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Asaviel

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Das wirst du bereuen (ISBN: 9783414824066)

Bewertung zu "Das wirst du bereuen" von Amanda Maciel

Das wirst du bereuen
Asavielvor 10 Jahren
Nichts von dem, was mit Emma passiert ist, geschah wegen mir.

"Nichts von dem, was mit Emma passiert ist, geschah wegen mir. Ich meine, niemand von uns hatte was damit zu tun. Das war Emma selbst. Niemand hat das Seil für sie aufgehängt. Und es ist ja nicht so, dass Emma ein Unschuldslämmchen gewesen wäre. Ganz und gar nicht. Sie war doch diejenige, die..." (Seite 10)  Mobbing ist längst Normalität und Alltag geworden. Das ist erschreckend und umso mehr müssen wir versuchen die Aufmerksamkeit und Sensibilität für dieses Thema zu schüren, denn selbst beteiligte erkennen die Problematik oft nicht.  Genauso ist es auch hier. Die Geschichte um Emma und ihren Selbstmord wird komplett von Sara erzählt. Aus ihrer persönlichen Ich-Perspektive. Ihre Gefühle und ihre Gedanken sind dem Leser immer präsent und es ist ganz klar: Sara gehört zu denen, die Emma, in den Tod getrieben haben, aber Sara ist sich keiner Schuld bewusst. Sie fühlt sich selbst als Opfer - Emma sei vielmehr die Täterin oder später vielleicht ihre Freundin Brielle, aber sie? Nein, