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AndreasKueck

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Cover des Buches Acht Hercule Poirot Krimis (ISBN: 9783867176095)

Bewertung zu "Acht Hercule Poirot Krimis" von Agatha Christie

Acht Hercule Poirot Krimis
AndreasKueckvor 4 Tagen
Kurzmeinung: ...überzeugende Hörspiel-Adaptionen!
...überzeugende Hörspiel-Adaptionen!

Kennt ihr das auch? Ihr habt gerade mehrere Bücher beendet und natürlich in salbungsvollen Worten eine Rezension verfasst, da lacht euch auch schon das nächste vom Verlag spendierte Leseexemplar an. Da brauche ich hin und wieder eine Auszeit! Nein, ich greife dann nicht nach einer Haselnuss- oder Milch-Schnitte (Obwohl die Versuchung gegeben wäre!). Vielmehr gelüstet es mich nach einer appetitlichen Krimi-Schnitte.

Wie gut, dass da die Sendeanstalten vom Südwestrundfunk und vom Mitteldeutschen Rundfunk mit ihrem Krimisommer in den Jahren 2002 bis 2006 für eine wunderbare Auswahl an klassischen Krimi-Leckerlis vorgesorgt haben. So gab sich nur die Elite dieses verbrecherischen Genres die Ehre: Dorothy L. Sayers (Lord Peter/ 2002), Georges Simenon (Kommissar Maigret/ 2003), Arthur Conan Doyle (Sherlock Holmes und Dr. Watson/ 2004) und Gilbert Keith Chesterton (Pater Brown/ 2005).

Im Jahre 2006 durfte dann Agatha Christie mit Hercule Poirot den letzten Krimisommer bestreiten.

  • CD 1: Eine Tür fällt ins Schloss / Tot im dritten Stock
  • CD 2: Vierundzwanzig Schwarzdrosseln / Der verräterische Garten
  • CD 3: Der Traum / Poirot und der Kidnapper
  • CD 4: Urlaub auf Rhodos / Lasst Blumen sprechen

Aus der Vielzahl an spannenden Fällen, die der kauzige kleine Belgier im Laufe seiner literarischen Karriere lösen durfte, griff man auf die oben genannten acht Kurzgeschichten zurück. Kenner der Materie werden beim Hören rasch bemerken, dass Alexander Schnitzler sich bei seiner Bearbeitung nah am Original gehalten und gesamte Textpassagen eins zu eins übernommen hat. Diese Vorgehensweise kann ich nur befürworten: Warum sollte er eine gute Vorlage verschlimmbessern? Umrahmt werden die Geschichten durch die Musik von Henrik Albrecht, die wiederholt zum Einsatz kommt und somit – wie ein roter Faden – die einzelnen Erzählungen miteinander verknüpft. Dabei ist die Musik atmosphärisch stimmig, drängt sich aber niemals in den Vordergrund. Gleiches gilt für die Regie von Henrik Albrecht, der klug auf das Können seiner Sprecher*innen setzt, und vielleicht nur hier und da ein wenig das Tempo im Sinne der Spannung anzieht.

Das Ensemble setzt sich aus versierten Schauspieler*innen aus Theater, Film und Fernsehen zusammen: Da tauchen bekannte Namen wie Stephanie Kämmer, Peter Fricke, Susanne Heydenreich, Abak Safaei-Rad, Leslie Malton, Udo Schenk und Hedi Kriegeskotte auf, die teilweise in mehreren Geschichten unterschiedliche Charaktere verkörpern. Dies meistern sie so gekonnt individuell und abwechslungsreich, dass ich manchmal nur anhand der Besetzungsliste erkannte, dass es sich um ein und dieselbe Person handelte.

Dreh- und Angelpunkt dieser acht Hercule Poirot Krimis – und somit prägend für diese Hörspiel-Produktion – sind allerdings Friedhelm Ptok und Felix von Manteufel. Friedhelm Ptok führte mich als Hörer mit seiner markanten Stimme durch den Plot. Dabei ist er manchmal „nur“ der Erzähler, dann schlüpft er wieder in die Schuhe von Arthur Hastings, Poirots Sidekick, der auch im literarischen Original so manches Mal erzählerisch durch die Geschichte führte. Prägnant in Szene gesetzt werden die Hörspiele durch die Stimme von Felix von Manteufel. Er „französelt“ höchst amüsant und versieht den weltberühmten Detektiv mit einer liebenswerten Schrulligkeit. Dies macht er so ausnehmend überzeugend, dass ich unseren Helden beinah leibhaftig vor mir sah.

Mit einer Länge zwischen 30 und 55 Minuten sind die einzelnen Episoden wunderbare Appetithäppchen, gar köstliche akustische Happenpappen, um den Tag zwar durchaus unterhaltsam spannend aber nicht allzu aufgeregt zu beenden.

Cover des Buches Die Feuerzangenbowle (ISBN: 9783770021383)

Bewertung zu "Die Feuerzangenbowle" von Heinrich Spoerl

Die Feuerzangenbowle
AndreasKueckvor 6 Tagen
Kurzmeinung: Ein zeitloser Klassiker voller Humor...!
Ein zeitloser Klassiker voller Humor...!

„Ein Loblied auf die Schule – aber es ist möglich, dass die Schule es nicht merkt.“
Heinrich Spoerl

Es gibt Filme, die scheinen nie zu altern. Natürlich sieht man ihnen die Jahre an: Regie, Kameraführung sowie Erzählstil und -tempo waren damals anders. Auch die Art des Schauspiels unterschied sich durchaus gegenüber moderneren Filmen. Und trotzdem bleibt diese unbeschwerte Frisch erhalten, konserviert auf Zelluloid und – im besten Fall – für die nachfolgenden Generationen sanft remastert und digitalisiert. Als vor 80 Jahren Heinz Rühmann erstmals die Primaner-Mütze zum Gruße lupfte und keck in die Kamera lächelte, hätte wahrscheinlich niemand damit gerechnet, dass dieser Film irgendwann zu den Klassikern des deutschen Kinos zählen würde.

