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Alexandra_Luchs

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Der Abgrund in dir (ISBN: 9783257070392)

Bewertung zu "Der Abgrund in dir" von Dennis Lehane

Der Abgrund in dir
Alexandra_Luchsvor 6 Jahren
Erst begeistert, dann genervt!

Ich habe Dennis Lehane erst vor Kurzem mit einem seiner Krimis als Autor für mich entdeckt. Davor kannte ich nur die Verfilmungen seiner Romane „Shutter Island“ (großartig!) und „Mystic River“ (ja, solide). Da der Klappentext von „Der Abgrund in dir“ nun wieder einen solchen Blockbuster-Mystery-Roman erhoffen lies, habe ich das Buch sofort lesen wollen. Nein, müssen!

Jetzt, nach der Lektüre bin ich gelinde gesagt durchwirrt (das ist die Kombination aus durcheinander und verwirrt, wie wir in „Mary & Max“ gelernt haben).

Ich habe den Roman einerseits extrem genossen und in Rekordzeit verschlungen. Es hat nicht ganz einen kompletten Tag gedauert, um durch die Geschichte zu rasen. Wie im Wahn habe ich Seite um Seite wirklich nahezu inhaliert. Ich wollte und konnte nicht aufhören. Dennis Lehane schafft es mit seinen gerade nicht zu langen Kapiteln, geschickten Cliffhangern und spannenden Andeutungen immer wieder zum Weiterlesen zu motivieren.

Der Roman handelt von Rachel Childs, die ein auf den ersten Blick glückliches Leben führt. Trotzdem lautet der erste Satz des Romans

„An einem Dienstag im Mai, im Alter von sechsunddreißig Jahren, erschoss Rachel ihren Mann.“

Wahnsinn! Man möchte sofort wissen, was da los ist. So funktioniert das menschliche Gehirn einfach und meins macht da keine Ausnahme. Diesen Köder (und alle anderen, geschickt im Text verborgenen) habe ich bereitwillig geschluckt und mich begeistert in diesen Roman vertieft.

Auf der anderen Seite wurde ich dann aber immer genervter und genervter von der Geschichte. Ich bemühe mich darum, möglichst keine Spoiler unterzubringen, muss aber kurz auf die zwei Hauptprobleme eingehen.

Das erste Drittel des Romans beschäftigt sich mit Rachels Vergangenheit. Rachel kennt ihren Vater nicht, hat eine problematische Beziehung zu ihrer Mutter. Da ist es verständlich, dass sie sich auf die Suche nach ihrem Vater macht, ihn aufspüren möchte. Das ist (wirklich!) sehr, sehr spannend… und völlig, absolut, total unnütz. Sorry! Dieser Teil der Geschichte scheint wenig bis gar keine Verbindung zum Rest des Buches zu haben. Ich frage mich immer noch, ob da nicht die Manuskripte vermischt wurden?! Also natürlich gibt es einen feinen Faden, der diesen Teil an den Rest knüpft, aber der ist so dünn, dass er gleich zu reißen droht.

Jetzt magst du sagen: das ist ein wenig befremdlich, aber hinnehmbar. Die erwähnten Abschnitte sind insgesamt wirklich interessant und in sich logisch. Dann ist doch alles klar? Na gut. Da könnte ich mitgehen.

Aber: immer wenn ich dachte „Jetzt passiert ja hoffentlich nicht XY, das wäre zu abgedroschen!“ passierte XY. Es war abgedroschen und wurde immer weiter gesteigert. Ich möchte gar nicht behaupten, dass die Handlung komplett vorhersehbar ist, aber jedes Klischee und jede obskure Wendung, die du dir vorstellen kannst, kommt vor. Und im letzten Drittel des Buches springt ungefähr jede zweite Seite eine solche „überraschende Wendung“ hinter dem Busch hervor. So, dass ich am Ende einfach froh war, als es vorbei war. Wenigstens gibt es dann nicht noch mehr Überraschungen. Die üblichen Motive: psychische Erkrankungen, Misstrauen mit dem eigenen Empfinden, Beziehungskrisen und viel mehr, es wurde alles abgedeckt, was man in einem solchen Roman erwartet. Und für mich dadurch einfach zu viel.

