
Das ist nicht das einzige Überraschende in diesem erstaunlichen #Tagebuch. Es ist bemerkenswert, wie schnell Kinder lernen, wenn der Krieg über sie hereinbricht. Etwa nach nur drei Tagen abschätzen zu können, wie weit die Einschläge der russländischen Artillerie- und Raketengeschosse entfernt liegen - am Knall!
Tagebücher sind von unschätzbarem Wert für jene, die sich aus der Ferne ein Bild machen wollen, was im Unvorstellbaren geschieht, was es mit dem Menschen anrichtet, dessen Leben im wahrsten Sinne des Wortes aus den Angeln gehoben wird.
Tage nach dem Auszug aus der im Kampfgebiet liegenden Wohnung wird diese von einer Rakete getroffen; Yeva verliert nicht nur ihre Heimat, sondern auch ihre Kindheit und einen Teil ihrer selbst. Dank Smartphone ist das klaffende Loch in der Hauswand auch im Tagebuch zu sehen.
Apropos Smartphone: Der Leser erfährt durch abgebildete Kurznachrichten auch, wie es den Mitschülern Yevas ergeht, eine Neuerung gegenüber den alten Tagbüchern, wie Marina Weisbrand (@afelia) in ihrem schönen Vorwort schreibt. Überhaupt ist »Ihr wisst nicht, was Krieg bedeutet« toll aufgemacht, drei schön gestaltete Karten etwa erleichtern die Orientierung. Nicht zuletzt deswegen ist dieses Tagebuch auch eine gute Idee als Schullektüre.
Was für ein großer Roman! Mein erster Ausflug in die Literaturwelt Sloweniens war ein voller Erfolg. »Als die Welt entstand« von Drago Jančar ist in jeder Hinsicht großartig. Die Erzählperspektive aus der Sicht eines oft naiven, aber altklugen Jungen Danijel ist zwar nicht ungewöhnlich, aber reichert Jančar das mit einer ruhigen Erzählweise an, die alle Dinge und Umstände für sich sprechen lässt.
Der #Leser wird in die Welt des zu Jugoslawien gehörenden #Slowenien entführt, über dem noch immer der Schatten des noch nicht allzu lange zurückliegenden Zweiten Weltkrieges liegt. Der Vater Danijels ist #Partisanen-Veteran und Überlebender von Gestapo- und Lagerhaft. Seine Lebenswirklichkeit ist aber fern allem Heroischen, es ist ein »großes Elend« zwischen namenloser Wut, Alkoholismus und Selbstgerechtigkeit.
Jančar führt im wahrsten Sinne des Wortes vor, wie es sich mit dem wirklichen Leben im sozialistischen Tito (»der Marschall«) verhält, wie grotesk sich Realität und Propagiertes von einander abheben. Slowenien gehörte kurz zu Hitlers Großdeutschland, mancher Bewohner wurde zur Wehrmacht eingezogen und erhielt nach dem #Krieg eine deutsche Rente. Danijels Vater ist darüber wenig erfreut.
Dem sozialistischen Weltbild steht das christliche entgegen, das in Person von Vater Aloisius keineswegs weniger dogmatisch daherkommt, beide Spielarten absoluten Wahrheitsanspruchs bieten dem Heranwachsenden keine Handreichung, mit den Widersprüchen des Lebens zurechtzukommen. Das gilt auch für die Liebe, die neben allen politisch-gesellschaftlichen Motiven im Mittelpunkt steht: Eine verhängnisvolle Dreiecksgeschichte entfaltet sich.
Die Welt entsteht für Danijel, indem seine alte, von Wahrheiten und Gewissheiten geprägte zerstört und durch eine von Widersprüchen ersetzt wird. »Als die Welt entstand« erzählt vor allem anderen auch vom Erwachsenwerden.
»Glioblastoma multiforme. WHO-Grad IV. Zu hundert Prozent tödlich.«
Eigentlich wollte ich den Kometen nicht an den Anfang, ja nicht einmal in den Mittelpunkt stellen, doch das geht nicht. Die Diagnose jener tödliche & unheilbaren Krankheit ist für das Leben von Wolfgang Herrndorf von so einschneidender Bedeutung gewesen, dass es ein Vorher und ein Nachher gab.
Auch die Biographie »Herrndorf« von Tobias Rüther ist davon geprägt, die Dynamik ändert sich parallel zu der in Wolfgang Herrndorfs Leben. Vorher lief das ins Ungefähre, was nicht missverstanden werden soll, denn Herrndorf hat faktisch ununterbrochen gearbeitet, ohne dafür genügend Geld zu bekommen, um die Armutsgrenze wirklich hinter sich zu lassen.