Dabei standen die Sterne für diesen Film anfangs wenig günstig: Der Reichserziehungsminister versuchte die Freigabe des Films zu verhindern, da er in ihm die Autorität der Schule und der Lehrer gefährdet sah. Zumal es aufgrund des 2. Weltkrieges einen massiven Lehrermangel gab. Zudem verzögerte Heinz Rühmann absichtlich immer wieder die Dreharbeiten zum Film, um so die Einberufung der jungen Darsteller zum Kriegsdienst möglichst lange hinauszuschieben.

Umso erstaunlicher ist es, dass dieser Film trotz aller widrigen Umstände eine launige Leichtigkeit ausstrahlt. Auch die Hörspielfassung aus dem Jahre 1970 mit Hans Clarin als „Pfeiffer mit drei Eff“ konnte sich diese freche Unbeschwertheit bewahren. Als ich im letzten Jahr meine Rezension zum Hörspiel verfasst, keimte in mir der Wunsch, endlich auch die literarische Vorlage kennenzulernen.

Bei einer launigen Stammtischrunde, die durch Genuss besagter Feuerzangenbowle noch angeheizt wurde, schwelgen die anwesenden Herren in Erinnerungen an ihre Schulzeit. Ja, das waren noch Zeiten, als sie jung und mit Flausen im Kopf Streiche gegen die Pauker ausheckten und sich zum ersten Mal in die Schülerinnen des benachbarten Mädchen-Gymnasiums verliebten. Einzig Dr. Johannes Pfeiffer kann keine Anekdoten beitragen, da er privat unterrichtet wurde. Seine Freunde sind entsetzt: Die beste Zeit im Leben eines jungen Mannes blieb ihm verwehrt. Dieser Umstand muss schleunigst geändert werden. Kurzerhand werden entsprechende Unterlagen fingiert, Pfeiffer passend ausgestattet und auf das Gymnasium einer Kleinstadt verfrachtet. Seine Verlobte Marion ist ganz und gar nicht entzückt. Dafür ist Pfeiffer umso entzückter von der reizenden Eva, der Tochter des Direktors seiner Penne…!

Er hatte ja so recht, der Herr Spoerl: Es ist wirklich ein Loblied auf die Schule. Da skizziert er liebevoll seine Figuren, pointiert die Handlungen der Schüler und ironisiert mit Herz die Eigenarten der Lehrer. Der Autor ergreift keine Partei: Alle sind bei ihm gleichwertig. Es wird nicht über- oder sogar gegeneinander gelacht, man lacht gemeinsam!

Damit ist DIE FEUERZANGENBOWLE der literarische Gegenentwurf zu Heinrich Manns PROFESSOR UNRAT aus dem Jahre 1905. Dort wird die Schule zu einem Kriegsschauplatz für willkürliche Bestrafungen, wo Schüler und Lehrer wie verfeindete Parteien aufeinanderprallen. Hier wirken die Schelmenstücke von Hans Pfeiffer und seinen Kameraden wie harmlose Lausbubenstreiche, die nie über die imaginäre Grenze des Anstandes hinausgehen und so vom Respekt, den die Schüler gegenüber ihren Lehrern (aber ebenso auch umgekehrt) empfinden, zeugt.

Spoerls Sprache ist schnörkellos, unprätentiös, beinah unpathetisch. Klar, schlank und ohne viel Firlefanz gönnt er der Geschichte den nötigen Raum, um zu atmen, um sich zu entfalten. Übermäßige Beschreibungen sucht man hier vergebens: Was sollte er auch detailreich beschreiben, das der damaligen Leserschaft nicht schon mehr als zur Genüge aus eigenem Erleben bekannt war. Lieber skizzierte er mit sicherem Strich die prägnanten Charaktere seiner Figuren. Dabei beherrschte er die Kunst, die schmale Grenze zur Karikatur nicht zu überschreiten. Nur so stellte er sicher, dass seine Figuren so wunderbar menschlich blieben.

Ja, Herr Spoerl, es ist wahrhaftig ein Loblied auf die Schule:
…charmant, herzerwärmend und sooo lustig!

Cover des Buches Ein Spiel zuviel (ISBN: 9783426306727)

Bewertung zu "Ein Spiel zuviel" von P. D. James

Ein Spiel zuviel
AndreasKueckvor 6 Tagen
Kurzmeinung: Der gelungene Auftakt eines interessanten Ermittlers...!
Der gelungene Auftakt eines interessanten Ermittlers...!

Es war das Jahr 1962 als ein neuer Kommissar auf der literarischen Bühne der Kriminalromane erstmals in Erscheinung treten sollte. Seine geistige Mutter schuf mit ihm einen Ermittler, der einerseits noch geprägt war von den Traditionen der goldenen Ära des Genres, jedoch gleichzeitig seinen Blick ebenfalls Richtung Modernität wandte. Erst spät folgte P.D. James dem Drang zu schreiben. Vielleicht liegt in dem Umstand begründet, dass die Autorin schon einiges an Lebenserfahrung mitbrachte, warum auch der von ihr erdachte Held so erwachsen, so reif, so in sich ruhend erscheint.

Beinah stoisch geht Adam Dalgliesh in seinem Job vor, den er gewissenhaft, konzentriert und durchaus mit Empathie erledigt. Gleichzeitig umgibt ihn eine Aura des Geheimnisvollen: Vieles gibt die Autorin von ihm nicht preis. Da wird mal hier in einem Nebensatz ein Detail verraten, da fällt mal dort innerhalb eines Dialoges eine Bemerkung. Und doch hatte ich als Leser ein recht klares Bild von ihm vor meinem inneren Auge: Dank seiner Handlungen und Kommentare konnte ich Rückschlusse auf seinen Charakter ableiten. Wobei er sich nie in den Vordergrund drängte. Während bei Agatha Christie und Dorothy L. Sayers die ermittelnden Personen im Fokus der Geschichte stehen, hält P.D. James es ganz mit ihrer Kollegin Josephine Tey und widmet ihrer Aufmerksamkeit dem begangenen Verbrechen.