Fazit: das Buch kannst du sehr gut lesen, aber bitte denk nicht zu viel dabei nach! Als Actionfilm zwischen Buchdeckeln und spannendes literarisches Popcornkino ist es gut, aber tiefgründige Mystery war es für meinen Geschmack leider wirklich nicht.

Cover des Buches Snowblind (ISBN: 9783959811941)

Bewertung zu "Snowblind" von Christopher Golden

Snowblind
Alexandra_Luchsvor 6 Jahren
Ein Hauch Stephen King

In „Snowblind“ wird eine kleine Stadt in Neuengland von einem furchtbaren Blizzard heimgesucht. In der eisigen Kälte kommen etliche Menschen zu Tode oder verschwinden spurlos. Eine Katastrophe, die tiefe Narben in der Seele des kleinen Ortes hinterlässt. Als zwölf Jahre später ein neuer, umso größerer Schneesturm auf den Ort zuzieht, beginnt sich Unheimliches abzuspielen.

Ich kann es mir nicht erklären. Ob es das Setting dieser Kleinstadt, die doch stark an Kings Maine erinnert, ist oder die Art und Weise die Geschichte aus der Perspektive mehrerer verschiedener, ebenso durchschnittlicher wie sympathischer, Figuren zu erzählen. Irgendwie fühlte sich „Snowblind“ wirklich ein bisschen nach Stephen King an.

Die verschiedenen Figuren werden mit interessanten Hintergrundgeschichten vorgestellt und später erzählt sich die große Tragödie nur aus den einzelnen Splittern ihrer Erlebnisse. Dadurch kommt das Gefühl auf, wirklich dabei gewesen zu sein und nicht nur einen Grusel- oder Katastrophenfilm zu verfolgen.
Ich persönlich mochte auch die Mischung aus realer Bedrohung durch eine unberechenbare (aber eben doch irgendwie alltägliche) Naturgewalt und beinahe übernatürlichem Horror.

Stilistisch ist „Snowblind“ schnörkellos und prägnant, aber nicht ohne Atmosphäre. Obwohl alles in knappen Worten beschrieben ist, bleibt genug Raum für Beobachtungen und Gefühle der Protagonisten. Perfekt, um das Buch an stürmischen Abenden zu lesen und sprichwörtlich mitzuzittern.

Erzählerisch konnte mich „Snowblind“ wirklich in vieler Hinsicht überzeugen und durch einen starken Spannungsbogen auch bis zum Schluss fesseln.
Einziger Abstrich ist das Fehlen einer tieferen Ebene hinter dieser Geschichte. Zwar ist „Snowblind“ keineswegs so trashig und platt, wie es vielleicht auf den ersten Blick wirkt. Eine etwas tiefere Botschaft hätte der starken Geschichte aber wirklich gut getan.

Insgesamt hat mir die Geschichte trotzdem wirklich gut gefallen, ein düsterer aber nicht blutiger Horrorroman für kalte Tage.

Cover des Buches Das Erwachen (ISBN: 9783492060806)

Bewertung zu "Das Erwachen" von Andreas Brandhorst

Das Erwachen
Alexandra_Luchsvor 6 Jahren
unterhaltsamer Science-Fiction-Roman für “zwischendurch” aber keine Lektüre für absolute Geeks

Was passiert, wenn künstliche Intelligenzen uns Menschen irgendwann übertrumpfen? Ich spreche nicht davon, dass Siri und Cortana jetzt schon schneller den Wetterbericht abrufen können oder ein passendes Restaurant empfehlen, als ein menschlicher Assistent das könnte. Ich meine eine richtige, lernende und sich ihrer selbst bewusste künstliche Intelligenz, die uns Menschen als Gefahr erkennt.

Genau solch ein Szenario hat Andreas Brandhorst in “Das Erwachen” entworfen. Das ist in der Science Fiction Literatur nichts so richtig Neues, das aktuelle Setting und die Umsetzung sind aber ziemlich gelungen.

