Ich war von Theresa Hannigs Roman "Pantopia" begeistert und darum sehr gespannt auf dieses neue Buch, von dem ich schon wusste, dass es alles andere als eine Utopie sein würde. Die anfangs naive Autorin Johanna, die in einer nicht zu fernen Zukunft, in der die AfD in der Regierung ist und mit Härte gegen die Klimabewegung vorgeht, ihr "kleines Leben" lebt, verändert sich rasch. Auf einem Klimacamp, das sie für die Recherche für ein neues Buch besucht, bringt ein altgedienter Klimaaktivist sie rasch auf den Stand, auf dem ich als Leserin bereits bin. Zunächst denkt sie noch, seine Zukunftszenarien seien übertrieben, doch ihr wirkliches Aufwachen findet statt, als sie an einer friedlichen Aktion teilnimmt. Die selbstverständliche Gewalt der zukünftigen Polizei leitet die ersten Schritte ihrer Radikalisierung ein und bald schon nimmt sie sich eine Pause von ihrem Leben in einer erkalteten Beziehung und als Mutter einer abgewandten Teenagerin. Die Aussicht, mit ihrem Schreiben nicht nur eine auf Finanzierung durch ihren Mann angewiesene "Künstlerin" zu sein, sondern real mit einem Buch etwas verändern zu können, gibt ihr ein neues, aufregendes Ziel im Leben. Als dann noch ihre kreative Fantasie dem müden, ausgepowerten Kampfarsenal der Klimabewegung mit neuen Ideen frischen Schwung verleiht, ist sie Feuer und Flamme. Doch sie hat nicht bedacht, dass diese ihren Ursprung verzehren und unmerklich beginnt die Situation, die sie selbst geschaffen hat, ihr zu entgleiten, bis sie sich schließlich selbst nicht wiedererkennt.
Theresa Hannig lädt uns Leserinnen in eine Geschichte ein, die erschreckend nahe liegt. Was wäre, wenn eine bislang ausnahmslos friedfertige Bewegung die Bedrohung durch die Untätigkeit der Politik und die Dominanz der klimaschädigenden Industrien ernst nehmen und den zerstörerischen Kräften den wirklichen Krieg erklären würde? Aus der Sicht der Autorin Johanna erleben wir die emotionalen Stadien mit, wenn wir sie nicht selbst bereits kennen. Hannig begibt sich auf eine schmerzhafte Reise, die sich zunächst anfühlt wie ein ersehnter Befreiungsschlag. Die Kapitel, in denen die Entwicklung erzählt wird, sind alle überschrieben mit Meldungen über katastrophale Ereignisse, die der Klimaveränderung zuzuschlagen sind. Diese gewinnen an Brisanz ab dem Moment, als eine Datierung klarmacht, dass diese Meldungen nicht in die erzählte Zeit einige Jahre in der Zukunft gehören, sondern real in 2023 und 2024 durch die Medien liefen. Das Problem ist riesig, global und real. Was können wir tun, da doch so viel auf dem Spiel steht?
Mit ihrem Nachwort rundet die Autorin, die sich politisch als Stadträtin engagiert, ihr notwendiges und verstörendes Buch ab. Wir müssen Wege finden, das bleibt klar, aber es ist keineswegs egal, ob diese friedfertig sind oder nicht.