Auf Martingale Manor, dem Herrenhaus der Maxies, wird das traditionelle Sommerfest gefeiert. Als wäre dies nicht genug Aufregung, muss sich Mrs. Maxie an diesem milden Julitag auch noch mit der Nachricht herumschlagen, dass sich ihr Sohn mit dem neuen Hausmädchen verlobt hat, der ledigen Mutter Sally Jupp. Hinter ihrer Maske aus Tüchtigkeit und Ergebenheit versteckt Sally Gefühle der Verachtung – was den meisten auf Martingale verborgen bleibt. Am nächsten Morgen jedoch wird Sally ermordet aufgefunden. Ein komplizierter Fall für Kommissar Adam Dalgliesh, denn unter der Oberfläche des ländlichen Idylls brodelt es vor Hass und Eifersucht…

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

So legt P.D. James ihren Schwerpunkt auf das Verbrechen und sorgt dafür, dass ich als Leser alle Informationen erhalte, um den Fall (zumindest theoretisch) lösen zu können. Denn selbstverständlich werde ich diesen verzwickten Fall nicht lösen können – ich möchte ihn auch gar nicht lösen. Vielmehr entblätterte sich vor meinen Augen Seite für Seite das komplette Drama, und ich lernte so die beteiligten Protagonist*innen deutlich besser kennen als den Ermittler. Äußerst akribisch – ohne langatmig zu sein – rollt die Autorin die Geschehnisse an den Tagen vor der Tat auf und bietet Einblicke in die Gefühlswelten der Figuren. Peu à peu offenbart sich der wahre Charakter der handelnden Personen hinter ihren so sorgsam inszenierten Fassaden. Äußerst klug und in bester „Whodunit“-Manier präsentiert uns James eine erlauchte Auswahl an Verdächtigen, aus der wir – ähnlich einer Süßigkeit aus einer Pralinenschachtel – unseren Favoriten/unsere Favoritin wählen dürfen.

Doch auch das Opfer wird eingehend beleuchtet: Ist sie denn wirklich das unschuldige Opfer? Oder hat diese durch und durch berechnende Person nicht vielmehr ihren eigenen Beitrag geleistet, mit dem sie sich selbst in die Rolle des Opfers manövriert hat? Vielleicht hat sie wirklich „Ein Spiel zuviel“ gespielt? Bei der Autorin ist das Opfer aufgrund ihres ambivalenten Auftretens nicht zwangsläufig ein Sympathieträger. Vielmehr erzeugt sie mit ihrem Verhalten (manchmal unbewusst, manchmal kalkuliert) bei ihrem Gegenüber eine entsprechende Gegenreaktion und ist so die Projektionsfläche für die jeweiligen Emotionen.

Doch abermals zurück zum Helden: Ich fand es sehr erstaunlich, dass ein Protagonist, von dem ich so wenige Details kenne, eine umso größere Anziehungskraft auf mich ausübte. Und natürlich stellte ich mir selbst die Frage nach den Gründen. Die noble Zurückhaltung gepaart mit einem respektvollen und freundlichen Auftreten sind wesentliche Merkmale seines Charmes. Ja, vielleicht macht genau diese Paarung den besonderen Reiz aus, der mich veranlassen wird, mehr von ihm in Erfahrung zu bringen.

Adam Dalgliesh! Wir sehen uns wieder!

Cover des Buches Das Märchen von der Vernunft (ISBN: 9783855350704)

Bewertung zu "Das Märchen von der Vernunft" von Erich Kästner

Das Märchen von der Vernunft
AndreasKueckvor 25 Tagen
Kurzmeinung: Erich Kästners kluger Appell an die Vernunft…!
Erich Kästners kluger Appell an die Vernunft…!

Noch bevor ich auch nur ein einziges Wort von der Hauptgeschichte lesen konnte, fiel mein Blick auf diesen Zusatz im vorderen Teil des Buches:

„Erich Kästners Werke erscheinen im Atrium Verlag in ihrer originalen Textgestalt. Die Sprache hat sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt, manche Begriffe werden nicht mehr oder anders verwendet. Aus urheberrechtlichen Gründen wurde darauf verzichtet, Kästners Sprache – die eines aufgeklärten Moralisten und Satirikers – dem heutigen Sprachgebrauch anzupassen.“

Ich las und jubelte innerlich! Der Atrium Verlag ist nicht dem momentanen Trend verfallen, die Texte deutscher Autor*innen zu modernisieren und dem momentanen Sprachgusto anzupassen. Ich gewinne eh den Eindruck, dass diese Unsitte vornehmlich hier in unserem Land praktiziert wird – oder kann sich irgendjemand ernsthaft vorstellen, dass die Engländer ihren Shakespeare oder die Franzosen die Texte von Molière dem heutigen Sprachgebrauch angleichen? Natürlich ist die Sprache immer Veränderungen unterworfen, und das ist auch gut und schön und richtig. Doch für mich als Leser und vor allem als Vor-Leser ist es immer wieder eine freudige Herausforderung, mich der Sprachmelodik vergangener Zeiten zu stellen, um mich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Sprache zu entdecken – sei es die Muttersprache oder die Sprache eines anderen Landes – stellt eine ganz besondere, beinah sinnliche Erfahrung dar. So danke ich dem Atrium Verlag von ganzem Herzen für ihre klare Haltung, die von gesundem Menschenverstand und Vernunft zeugt.

Womit wir direkt beim Thema wären: Aus Kästners scheinbar unerschöpflicher Wundertüte DER TÄGLICHE KRAM. CHANSONS UND PROSA 1945-1948 wählte der Verlag als illustrierte Neu-Auflage zu seinem Geburtstag eben genau DAS MÄRCHEN VON DER VERNUNFT aus.

Ein alter Mann, reich und angesehen, hat leider diese dumme Angewohnheit, sich vernünftige Dinge auszudenken und seine Gedanken auch noch öffentlich kundzutun. Die Staatshäupter und Staatsoberhäupter hören sich Zähne knirschend immer wieder seine in ihren Augen wirren Vorschläge an. Nun sitzt der alte Mann abermals mit einer seiner vernünftigen Ideen vor ihnen und behauptet, er wüsste, wie sie langfristig Zufriedenheit für alle Menschen auf der Erde schaffen könnten. Es würde nur die lächerliche Summe von einer Billion Dollar kosten, genau die Summe, die auch der letzte Krieg gekostet hätte. Die Staatshäupter und Staatsoberhäupter sind empört über diesen irrsinnigen Vorschlag. Doch der alte Mann lässt sich nicht beirren: Warum darf ein langer Friede nicht ebenso viel wert sein wie ein langer Krieg?