Warum nur ziemlich? Weil sich das Buch sich nicht ganz entscheiden kann, was es sein möchte. Im ersten Teil ist es eine spannende, gut aufgebaute und irgendwie kluge Dystopie. Man erfährt etwas über die Entwicklung einer globalen Maschinenintelligenz, über die Unterschiede zur künstlichen Intelligenz und die Gefahren die von all dem ausgehen. Trotz der teilweise nicht unerheblichen wissenschaftlichen Einschübe ist das alles flüssig zu lesen, voll spannender Verwicklungen und irgendwie süffig. Ich mag es, wenn Autoren dieses Genres es schaffen, die Handlung glaubhaft und trotzdem “phantastisch” darzustellen und Neugier auf solche wissenschaftlichen Themen zu wecken.
Im zweiten Teil des Buches dreht sich das Buch mehr und mehr zu einem Actionthriller und hetzt aufgekratzt dem großen Showdown entgegen. Statt wissenschaftlicher Exkurse oder philosophischer Überlegungen gibt es Gewalt und Verfolgungsjagden, Feuer und Explosionen. Seufz. Das mag für die Überleitung ganz in Ordnung sein, schließlich ist das Buch als “Thriller” kategorisiert, in diesem Buch nahm es für meinen Geschmack zu viel Raum ein. Nach all dem verpufft das Ende nämlich ein wenig. Wir fiebern 200 bis 300 Seiten lang einem großen Konflikt entgegen, der dann so mir nichts, dir nichts abgefrühstückt wird. Dabei hätte man gerade an dieser Stelle der Handlung noch einmal viel Spannung mit “was wäre, wenn…”-Überlegungen aufbauen können. Schade!

Das mag auch ein wenig daher rühren, dass in der letzten Konsequenz kein so ganz neuer Weg gewählt wurde. Dadurch ist “Das Erwachen” zunächst wirklich spannend zu lesen, lässt aber den großen Aha-Effekt am Ende aber einfach vermissen und gibt darüber hinaus streckenweise den “Agententhriller-Elementen” zu viel Raum. Ein schöner Einstieg und unterhaltsamer Science-Fiction-Roman für “zwischendurch” aber keine Lektüre für absolute Geeks.

Cover des Buches Eine von uns (ISBN: 9783552063358)

Bewertung zu "Eine von uns" von Harriet Cummings

Eine von uns
Alexandra_Luchsvor 7 Jahren
Eine von uns

“Eine von uns” ist Harriet Cummings’ Debütroman und wird hoffentlich nicht ihr letzter bleiben. Inspiriert von einer wahren Geschichte, schreibt die junge Autorin einen ruhigen und doch tiefgründigen Roman über die kleinen Abgründe hinter ziemlich spießigen Fassaden.

Angelehnt ist die Handlung des Romans an die Geschichte des “Fox”, der in den 1980er Jahren in England sein Unwesen trieb. Der “Fox” war ein mysteriöser Einbrecher, der in den Häusern seiner Opfer nicht wirklich etwas stahl, aber Kleinigkeiten durcheinanderbrachte oder sich bauartige Lager einrichtete. Die Einbrüche schürten Angst und Misstrauen unter den Dorfbewohnern, eine Atmosphäre in der jeder verdächtig schien. Und obwohl der echte Fall des Fox sich ganz anders aufklärte als im Roman, schafft es die Autorin mit ihrer Version, diese Atmosphäre gut zu transportieren und dazu eine wirklich bewegende Botschaft zu vermitteln.

Man sollte bei all meiner Begeisterung über die tolle Atmosphäre und die Spannung des Romans nichts Falsches erwarten: “Eine von uns” ist ein sehr ruhiger und zurückhaltender Roman. Es gibt weder große Action noch riesige Dramen, es sind die feinen Zwischentöne die hier den ganzen Sog ausmachen.
Fast ist es beim Lesen selbst ein bisschen so, als würde man in ganz normale Haushalte spähen dürfen. Denn die Geschichte wird erzählt aus vier Perspektiven von Personen mitten aus der Gemeinschaft des Dorfes. Durch ihre Erzählungen wird jedoch klar, dass alle Charaktere sich aus irgendeinem Grund am Rande der Gesellschaft wähnen, ob gefühlt oder tatsächlich sind sie Außenseiter, Dazugekommene und Einzelgänger. So lernen wir, dass diese “Gemeinschaft” eigentlich gar keine ist, weil es uns Menschen viel zu leicht fällt zwischen “denen” und “uns” zu unterscheiden.

So geht es in diesem Roman also eigentlich ums Zuhören und um Menschlichkeit. Es geht um Menschen, die allen zuhören aber selbst nicht gehört werden. Und es geht darum, dass wir alle unserer Einsamkeit leichter entkommen würden, wenn versuchen würden uns gegenseitig besser zu verstehen.

