Anchesenamun

Zuerst einmal eine wichtige Info vorweg: Es handelt sich hier um den 1. Band einer Trilogie. Band 2 erscheint voraussichtlich im Frühjahr 2024, Band 3 dann im Herbst 2024. Und ja, dieser Band hat ein offenes Ende mit einem relativ fiesen Cliffhanger.

Ich konnte mich sehr gut direkt in den Schreibstil von Sabine Schoder einfinden. Dieser ist locker, unterhaltsam, eindrücklich und humorvoll. Dies und natürlich die Handlung an sich haben dazu beigetragen, dass ich durch die Seiten förmlich geflogen bin.

Die Geschichte lehnt sich an den berühmten Shakespeare-Roman „Romeo und Julia“ an. Auch wenn viele das Original sicher nicht gelesen haben, so kennt man jedoch die tragische Liebesgeschichte aus zahlreichen Adaptionen. Umso erstaunlicher, dass die internationale Protagonistin Joy von Romeo und Julia so überhaupt keine Ahnung hat und trotz französischer Mutter nichtmal  weiß, was ihr Nachname „Noveau“ auf Deutsch heißt. Das ist nur eine der doch nicht selten auftretenden Fälle mangelnder Logik bzw. Unglaubwürdigkeit. Aber: Die Geschichte klappt trotzdem!

Fangen wir bei den Hauptfiguren an: Alles dreht sich um Joy Nouveau, die nach einem turbulenten Einstieg in die Geschichte ziemlich schnell erfährt, dass sie eine Nachfahrin der berühmten Julia Capulet ist und deshalb – so wie alle Nachfahren von Romeo und Julia – unter dem Rosenfluch leidet, der alle 17 Jahre nur durch das Opfer eines Liebespaares aus den Familien Montague und Capulet besiegt werden kann. Sonst sterben alle Nachfahren.

Der introvertierte Rhyme ist der gleichaltrige Schlangenfürst aus dem Hause Capulet, sein Gegenpart der draufgängerische Katzenfürst Cut. Sie sowie Rhymes Freunde helfen Joy, sich im Internat zurechtzufinden. Dort sind alle jugendlichen Nachfahren untergebracht, mehrere 100 Teenager aus zwei verfeindeten Häusern, was natürlich für Spannung, mitunter bedrohliche, aber auch lustige Situationen sorgt. Hier stört mich schonmal, dass bis auf ein paar Leute wirklich nichts über die Schüler erzählt wird. Wo sie herkommen, wie sie von der Schule erfahren, wie weit verzweigt die Verwandtschaft zu Romeo und Julia ist, was neben der Vorbereitung auf die Duelle noch auf dem Stundenplan steht. Dann gibt es noch weitere Charaktere wie die Souffleure, die Kraftquellen oder das Ballkommitee.

Manche Fragen werden im Laufe der Handlung beantwortet. Manche eben nicht. Das wird hoffentlich in den nächsten Bänden nachgeholt. Und dann gibt es eben noch die unlogischen Sachen.

Und ach ja, was ich an Jugendromanen ja irgendwie nie so wirklich mag: Alle sehen natürlich wahnsinnig gut aus. Und natürlich ist Joy auch ganz wunderhübsch, aber denk, dass alle Anderen ja viel toller sind als sie. Trotzdem schwänzeln ihr Rhyme und Cut, die jede haben könnten, gleichermaßen sofort hinterher. Uff.

Bei all der Kritik mache ich aber mal mit den positiven Dingen weiter: Die drei Hauptcharaktere sind mir sehr sympathisch. Die Geschichte wird aus Joys Sicht erzählt. Sie ist nicht auf den Kopf gefallen, sie ist emotional, aber nicht hysterisch, und sie bringt eine gute Portion Galgenhumor und Selbstkritik mit. Denn so einfach ist das nicht, wenn man mal eben entführt und in eine völlig fremde, irre, gefährliche Welt geworfen wird. Rhyme und Cut sind ganz unterschiedlich, aber beide auf ihre Art liebenswürdig. Schön finde ich auch ihre tiefe Verbindung zu den ihnen zugehörigen Tieren, Schlangen und (Groß)Katzen. Ich bin dankbar, dass zumindest im 1. Band kein klischeehaftes Beziehungsdreieck entstand, sondern hier ganz klar eine Richtung vorgegeben wird, wem Joys Herz gehört.

Es gibt noch weitere Nebenfiguren, die toll sind. Und natürlich gibt’s auch die Bösewichte. Bei manchen weiß man noch nicht, zu welcher Sorte sie gehören. Und es gibt auch mysteriöse Wesen. Und natürlich die Tiere.  

Sabine Schoder hat eine ganz eigene, magische, wundervolle, aber auch grausame Welt rund um den Mythos Romeo und Julia erschaffen. Dafür gebührt ihr Respekt. Man hat nicht das Gefühl „Ach, das kenne ich schon von anderen Jugend-/Fantasyromanen.“.  

Um diese Rezension nicht noch länger zu machen, komme ich zum Fazit: Ja, das Buch hat seine Schwächen. Aber ich finde die Geschichte spannend und sehr unterhaltsam mit der richtigen Portion Gefühl. Ich habe sie sehr gerne gelesen, und ich werde auch garantiert die Folgebände lesen, denn ich will unbedingt wissen, wie es weitergeht!