Und wieder kleidete Ulrike Möltgen Kästners Geschichte in ihren kollagenartigen Illustrationen ein. In atmosphärischen Bildern, die einer Theater-Inszenierung würdig wären, versieht sie den namenlosen Helden mit dem Konterfei Kästners. Auch lässt sie bei den Staatshäupter und Staatsoberhäupter so manches bekannte Gesicht auf der Bühne erscheinen. Dabei arbeitet sie mit einer deutlichen Symbolik: Da umgibt die hohen Herren eine Art Blase, die wohl verdeutlichen soll, dass alles, was sich außerhalb befindet, nicht für die Herrschaften von Interesse ist. Ähnliches drücken die identischen Masken mit ihrer neutralen bis desinteressierten Mimik aus, die die Staatsmänner sich vor ihre Gesichter halten. Auch sitzt der alte Mann, der in einem Harlekin’eskem Sakko gekleidet ist, bei seinen Gesprächen mit den hohen Tieren an einem Tisch, der eine frappierende Ähnlichkeit mit dem bekannten Tisch von Vladimir Putin aufweist.

Abermals zeigte Kästner mit dieser Geschichte sein herausragendes Können, mit schlichten Mitteln hinter die Fassaden des gesellschaftlichen Konformismus zu blicken, um beinah lapidar-harmlos auf vorhandene Missstände hinzuweisen. Einerseits ist Kästners Geschichte fest mit seiner Entstehungszeit und den noch sehr frischen Eindrücken des 2. Weltkrieges verhaftet, andererseits hat sie bedauerlicherweise nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Denn die beinah kindlich-naive Frage des alten Mannes „Warum darf ein langer Friede nicht ebenso viel wert sein wie ein langer Krieg?“ hat leider auch noch heute seine gültige Berechtigung. Kästner stellte eine scheinbar einfache Frage, auf die er wohl nie eine vernünftige Antwort erhalten hat. Wie auch? Sie blieb bis heute unbeantwortet. Doch seine Frage implementiert den Gedanken zu einer weiteren, viel wichtigeren Frage:

„Sollte der Friede nicht mehr wert sein als ein Krieg?“

Cover des Buches Das Märchen vom Glück (ISBN: 9783855351299)

Bewertung zu "Das Märchen vom Glück" von Erich Kästner

Das Märchen vom Glück
AndreasKueckvor 25 Tagen
Kurzmeinung: Kästners einfache wie brillante Parabel über das Streben nach Glück…!
Kästners einfache wie brillante Parabel über das Streben nach Glück…!

Es ist das Jahr 1945: Deutschland kämpft mit den Folgen des 2. Weltkrieges, und Erich Kästner übernimmt die Leitung des Feuilletons der „Neuen Zeitung“ in München. Nun, wo die Nazis nicht mehr an der Macht sind, darf er auch wieder schreiben. Dies tut er auf seine eigene, unnachahmliche Art. Es entstehen brillante Satiren und feinfühlige Reportagen, er schreibt für Kabarett und Rundfunk. Mit DER TÄGLICHE KRAM. CHANSONS UND PROSA 1945-1948 (aus dem auch die vorliegende Geschichte stammte) schenkt er den nachfolgenden Generationen einzigartige Einblicke in das Leben in einem Land nach dem Zusammenbruch.

„Es handelt sich um eine bunte, um keine willkürliche Sammlung. Sie könnte, im Abglanz, widerspiegeln, was uns in den drei Jahren nach Deutschlands Zusammenbruch bewegte. Worüber man nachdachte. Worüber man lächelte. Was uns erschütterte. Was uns zerstreute.“ Erich Kästner

Als hellwacher Chronist deutscher Nachkriegsgeschichte kleidete er seine Glossen oder Kritiken gerne in einen märchenhaften Mantel:

Das sitzt ein junger Mann unglücklich und mit sich und der Welt hadernd auf einer Bank. Plötzlich und gänzlich ohne Vorwarnung taucht ein alter Mann neben ihm auf und gewährt ihm drei Wünsche, damit er endlich ein glücklicher Mensch werde. Der junge Mann ist so verbittert und verbiestert, dass er äußerst leichtsinnig seinen ersten Wunsch verschleudert, nur um den alten Mann loszuwerden. Sein Wunsch wird erfüllt. Nun kommen dem jungen Mann Zweifel, und sein schlechtes Gewissen rührt sich. Denn schließlich kann er den alten Mann dort nicht lassen, wo er ihn hingewünscht hat. Und so opfert er seinen zweiten Wunsch…!

Glück: Was ist das schon? Können wir Glück erzwingen? Oder ist es nicht vielmehr ein flüchtiges Empfinden, dass genau so schnell wieder verschwindet, wie es erschienen ist? Und wann bin ich glücklich, muss ich glücklich sein, wird erwartet, dass ich glücklich bin. Und warum bin ich nicht glücklich, obwohl das Schicksal, der Zufall oder der liebe Gott es so gut mit mir meinte?

Ulrike Möltgen schuf Illustrationen zwischen Realität und Fantasie. Sie wählte strenge Formen und brach diese durch märchenhafte Komponenten auf. Selbst scheinbar Alltägliches wie fliegende Vögel am Firmament entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Origami-Schwäne. Ihr kollagenartiger Stil lässt genügend Freiraum für eigene Interpretationen und bietet doch viele Details für das Auge.

Glück: Was wollte Kästner mit dieser kleinen Parabel ausdrücken? Wer weiß es schon genau? Doch ich könnte mir denken, dass er uns ermutigen wollte, das Glück nicht voller krampfhafter Verzweiflung für sich einzufordern. Besonders das GROSSE Glück klopft äußerst selten an die Tür. Vielmehr gibt er uns einen Fingerzeig, das Glück im Kleinen zu suchen. Denn gerade das kleine Glück lässt sich recht häufig blicken. Und er lehrt uns, nicht allzu verschwenderisch oder unbedarft mit der persönlichen Portion Glück – unabhängig ob sie nun in Gramm, Sekunden oder Wünsche gemessen wird – umzugehen, denn…

„Das Glück ist schließlich keine Dauerwurst, von der man
sich täglich seine Scheibe herunterschneiden kann!“

Cover des Buches Eine Liebesgeschichte (ISBN: 9783455381344)

Bewertung zu "Eine Liebesgeschichte" von Siegfried Lenz

Eine Liebesgeschichte
AndreasKueckvor einem Monat
Kurzmeinung: ...von vorne bis hinten, von oben nach unten: ENTZÜCKEND!!!
...von vorne bis hinten, von oben nach unten: ENTZÜCKEND!!!