Diese schöne Botschaft ist verpackt in einen unterhaltsamen und spannenden, aber sanft erzählten Roman mit dichter Atmosphäre. Ich habe die Charaktere geliebt (zum Beispiel die gutmütige Deloris mit ihren viel zu bunten Träumen für die kleine Dorfwelt) und konnte im Stil der Autorin wirklich versinken. Ohne zu viel unnötigen Ballast, aber mit vielen winzigen Details war an dieser Geschichte für meinen Geschmack einfach kein Satz zu viel.

Cover des Buches Heimkehren (ISBN: 9783832198381)

Bewertung zu "Heimkehren" von Yaa Gyasi

Heimkehren
Alexandra_Luchsvor 7 Jahren
Moderner Klassiker?!

Manchmal finde ich es etwas übertrieben, wenn ein Buch schon kurz nach Erscheinen als nächster moderner Klassiker gehandelt wird. Doch jetzt nach meiner Lektüre von “Heimkehren” von Yaa Gyasi kann ich diese Einschätzung besser verstehen. Dieses Buch erzählt eine wirklich große Geschichte, beziehungsweise 14 kleine, große Geschichten. Zwei Schwestern im Ghana des 18. Jahrhunderts, die sich nie kannten, sind die Mütter zweier Zweige einer Familie, die sich über die Jahrhunderte ebenso unterschiedlich wie dramatisch entwickeln.

Effia und Esi sind Töchter der selben Mutter, doch schlagen die gegensätzlichsten Wege ein. Während Effia einen weißen Soldaten der britischen Kolonialmacht heiratet, wird Esi als Sklavin nach Amerika verkauft. Die Kinder und Kindeskinder dieser beiden Frauen werden durch diese unterschiedlichen Lebenswege in völlig verschiedene Welten geworfen.

Ich habe wirklich versucht ein Muster, eine Struktur in der Entwicklung der Familien zu erkennen, es ist mir nur schwer gelungen. Es gibt immer wieder Verbindungen von einer Generation in die nächste und jede Etappe des Romans, jeder Zweig der Familie, wird deutlich durch den Vorhergehenden geprägt. Trotzdem entwickelt sich nicht eine Seite durchweg positiv oder durchweg negativ, vielmehr trudeln beide Familien, durch die Kolonialisierung Ghanas aus der Bahn geworfen, mit einigen Hürden durch die Jahrhunderte.

Die Idee ist nicht neu und doch ist der Gedanke, in diesem Roman der Reihe nach eine Generation nach der anderen zu Wort kommen zu lassen, für diese Thematik wirklich großartig. Es wird gezeigt, wie die Geschichte eines Kontinents auch etliche Jahre später das Schicksal so vieler Menschen prägen kann. Natürlich ist hier auch Rassismus ein Thema. Gerade dann wenn auch Generationen nach dem Ende der Sklaverei noch Mitglieder der Familien auf Grund ihrer Hautfarbe in neues Elend gestürzt werden. Nicht ihre Identität zählt, sondern ihre Herkunft. So wirkt sich die Dramatik der Gefangennahme Esis auch im Leben ihrer Urahnen weiter aus.

“Heimkehren” kommt ohne viel Afrika-Folklore aus und macht (für mich) gerade deswegen den Eindruck auch die Wurzeln der Geschichte authentisch zu erzählen. Je weiter es dann in der Geschichte voranschreitet, desto sachlicher und moderner wird das Buch in seinem Ton, die Figuren bleiben völlig unterschiedlich und absolut glaubhaft. Ein Buch mit ganz eigener Kraft und obwohl es in erster Linie nicht politisch ist, zu keinem Moment den erhobenen Zeigefinger präsentiert, regt es immer wieder zum Nachdenken an. Unbedingt lesen!

Cover des Buches Stillhalten (ISBN: 9783863514518)

Bewertung zu "Stillhalten" von Nina Jäckle

Stillhalten
Alexandra_Luchsvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ich habe lange nichts sprachlich so Schönes mehr gelesen wie "Stillhalten" von Nina Jäckle. Aber diese bleierne Traurigkeit 😢
Sprachlich wunderschön

Lange habe ich kein Buch mehr gelesen, dass mich sprachlich so überzeugt hat wie “Stillhalten” von Nina Jäckle. Es ist ein Buch, welches erzählt wird durch die ebenso farbigen wie melancholischen Gedanken einer einzelnen Frau, die schon so viel durchlebt hat.