Nachher ist das gleich geblieben, aber aus anderen Gründen, denn die Arbeit war »ein Abwehrzauber gegen die Todesangst«. Und die Umstände wandelten sich, denn direkt nach der Erstdiagnose ist Herrndorf davon ausgegangen, dass er wohl nur ein Buch würde schaffen können. Es wurden dreieinhalb: »Tschick«. »Sand«. »Arbeit und Struktur«. »Bilder deiner großen Liebe«.
Was mich nicht loslässt: Herrndorf hat bereits auf dem Rückweg vom Arzt Entscheidungen getroffen, nämlich sich auf die #Roadnovel »Tschick« zu konzentrieren, die auch dank massiver Anstrengungen des Verlages zu einem durchschlagenden Erfolg wurde. Das #Buch ist von einer Leichtigkeit, die in einem scharfen Kontrast zum Kometeneinschlag steht.
Das Vorher schildert Rüther mit großem Engagement, Wolfgang Herrndorfs Werdegang ist so erstaunlich wie seine Bücher. Trotz des Kometen ist die Lektüre übrigens keine trübe Kost, im Gegenteil: Man lacht, oft und auch laut; man staunt und will die Bücher gleich noch einmal lesen, von Wolfgang Herrndorf, dem »größten deutschsprachigen Schriftsteller seiner Generation«.
Küchentische! Neben den Schaltzentralen der staatlichen Institutionen und NGOs waren sie in der Ukraine jene Zentren gewesen, an denen Freiwillige Nachschub und Hilfe organisierten. Eine überlebenswichtige Notwendigkeit in den ersten Wochen von Russlands Angriffs- und Vernichtungskrieg.
Daniel Schulz ist vor Ort gewesen und liefert in seinem Buch »Ich höre keine Sirenen mehr« viele sehr eindrückliche Impressionen aus dem Alltag im Krieg. Die #Zivilgesellschaft der Ukraine hat dazu beigetragen, dass sich das Land gegen den brutalen Überfall erfolgreich wehren konnte. Es ist Teil der Widerstandsfähigkeit des Staates gegen einen hemmungslosen Vernichtungskrieg.
Der große Vorzug dieses Buches liegt in seinem Fokus auf Alltag im Krieg, was sich nur auf den ersten, flüchtigen Blick auszuschließen scheint. Alltag etabliert sich sehr schnell, wie man auch aus den #Tagebüchern von Betroffenen in der Ukraine ersehen kann; kein Wunder, ohne alltäglichen Routinen würde der Mensch seine Überlebensfähigkeit einbüßen.
Schulz verschweigt auch nicht, wie die Belastungen des Krieges, sein zermürbendes Malmen und Mahlen an den Kräften der Freiwilligen (und allen anderen) zehren. Niemand ist dafür geschaffen, über Monate hinweg in einer Art Ausnahmezustand zu leben; umso bewundernswerter ist die Entschlossenheit mancher Personen, sich der Herausforderung trotzdem zu stellen.
Ein großer Vorteil der Herangehensweise ist, dass der Leser spürt, wie sehr Krieg Chaos ist. Die Linien auf den Karten, die Pfeile, die Berichte von Luftangriffen sind geradezu unwirkliche Abstraktionen, die mit dem, was am Boden geschieht, wenig zu tun haben.
Von einem, der auszog, ein Deutscher zu werden - und dazu dank teutonischer Bürokratie nach Kyjiw reisen muss, um eine Formalie zu erledigen. Unnötig zu erwähnen, dass es nicht bei der Formalie bleibt, ebenso unnötig zu erwähnen, dass es nicht bei dem einen sprichwörtlichen #Klischee bleibt. Erfreulicherweise hat #Autor Kapitelman eine ganze Reihe von Sprachneuschöpfungen ins literarische Feld geführt, um sich diesen Klischees angemessen anzunehmen und ihnen Leben einzuhauchen.
Der #Leser folgt dem Ich-Erzähler in die Abgründe einer Migrations- und Familiengeschichte. Beide Motivkreise sind eng miteinander verwoben, beide sind fern jeglicher Verklärung und rührseliger Aufhübschung. Von einem Land ins andere überzusiedeln ist (über-)fordernder Kraftakt; Kapitelman spitzt das zu, in dem er sagt, die Katze habe sich am schnellsten in #Deutschland integriert. Die Eltern des Erzählers fremdeln, übertünchen die Fremdheit mit Verklärung ihrer eigenen Herkunft.
In der Ukraine erlebt der reisende Erzähler eine Reihe von Überraschungen, die hier nicht vorweggenommen werden. Der Krieg im Osten des Landes, in Deutschland und weiten Teilen Westeuropas lange Jahre als »Krise« verharmlost und vergessen, wetterleuchtet immer mal wieder am Erzählhorizont, Putins Angriffs- und Vernichtungskrieg ist noch fern. Angesichts dessen, was Kapitelman erzählt, ist man schon verblüfft, wie widerstandsfähig sich die Ukraine erwiesen hat.