Wo die Liebe so hinfällt! Manchmal braucht sie Zeit zur Entfaltung, muss wachsen und reifen. Dann schlägt sie ein wie ein Blitz, trifft gänzlich unvorbereitet aus heiterem Himmel. So oder ähnlich muss es auch Joseph Waldemar Gritzan ergangen sein, als er zum ersten Mal Katharina Knack erblickte…

Da steht er nun, dieser große, schweigsame Holzfäller, und ist bis über beide Ohren verliebt. Amor hat ihn nicht nur mit einem kleinen Pfeil getroffen, gefühlsmäßig steckt eine stattliche Axt zwischen seinen Schulterblättern. Er weiß nicht, wie er sich seiner Angebeteten erklären soll, aber er ist sich sicher, dass kein Weg an ein Ehebündnis vorbei führt. So besorgt er sich beim Pfarrer von Suleyken vorsorglich einen Taufschein. Doch die holde Maid weiß noch nichts von ihrem Glück. Vielmehr kniet sie ahnungslos am Flussufer und walkt die Wäsche, bis sich dieser stille Hüne zu ihr setzt. Da sitzen sie nun nebeneinander, schauen über Wiesen und Wälder und werfen sich verstohlene Blicke zu, bis er in die Tasche greift und scheu fragt „Lakritz?“

„Entzückend…!!!“ kann ich nach der Lektüre dieser kleinen, durch und durch charmanten Geschichte nur ausrufen. Während ich die drolligen Bilder von Franziska Harvey betrachtete, umspielte ein Lächeln meine Lippen. Wie schon bei DAS WUNDER VON STRIEGELDORF. Eine Weihnachtsgeschichte hat sie auch hier wieder berückende Illustrationen geschaffen, die sowohl mit einer gewinnenden Leichtigkeit die Atmosphäre im ländlichen Dörfchen Suleyken im ostpreußischen Masuren einfangen, wie auch die von Siegfried Lenz erschaffenen Figuren sympathisch und gar trefflich charakterisieren.

Möglich machten dies natürlich die Worte des großen Meisters: Siegfried Lenz Sprache ist einfach gehalten. Seine Sätze überzeugen durch ihre schlichte Poesie und berühren so mein Herz als Leser viel unmittelbarer. Er trifft den Kern einer Szene, ohne dass der Blick von literarischem Firlefanz abgelenkt wird. Das Ganze umhüllt er mit einem gut dosierten Hauch Ironie, der nicht bloßstellt und nie verletzend wirkt. Da wirft er zwar durchaus einen humorvollen doch nie diffamierenden Blick auf seine Schöpfungen und ihre Beweggründe. Voller Respekt und Liebe porträtiert er die einfachen Menschen aus dem Masurenland und schenkte der literarischen Welt Typen voller schlichter Eleganz und mit immens viel Herzenswärme.

Cover des Buches Wie ein Hauch im Wind (ISBN: 9783311300564)

Bewertung zu "Wie ein Hauch im Wind" von Josephine Tey

Wie ein Hauch im Wind
AndreasKueckvor 2 Monaten
Kurzmeinung: ...abermals uneingeschränkt brillant!!!
...abermals uneingeschränkt brillant!!!

Mein „Bitte mehr davon!“, mit dem ich meine Rezension zu DER LETZTE ZUG NACH SCHOTTLAND beendete, scheint erhört worden zu sein. Es freut mich immer sehr, wenn Verlage auf meine Wünsche so prompt reagieren. Nein, Scherz beiseite: An mir lag es sicherlich nicht, dass die Werke von Josephine Tey wieder auf der großen literarischen Spielwiese aufgetaucht sind. Die Lorbeeren für diesen Umstand gebühren der Autorin ganz und gar alleine: Ihre Kriminalromane sind einfach so gut!

Mit Inspector Alan Grant schuf sie einen sympathischen Ermittler, der mit klarem, analytischem Verstand agiert und auch in kritischen Situationen seine noble Haltung nicht verliert. Diese Haltung ist so unumstößlich mit ihm verwurzelt, dass scheinbar nichts und niemand (selbst Vorgesetzte beißen sich die Zähne aus) sie erschüttern könnte. Womit Tey einen markanten Archetypen etablierte, der im Laufe der Jahrzehnte durchaus so einige „Nachkommen“ vorweisen konnte – von P.D. James „Chief Inspector Adam Dalgliesh“ bis zu „Inspector Thomas Lynley“ von Elizabeth George. Und auch diesmal hat unser tapferer Recke ein kniffliges Rätzel zu lösen…

Die Bewohner von Salcott St Mary haben es nicht leicht. In dem einst beschaulichen Dörfchen haben sich die überspanntesten Künstler*innen Londons angesiedelt: Lavinia Fitch, Autorin romantischer Frauenromane, Bühnenstar Marta Hallard und Miss Easton-Dixon, die jährlich ein Buch mit Weihnachtsmärchen veröffentlicht, sind noch die Harmlosesten. Hinzu kommen der zwar populäre aber sehr von sich eingenommene Rundfunkjournalist Walter Whitmore, der exzentrische Dramatiker Toby Tullis, der verbitterte Balletttänzer Serge Ratoff und der hasserfüllte Schriftsteller Silas Weekley. Der Besuch eines kalifornischen Starfotografen mischt die Künstler*innenkolonie gehörig auf: Alle sind sich einig, dass von Leslie Searle eine schier übermenschliche Attraktivität ausgeht. Und dann verschwindet der geheimnisvolle Schöne spurlos. Alan Grant, Inspector von Scotland Yard und enger Freund von Marta Hallard, wird hinzugezogen. Beinahe jede*r der schrulligen Künstler*innen hätte ein Motiv – und keine*r hat ein Alibi. Aber wer von ihnen wäre raffiniert genug für einen so ausgeklügelten Mord, dessen Opfer sich in Luft aufgelöst zu haben scheint?