Tamara Danischewski war 1933 eine junge, aufstrebende Tänzerin, stand für den Maler Otto Dix Modell und träumte von einem wilden, bunten Leben. Der aufkommende Nationalsozialismus durchbrach diese Träume, sie rettete sich in die sichere Ehe mit einem unzufriedenen, langweiligen Mann. Diese Entscheidung ist es, die ihr Leben in neue Bahnen lenkt. Nun ist Tamara eine alte Frau und träumt wieder, sie träumt von einem Leben, in dem noch alle Türen offen schienen.

Obwohl “Stillhalten” ohne viel Dramatik auskommt, hat mich dieses Buch sehr bewegt. Es geht in diesem Roman um die Weggabelungen in einem Leben, die alles Entscheiden und alles Ändern können. Dabei fokussiert sich der Roman aber nicht auf die Phasen der Veränderung, sondern, wie der Titel schon andeutet, auf die Phasen der Stille und des Innehaltens. Tamaras bewegtes Leben wird in ihren Erinnerungen lebendig, aber oft sind es die ruhigen Momente hinter der Bühne oder beim Nähen eines Kostüms, die dargestellt werden und nicht der eigentliche Tanz.

Manchmal ist es fast schon schwer zu ertragen, wie traurig und gelähmt die Handlung in diesem Buch wirkt. Dabei schlagen in Tamaras Brust zwei Herzen: die einsame und müde alte Frau und die junge, ambitionierte Tänzerin. Dieser Kontrast wird durch das Gemälde, welches Otto Dix von Tamara malte besonders verdeutlicht. Während die echte Tamara allein in ihrem Landsitz lebt und nur einen räudigen Hund zum Gefährten hat, reist die gemalte Tamara um die Welt und wird allerorts bestaunt und bewundert. Immer wieder stoßen wir auf diese Kontraste, die mir beim Lesen schwer im Magen lagen.

Obwohl gerade die Themen rund um die politischen Rahmenbedingungen nur sehr vage und schemenhaft erzählt werden, sind auch sie von Bedeutung für diese Geschichte. Oft wenn es sich in Tamaras Gedanken oder den Aussagen “des Künstlers” um Krieg und Gewalt dreht, kommen kleine und große Wahrheiten ans Licht, die meist schnell wieder verdrängt werden.

“Genau so wird Grausamkeit erst möglich, denn sobald man das Leid verschweigt, ist Mitleid nicht mehr erforderlich.”

Für manchen Leser wird das Buch schwer zu verkraften sein, so viel Einsamkeit und Traurigkeit liegt in den Seiten, ist es doch die Geschichte eines gescheiterten Lebens. Auch bewegt sich die Handlung in diesem Buch nur mühsam voran, schlägt oft immer wieder Schleifen zurück. Eben wie die Gedanken einer Person, die ihr Leben noch einmal Revue passieren lässt. Mich hat die Lektüre dennoch, beziehungsweise genau deshalb, so angesprochen und zum Innehalten angeregt.

 


Cover des Buches Die Kapitel meines Herzens (ISBN: 9783455650860)

Bewertung zu "Die Kapitel meines Herzens" von Catherine Lowell

Die Kapitel meines Herzens
Alexandra_Luchsvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Gute Wahl, "Die Kapitel meines Herzens" ist kuschelige Wohlfühllektüre, aber durch literarische Bezüge nicht völlig platt.
Die Kapitel meines Herzens

Natürlich lese ich in der Regel keine Bücher, von denen ich glaube, dass sie mir überhaupt nicht gefallen werden. Und natürlich habe ich mich auch für “Die Kapitel meines Herzens” von Catherine Lowell wegen des literarischen Themas schon vorab ein bisschen begeistert. Trotzdem muss ich zugeben, dass meine Erwartungen nicht sonderlich hoch waren. Umso mehr freut es mich, dass sie mehrfach übertroffen wurden und mich dieses Buch so toll unterhalten hat.

Es geht um Samantha, die letzte Nachfahrin der berühmten Brontë-Schwestern. Nach dem Tod ihres Vaters sieht sie sich mit einem seltsamen Nachlass konfrontiert und soll sich das erste Mal allein ihrer Familiengeschichte stellen. Dafür muss sie sich gleichzeitig mit der literarische Biografie der Brontës auseinandersetzen, für eine junge Literaturstudentin eigentlich die leichteste Übung? Das sollte es sein, aber ihr attraktiver Literaturprofessor und einige unangenehme Zeitgenossen aus der Vergangenheit ihres Vaters lenken Samantha doch gehörig ab.