Auf den ersten Blick jedenfalls, denn Zwischentöne und Beiläufigkeiten lassen bereits erahnen, wie blind die Annahme gewesen ist, die Ukraine würde sich nicht wehren (können). Bei allen Missständen hat sich das Land, haben sich seine Menschen zu einer Zivilgesellschaft entwickelt, auch wenn sowjetische »Stillstandsarchitektur« und vieles andere Überkommene noch präsent sind.
Spartakus! Der große Sklavenaufstand angeführt von der charismatischen und zur Legende verklärten Figur des entlaufenen #Gladiators #Spartakus. Was man aus dem Stoff machen könnte, zeigen Verfilmungen und Romane, die in den letzten 150 Jahren kreiert wurden.
Arthur Koestler geht mit seinem 1939 erschienenen #Roman einen ganz eigenen Weg.
Statt sich allein auf spannende, emotional mitreißende Handlung zu fokussieren (was selbstredend okay wäre), lässt er das #Heer der #Sklaven und Entrechteten den Versuch unternehmen, eine soziale Utopie in Form der »Sonnenstadt« zu verwirklichen; doch handelt es sich nicht um Verklärung, denn Koestler lässt sie anfangs plündernd, raubend und mordend eine Spur der Verwüstung ziehen.
Zunächst reihen sich die Sklaven und Entrechteten der Städte in das Sklavenheer ein, dann aber verteidigen die Sklaven Capuas plötzlich die Stadt gegen die heranrückenden Befreier. Warum? Diese Frage stellen sich nicht nur einige der Protagonisten. Warum handeln Menschen gegen ihre eigenen Interessen? Die Antworten, die »Der Sklavenkrieg« auf diese und andere große Fragen bereithält, sind nicht schmeichelhaft.
Koestler schildert den Aufstand bis zu seinem bitteren, ja: schaurigen Ende auf eine immens spannende Weise, allein die vielen Wendungen sind mitreißend. Gleichzeitig regt die Lektüre den Leser zum Nachdenken und Assoziieren (Cromwell, Stalin) an, während die Sklavenarmee Schritt für Schritt dem eigenen Untergang entgegen marschiert.
Für mich eine literarische Entdeckung, auch weil es sich bei dieser Ausgabe um das verloren geglaubte Originalmanuskript und nicht die Rückübersetzung aus dem Englischen (»Die Gladiatoren«) handelt; und weil es ein Echo auf Koestlers Biographie (Exilant, desillusionierter Ex-Kommunist) ist.
Ab der Mitte des Buches lichtet sich das Gestrüpp um den Fall oder besser gesagt: die Fälle, die Joe Leaphorn von der Navajo-Police bearbeitet; er kommt des Rätsels Lösung auf die Spur und eine atemberaubend spannende Sequenz setzt ein, die bis zum Ende des Romans anhält. Das allein macht »Blinde Augen« lesenswert, denn Autor Tony Hillerman ist es gelungen, seinen Krimi so aufzubauen, dass man irgendwann mit dem Lesen nicht mehr aufhören kann.
Als Freund von Kriminalgeschichten mit Mehrwert bin ich immer noch voller Freude über diese Buchreihe, deren Neuauflage ganz am Anfang steht. Joe Leaphorns Abenteuer sind auch immer eine Grenzüberschreitung in eine völlig fremde Welt. Er ist Navajo und Hillerman kreiert seine Fälle so, dass Kultur und Mystik dieser indianischen Gemeinschaften Teil der Lösung, des Motivs und des Weges sind, die zum Ende führen.
Leaphorn selbst ist ein Grenzgänger, er ist fest verwurzelt mit seiner Herkunft, der Tradition und Geschichte der Navajo, hat jedoch studiert und kennt so auch die Welt der Weißen. Die ist - zumindest in den ersten beiden Romanen - immer Teil der Geschichte, allein das FBI sorgt dafür, dass der Leser nicht aus den Augen verliert, wie sehr beide Welten voneinander getrennt sind.
Die Ermittlungen führt Leaphorn mit seinem Verstand, er setzt auf Logik, ohne die eigentlich übersinnliche, ins Abstruse reichenden Dinge abzutun. Wenn von Hexern die Rede ist, kann man schulterzuckend weiterziehen oder versuchen, dieses Motiv zu »übersetzen«, den realen Sinn zu entnehmen - das tut Leaphorn sehr erfolgreich und kommt auf diese Weise Antworten auf die offenen Fragen näher.
Das alles zusammengenommen ist eine wirklich außergewöhnliche Mixtur.
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