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

Ich liebe es, wenn ich merke, dass ein*e Autor*in präzise arbeitet und sich die nötige Zeit nimmt, um die Charakteristika der jeweiligen Figuren zu etablieren bzw. während der fortlaufenden Handlung weiter zu entwickeln. Da wird den Personen die nötige Zeit gewährt, um „atmen“ zu dürfen. Ihnen wird nicht „nur“ der Text in den Mund gelegt, vielmehr werden ihnen – neben kuriosen Marotten und allzu menschlichen Schwächen – ebenso bewundernswerte Stärken und charmante Charakterzüge zugestanden. Es wird ihnen sozusagen „Leben eingehaucht“.

Dies gelingt Josephine Tey so abwechslungsreich und vielschichtig, dass bei der Lektüre keinerlei Langeweile auftaucht. Ganz im Gegenteil: Plot und Figuren sind so prall und spannend kreiert, dass ich anfangs weder den Kriminalfall noch den Kriminalisten vermisste. Abermals bricht sie mit den traditionellen Krimi-Gewohnheiten, indem sie weniger der eigentlichen Tat als vielmehr dem inszenierten Handlungsrahmen den nötigen Raum zur Entfaltung bietet. Sie lässt uns direkt am Geschehen teilhaben. Wir sind als stille Beobachter direkt vor Ort und somit gegenüber unserem Helden im Vorteil. Oder sollte ich sagen „scheinbar im Vorteil“? Obwohl wir alles „gesehen und gehört“ haben, verfügen wir nicht über die brillanten analytischen Kompetenzen von Inspector Alan Grant, um aus den vielen Einzelteilen ein stimmiges Gesamtbild zu zaubern. Wie gut, dass wir solche Kompetenzen nicht besitzen, denn ansonsten bräuchten wir diesen Krimi nicht zu lesen.

Ebenso, wie ich die Präzision der Autorin liebe, erfreue ich mich immer wieder gerne an wunderbare Frauen-Porträts, die zur Entstehungszeit des Romans weit entfernt vom gängigen Klischee waren und somit nicht dem damaligen Frauenbild entsprachen. Tey etablierte eine Schar sehr selbstbestimmter, emanzipierter Frauen – allen voran die aparte Schauspielerin Marta Hallard, die glücklicherweise zum wiederholten Male ein Gastspiel neben Alan Grant geben durfte. Doch es taucht noch ein weiteres interessantes Frauen-Profil in diesem Roman auf: Einzelheiten werden nicht verraten, da diese für die Handlung von entscheidender Bedeutung sind und somit viel von der Spannung nehmen würden.

Apropos Spannung: Ich hoffe, dass ich nicht allzu viel verrate, wenn ich erwähnen, dass dieser Krimi – ähnlich wie schon bei NUR DER MOND WAR ZEUGE und ALIBI FÜR EINEN KÖNIG – gänzlich ohne Leiche auskommt. Nun mag sich vielleicht die eine oder der andere aus meiner Leserschaft fragen „Ist ein Krimi ohne Leiche überhaupt ein Krimi?“, denen rufe ich voller Überzeugung zu…

„Aber natürlich, und dies sogar ganz und gar famos!“

Cover des Buches Agatha Christie Classics: Mord im Orient-Express (ISBN: 9783551728906)

Bewertung zu "Agatha Christie Classics: Mord im Orient-Express" von Agatha Christie

Agatha Christie Classics: Mord im Orient-Express
AndreasKueckvor 2 Monaten
Kurzmeinung: ...mit kleinen Einschränkungen gelungene Comic-Adaption!
...mit kleinen Einschränkungen gelungene Comic-Adaption!

Der renommierte Carlsen-Verlag (Richtig! Die Heimat von Harry Potter!) scheint die Queen of Crime für sich entdeckt zu haben. Die Überschrift „Agatha Christie Classics“ lässt vermuten, dass neben MORD IM ORIENTEXPRESS noch weiter Werke der weltbekannten Krimi-Autorin im Gewand einer Comic-Adaption folgen werden. Klug entschied sich der Verlag zum Start dieser Serie für diesen Kriminalromane aus Christies Feder, der auch dank seiner vielfältigen Umsetzungen für Film, Fernsehen und Bühne eine große Popularität genießt. Für alle, denen die Handlung vielleicht trotzdem nicht ausreichend bekannt sein sollte…

Hercule Poirot kann nur nach einigen Mühen und dank der Hilfe des mitreisenden Direktors der Eisenbahngesellschaft Monsieur Bouc ein Abteil im Kurswagen Istanbul – Calais des Orientexpress ergattern. Mitten im der Nacht versperrt eine Schneeverwehung die Strecke und zwingt den Zug zum Anhalten. Genau zu diesem Zeitpunkt wird der amerikanische Reisende Mr. Ratchett durch zwölf Messerstiche in seinem verschlossenen Abteil ermordet. Monsieur Bouc bittet Poirot, sich dem Fall anzunehmen. Da im Schnee keinerlei Spuren zu entdecken sind, muss sich der Mörder noch im Zug befinden. Im Abteil des Ermordeten findet Poirot einen nicht vollständig verbrannten Brief, aus dessen Rest er auf die Identität des Toten schließen kann: Bei Mr. Ratchett handelt es sich um den Verbrecher Cassetti, der durch Korruption und Bestechung seiner gerechten Strafe entkommen konnte. Cassetti hatte vor einigen Jahren die kleine Daisy Armstrong entführt, Lösegeld für sie erpresst und sie nach Erhalt der Summe erbarmungslos ermordet. Ihre Mutter erlitt daraufhin eine Fehlgeburt und starb an den Folgen. Ihr Vater wurde so von der Trauer übermannt, dass er Selbstmord beging. Eine Zofe von Mrs. Armstrong wurde fälschlicherweise der Mittäterschaft bezichtigt und stürzte sich aus einem Fenster in den Tod. So gehen fünf Leben auf das Konto von Cassetti, dem niemand eine Träne nachweinen würde. Poirot nimmt die Ermittlungen auf, doch weder die gefundenen Indizien noch die Zeugenaussagen der Mitreisenden ergeben ein klares Bild: Erscheint einer der Passagiere verdächtig, taucht unvermittelt ein Zeuge auf, der ein wasserdichtes Alibi liefern kann. Die Situation ist verzwickt: Hercule Poirots berühmten grauen Zellen arbeiten auf Hochtouren…!