Ich weiß nicht genau in welche literarische Schublade ich “Die Kapitel meines Herzens” stopfen kann. Es ist einer dieser wirklich gemütlichen “Frauenromane”, aber ohne die üblichen Klischees zur weiblichen Hauptfigur: Samantha ist weder umwerfend schön, noch naiv und zart. Sie ist sozial etwas unbeholfen, aber nicht auf mädchenhaft-niedliche Art, sondern rüpelig und fast ein bisschen trampelig. Bei den Dialogen im Buch bekommt sie eine patzige und irgendwie nervige Stimme, wirkt aber auch charmant und liebenswert.
Auch der Liebesroman-Faktor in diesem Buch ist angenehm niedrig. Ja, da gibt es eine kleine Romanze (und einen völlig überflüssigen zweiten Mann, der aus dem Roman entfernt werden könnte, ohne etwas Entscheidendes zu verändern) aber die ist nicht leidenschaftlich und knisternd, keiner hüpft auf rosa Wolken.

Stattdessen wird viel über Literaturverständnis und speziell die Bücher der Brontës gesprochen. Es wird darüber gestritten, ob Romane metaphorisch oder wortwörtlich zu verstehen sind und woran man das wohl erkennt? Es geht außerdem darum, warum besonders Frauen sich mit Kunst und Literatur beschäftigten und welche Aspekte ihres Lebens darin verarbeitet wurden. Besonders diese Abschnitte über das Lesen und die Werke der Brontës haben mir unheimlich gut gefallen.

“Lesen lehrt einen, Mut aufzubringen. Der Autor versucht, den Leser davon zu überzeugen, dass etwas Fiktives real ist. Es ist eine lächerliche Forderung, und sie stellt die geistige Gesundheit des Lesers in Frage.”

Gerade durch die Bezüge zu den real existierenden Romanen der Brontës fiel es mir leicht, mich Hals über Kopf in diese Fiktion zu stürzen. Ich habe der Autorin gern meine geistige Gesundheit überantwortet. Das hängt aber auch damit zusammen, dass der Stil des Buches sich besonders bei den Abschnitten über die Literatur durch eine sehr farbige und irgendwie “kuschelige” Sprache auszeichnet. Alles ist mit ausreichend Details beschrieben, aber trotzdem nicht umständlich oder langatmig.

“Die Kapitel meines Herzens” ist keine große Weltliteratur, aber ein Buch das doch viel mehr zu bieten hat, als Cover und Klappentext vermuten lassen. Wohlfühllektüre für den Herbst, aber auch eine Verführung sich mit vielen großen Klassikern noch einmal neu zu beschäftigen.

Cover des Buches Agathas Alibi (ISBN: 9783866124226)

Bewertung zu "Agathas Alibi" von Andrew Wilson

Agathas Alibi
Alexandra_Luchsvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Wer die Bücher von Agatha Christie und (wie ich) True-Crime-Stories mag, wird dieses Buch lieben!
Im Kopf einer Krimiautorin

Wer die Bücher von Agatha Christie und (wie ich) True-Crime-Stories mag, wird dieses Buch lieben! Natürlich ist “Agathas Alibi” nicht ganz “true” Crime, aber die beste Verstrickung von Fiktion und realem Geschehen, die ich seit langem gelesen habe.

Um was geht es? Im Dezember 1926 verschwand die berühmte Autorin spurlos, elf Tage lang wurde sie unter riesigem Polizeiaufgebot und dem Einsatz tausender freiwilliger Helfer erfolglos gesucht… bis sie schließlich in einem Hotel in Harrogate völlig wohlbehalten entdeckt wurde. Agatha Christie behauptete später an einer Amnesie zu leiden und sich an nichts zu erinnern. Was also genau in diesen elf verlorenen Tagen passierte, blieb unklar.

Obwohl Andrew Wilson sich beeindruckend genau an die historischen Details dieses Falls hält, entspinnt er gleichzeitig einen echten Krimi. Er füllt die Lücken zwischen den bekannten Geschehnissen mit einer Handlung, die perfekt zu Agatha Christie passt, schlüssig ist und trotzdem verrückt und neu daherkommt.