Sehr bewusst habe ich hier genau dieselbe Inhaltsangabe gewählt, die ich für meine Rezension zum Roman erstellt hatte. Zeigt sie doch, wie nah sich Benjamin von Eckartsberg bei der Konzeption des Comics am Original gehalten hat. Selbst die bekannten Dialoge bzw. Dialog-Passagen wurden von ihm übernommen. Selbstverständlich fällt bei einem Comic der erzählerische Part weg, da das, was im Roman beschrieben wird, durch die Details der Zeichnungen vorgegeben wird. Da erfolgen zwangsläufig Kürzungen, und Handlungsstränge werden komprimiert wiedergegeben, um den Umfang der Geschichte auf ein genre-typisches Maß zu verdichten. Auch hierbei zeigte Benjamin von Eckartsberg sein Gespür, das Szenario so zu gestalten, dass die Geschichte nicht verfälscht und weiterhin stringent erzählt wird.

Die Zeichnungen von Chaiko überzeugen durch Atmosphäre und Detailgenauigkeit. So wird die klaustrophobische Stimmung im steckengebliebenen Zug recht gut wiedergegeben. Auch arbeitet Chaiko recht effektvoll mit dem Wechsel des Blickwinkels und fokussiert die Aufmerksamkeit der Betrachtenden durch die Wahl der Bildausschnitte. Bei der Physiognomie der Figuren zeigt er bei den Herren deutlich mehr Vielfalt als bei den Damen, die – mit einer Ausnahme – beinah gleichaltrig wirken. Zudem wechselt gegen Ende der Geschichte die Optik einer Protagonistin, was kurzzeitig bei mir für Irritation sorgte.

Alles in allem würde ich hierbei von einer gelungenen Umsetzung dieses Krimi-Klassikers sprechen. Wobei die Graphic Novel bzw. das Comic nach wie vor nicht zu meiner präferierten Lektüre zählt – voraussichtlich auch nie zählen wird. Dafür fehlt mir genau der oben bereits erwähnte erzählerische Part, der nochmals in die Tiefe geht und mir Feinheiten im Wesen der Figuren offenbart. Auch sprechen mich die charakteristischen Zeichnungen des Genres nur bedingt an, erscheinen mir eher wie Gebrauchsgrafiken und weniger wie eigenständige Kunstwerke, wie ich sie z. Bsp. bei illustrierten Büchern so sehr schätze und liebe.

All dies sind die Gründe, warum MORD IM ORIENTEXPRESS höchstwahrscheinlich das einzige Werk aus der Serie „Agatha Christie Classics“ bleibt, dem ich vorübergehend meine Aufmerksamkeit schenkte. Für Comic-Fans, die evtl. bisher nur wenige Berührungspunkte mit den Werken von Agatha Christie hatten, ist dies eine wunderbare Möglichkeit, sich ihnen anzunähern.

Cover des Buches Zwischen Tag und Nacht (ISBN: 9783959392273)

Bewertung zu "Zwischen Tag und Nacht" von Dianne White

Zwischen Tag und Nacht
AndreasKueckvor 2 Monaten
Kurzmeinung: ...entzückendes Bilderbuch über die "blaue" Stunde!
...entzückendes Bilderbuch über die "blaue" Stunde!

Sanft der Abend, der Himmel so weit.
Dunkle Schatten zur Dämmerungszeit.
Rosiger Himmel. Leuchtende Pracht.
Feld und Flur zwischen Tag und Nacht.

Zwischen Tag und Nacht – auch die „blaue“ Stunde genannt – dieser besondere Übergang zwischen den Zeiten des Tages gibt es vor allem im Sommer. Da scheint die Sonne ihre alles blendende Leuchtkraft zu dimmen und taucht die Welt in einen diffusen, geheimnisvollen Schimmer. Alles ist noch zu erkennen, doch glänzt nun in anderen Farben. Details treten in den Vordergrund, die vormals vom grellen Licht überstrahlt wurden.

Als die Nacht hereinbricht, vermissen drei Geschwister ihren Hund. Im leuchtenden Blau brechen sie mit der Taschenlampe auf, ihn zu finden. Während man die Kinder in prächtigen Bildern auf ihrer Suche beobachten kann – im Lavendelfeld, auf mondhellen Wiesen, im schimmernden Laub des Waldes – begleiten kurze Reime atmosphärisch das leise Abenteuer. Eine melodisch stimmungsvolle Reise beginnt. Der Duft des nassen Mooses und der lautlose Eulenflug – die gesamte Pracht der Nacht zur Blauen Stunde – kann man in diesem Gesamtkunstwerk nicht nur sehen, sondern beinahe riechen, hören und fühlen. Nie war die Zeit vor dem Einschlafen friedvoller als mit diesem Buch, das die Dämmerungsstimmung wie eine prächtige Kulisse offenbart!

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

Die Verse von Dianne White (in der gelungenen Übersetzung von Henning Ahrens) fangen diese poetische Stimmung wunderbar ein und zaubern – zu den Illustrationen von Felicita Sala – zusätzliche Bilder aus meiner Erinnerungskommode heraus. Da wandere ich in der Erinnerung zurück in meine eigene Kindheit und denke an die vielen lauen Sommerabende, wo die hektischen Töne der Zivilisation plötzlich immer leiser wurden, bis sie gänzlich verstummten. Da zirpten die Grillen ihre Melodie, da war ein Knacken im Unterholz zu hören, und der Wind ließ die Blätter der Bäume rascheln.