Das die Geschichte aus der Perspektive von Agatha Christie erzählt wird, hat mich zunächst skeptisch gemacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihre erzählende Stimme authentisch wirken würde. Doch genau das tut sie. Andrew Wilson kupfert keineswegs den Schreibstil von Agatha Christie ab, hält sich in Wortwahl und Argumentationen aber toll an die Autorin und ihre Zeit. Der dadurch entstehende ruhige und teils fast sachliche Ton der Geschichte, hat in meinen Augen perfekt zur Handlung gepasst.

Spannend wird es trotzdem, denn was Agatha alles in der verschollenen Zeit erlebt ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch kriminell. Sehr schön und passend werden dabei zudem ihre eigenen Bücher eingewoben. Nicht altklug und nach dem Motto “schaut nur, wie viele Details ich unterbringen kann” sondern als angenehm in die Handlung verstrickte Hinweise und Gedanken der erzählenden Stimme über “ihre Bücher”. Der spekulative Charakter der Geschichte wird ganz nebenbei auch immer wieder durch die Phantasien und Grübeleien der Hauptfigur unterstrichen. Manchmal meint man in den Gedanken einer Krimiautorin zu lesen, die in allem eine nächste Geschichte wittert.

Cover des Buches Mein pochendes Leben (ISBN: 9783944751122)

Bewertung zu "Mein pochendes Leben" von Ae-ran Kim

Mein pochendes Leben
Alexandra_Luchsvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ich musste weinen am Ende eines Buches. Das ist mir lange nicht mehr passiert, aber "Mein pochendes Leben" hat mich tief berührt.
Tief traurig und wunderschön

Dieses Buch hat mir die Luft geraubt, in “Mein pochendes Leben” von Ae-Ran Kim wurde mir ein Freund geschenkt und sofort wieder entrissen. Das Buch handelt von Arum, einem 16jährigen Jungen der an Progerie erkrankt ist. Progerie ist eine Krankheit, welche den Körper fünf- bis zwanzigmal schneller altern lässt, als normal. Arum lebt mit seiner jungen Seele im Körper eines 80Jährigen, leidet unter den Begleiterscheinungen der Krankheit und vor allem unter seiner Einsamkeit. Um Geld für seine weitere Behandlung zu sammeln, tritt Arum eines Tages mit seiner Familie in einer Fernsehsendung auf. Die Sendung wird ein Erfolg und neben Spenden bekommt Arum auch eine Mail von einem jungen Mädchen. Ein echter Hoffnungsschimmer in seinem eintönigen Krankenhausleben…

Diese Geschichte hat mich wirklich fertig gemacht. Ich habe lange nicht mehr bei einem Buch geweint, konnte aber in den letzten Kapiteln einfach nicht mehr an mich halten. Man möchte die Geschichte nicht loslassen, möchte aber auch nicht, dass sie weiter geht, zu groß ist der Schmerz.
Arum ist einer der sympathischsten und liebenswertesten Figuren, die mir in Büchern je begegnet sind. Seine Erkrankung ist ein zentraler Bestandteil der Geschichte und trotzdem nicht das zentrale Element seines Charakters. Er hat nicht die typischen “letzten Wünsche” und “vermeintlich einfachen Bedürfnisse” eines Todgeweihten, sondern einfach die Probleme eines 16jährigen Jungen. Arum möchte noch schnell erwachsen werden und seinen Eltern eine Geschichte ihrer Familie hinterlassen. Seine Figur wird mit viel Witz und Charme, Bescheidenheit aber auch einer ganzen Menge Realismus dargestellt. Er ist durch die Krankheit gereift und eben doch noch ein Junge. Eine spannende Mischung, die man seiner Figur so vollkommen abnimmt.
Besonders sind auch die übrigen Protagonisten der Geschichte, welche durch eine sehr reduzierte Besetzung auffällt. Neben Arum sind vor allem seine Eltern die Hauptfiguren der Handlung und bilden einen tollen Kontrast zu ihm. Arum ist eine junge Seele im alten Körper, seine Eltern sind junge Menschen die früh die Verantwortung der Elternschaft übernehmen mussten. Die Grenzen zwischen Eltern und Kind, Lebenserfahrung und “alter Seele” verschwimmen in der Handlung dadurch immer wieder leicht.

“Mein pochendes Leben” fällt vor allem durch seine poetische und sanfte Sprache auf. Nichts in der Geschichte, aber eben auch in ihrer Erzählweise, ist laut oder schnell. Die traurigen Momente sind getragen und schwer, das Glück ist glitzernd und luftig. Ein Buch, welches sich mit Genuss lesen lässt, weil es Form und Inhalt so wunderschön verbindet. Trotz dieser Leichtigkeit und Schönheit ist “Mein pochendes Leben” aber stellenweise auch bitter wie das Leben.

Man könnte sagen, dass es in dieser Geschichte um Krankheit und das Sterben geht, aber so richtig stimmt das nicht. Wie der Titel sagt, geht es einfach um das pochende Leben, um Eltern und Kinder, Verlust und Abschied. Ganz und gar keine leichte Kost, aber tief berührend und jede Seite und Träne wert.

Cover des Buches Abgrund (ISBN: 9783866482517)

Bewertung zu "Abgrund" von Bernhard Kegel

Abgrund
Alexandra_Luchsvor 7 Jahren
Das Geheimnis der Meere

Ein wenig erinnert “Abgrund” von Bernhard Kegel an Frank Schätzings “Der Schwarm”. Zwar ist “Abgrund” nicht ganz so episch und dramatisch, thematisiert das Meer aber auch als eine gewaltige, uns fast unbekannte Kraft. Eine Kraft, von deren sensiblem Gleichgewicht unser aller Leben abhängt. Bernhard Kegel schafft es dieses aktuelle ökologische Thema in einer spannenden Romanhandlung zu verpacken.

Anne Detlefsen und Hermann Pauli, sie Kriminalbeamtin und er Biologe (schon bekannt aus Bernhard Kegels Roman “Der Rote”), verbringen ihre Ferien auf den Galápagosinseln. Obwohl das Paar eigentlich nur Erholung sucht, können sie sich ihrer jeweiligen Passion nicht verwehren und werden unversehens in spannende Geschehnisse verwickelt. So engagiert sich Hermann bei der Suche nach einem mysteriösen Hai, während Anne einer Serie rätselhafter Schiffsbrände auf den Grund geht.

Die Handlung in “Abgrund” wirkt manchmal etwas konstruiert und scheint stark auf die Kernthemen des Buches ausgerichtet zu sein, entwickelt aber trotzdem innerhalb weniger Seiten eine ungemeine Spannung. Das lag für mich vor allem am ungewöhnlichen Handlungsort und den verschiedenen damit verbundenen Konflikten. Es geht um Tourismus und Artenschutz, die Probleme der armen Bevölkerung in Ecuador und immer wieder die Meere.

Hauptthema des Buches ist das fragile Gleichgewicht der Meere, welches durch schlechte Umweltbedingungen wie steigende Temperaturen, nachhaltig zerstört zu werden droht. Das vernichtet große Teile der sensiblen Korallenriffe und gefährdet das Überleben zahlreicher Arten. Diese Themen, so bedrückend sie auch sind, werden fundiert und verständlich in den Roman integriert. Mein einziger Kritikpunkt sind in dieser Hinsicht die leider teilweise etwas hölzern wirkenden Dialoge. Um bestimmte Informationen in die Geschichte einzuweben, finden zwischen den Charakteren schulbuchartige Gespräche statt. Zwar soll das vermutlich dem Lesefluss dienen und diese Passagen auflockern, mich hätten diese Informationen aber auch nicht im Fließtext gestört.

Bis auf Anne und Hermann werden die Figuren in dieser Geschichte übrigens nur skizzenhaft charakterisiert. Auch das unterstreicht für mich den Eindruck, dass “Abgrund” völlig auf das zentrale Thema fokussiert ist. Für meinen Geschmack passte das gut zum Rahmen des Buches, da es weniger die Figuren und ihre Handlungen sind, die im Gedächtnis bleiben, als vielmehr die beeindruckende Kulisse und die interessante ökologische Problematik.

Insgesamt hat mich “Abgrund” beeindruckt, gut unterhalten und trotz anfangs etwas vorhersehbarer Entwicklungen später wirklich überrascht. Ein Buch, das obwohl es nicht ganz perfekt ist, mit seiner beeindruckenden Botschaft noch lange im Kopf bleibt.

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