Felicita Sala arbeitet in ihren Illustrationen diesen Stimmungswechsel gut heraus, schafft Atmosphäre durch eine feine Nuancierung in der Farbgebung und lässt die Natur im Dämmerlicht geheimnisvoll aber nie beängstigend erscheinen. Auch die Suche nach dem entlaufenden Hund erfolgt eher beiläufig, und die Kinder scheinen wenig besorgt zu sein. Wahrscheinlich büxt der Racker öfter aus und hat seine bekannten Orte, wo er zu finden wäre, und diese werden von den Kindern nun nach und nach aufgesucht. Auch hier vermeiden die Autorinnen es, die kleinen Leser*innen zu ängstigen, zumal die Suche nach dem Familienhund in den Versen auch nicht thematisiert wird.

Dieses stimmungsvolle Bilderbuch kann als eine wunderbare Vorbereitung dienen, um im kommenden Sommer gemeinsam mit den Kleinsten den Zauber der „blauen“ Stunde zu erleben.

Cover des Buches Das Geheimnis der Silvesternacht (ISBN: 9783608986952)

Bewertung zu "Das Geheimnis der Silvesternacht" von Nicholas Blake

Das Geheimnis der Silvesternacht
AndreasKueckvor 3 Monaten
Kurzmeinung: Eintauchen, Zeit vergessen, wohlfühlen…!
Eintauchen, Zeit vergessen, wohlfühlen…!

In nur wenigen Tagen feiern wir Silvester, verabschieden das alte Jahr und blicken voller Hoffnung ins Neue Jahr. Und mit dieser Rezension verabschiedet sich auch die Rubrik LEKTÜRE ZUM FEST von meinem Blog, um sich hoffentlich am Ende des kommenden Jahres wieder frisch und mit einer Fülle an Lese-Tipps zurückzumelden.

Diesen Roman – obwohl schon im September erschienen und seitdem vom Verlag mir als Leseexemplar zur Verfügung gestellt – habe ich Euch sehr bewusst bisher vorenthalten, um das Jahr 2023 wohlig mit einer klassischen Krimi-Lektüre zu beenden. Denn das Gefühl, beim Lesen wohlig umfangen zu werden, um so ein wenig Ablenkung von den Katastrophen auf dieser Welt zu finden, habe wir uns alle redlich verdient…!

Der legendäre Privatdetektiv Nigel Strangeways verbringt die Silvesternacht in einem stattlichen Herrenhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert im ländlichen England. Doch während überall im Land die Menschen das neue Jahr einläuten, läuft ihm die Zeit davon – denn das Leben eines Kindes steht auf dem Spiel: Nigel Strangeways reist auf Bitte der britischen Regierung über die Weihnachtsferien ins verschneite Südengland, um den Professor Alfred Wragby und seine Familie zu schützen. Dem Physiker ist ein bedeutender wissenschaftlicher Durchbruch gelungen, und jemand ist hinter diesem streng geheimen Wissen her. Als Wragbys achtjährige Tochter Lucy auf ihrem morgendlichen Weg vom Gästehaus zum Briefkasten von russischen Agenten entführt wird, die den Professor erpressen wollen, findet sich Nigel in einem Wettlauf gegen die Zeit wieder, um das Mädchen zu finden und eine Tragödie zu verhindern.

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

Der Klett-Cotta Verlag schickt zum 4. Mal in Neuauflage einen der wunderbar unterhaltsamen Krimi-Schmöker aus der Feder von Nicholas Blake (Pseudonym für Cecil Day-Lewis) ins Rennen. Bei den Wieder-Veröffentlichungen geht der Verlag allerdings nicht chronologisch vor. Da alle Haupthandlungen in sich abgeschlossen sind, fällt dieser Umstand eher unwesentlich ins Gewicht und könnte somit vernachlässigt werden. Als aufmerksamer Leser interessiert mich allerdings auch die private (Weiter-)Entwicklung der Hauptpersonen einer Krimi-Reihe. So war ich etwas überrascht, dass die charmante Gattin unseres Helden, die ich in "Das Geheimnis des Schneemanns" kennenlernen durfte, hier mit keinem Wort erwähnt wird, und er stattdessen mit der aparten Clare Massinger liiert ist. Der Grund: Zwischen den Erst-Veröffentlichungen beider Werke liegen nicht nur satte 23 Jahre, sondern auch 7 weitere Romane, die wahrscheinlich Aufklärung geben könnten über den Verbleib der Ehefrau unseres stattlichen Helden Nigel Strangeways. Dies schmälert natürlich nicht meinen Genuss an dieser Kriminal-Story und darf auch nicht als Kritik an eben jener gesehen werden. Vielmehr geht dieser Hinweis in Richtung des Verlages mit der Bitte, sich bei den Wieder-Veröffentlichungen an der chronologischen Reihenfolge zu orientieren.

Ansonsten legte Blake abermals einen flott zu lesenden Krimi vor, der wieder eine handverlesene Zahl an Charaktere präsentiert, mit intelligenten Dialogen punktet, genügend unterhaltsame Verwicklungen bietet und ganz im Sinne der Entstehungszeit viel Zeitkolorit versprüht. Zudem schieben ihm die Anspielungen an den Kommunismus und dem kaltem Krieg einen Hauch in Richtung eines Spionage-Thrillers. Wobei der Autor wohltuend auf eine allzu plakative Schwarz-Weiß-Skizzierung der Figuren verzichtet, sondern vielmehr auf beiden Seiten sympathische wie auch durchaus weniger sympathische Personen agieren lässt.

Im Mittelpunkt steht selbstverständlich der charismatische Nigel Strangeways, der abermals sehr facettenreich dargestellt wird. Auch wenn Blakes Kriminalromane von der „goldenen“ Epoche des Genres geprägt sind, so ist seine literarische Kreation weniger der Super-Schnüffler, dem alles gelingt und dem die Erfolge nur so zufliegen. Vielmehr muss auch Strangeways so manchen herben Rück- bzw. schmerzhaften Tiefschlag verkraften. Doch all dies macht ihn nur menschlicher und somit nahbarer.

Das nächste Abenteuer von Privatdetektiv Nigel Strangeways wurde vom Klett-Cotta Verlag schon für das Frühjahr des nächsten Jahres angekündigt: Und diesmal hüpfen wir in der Chronologie wieder zwei Schritte zurück…!

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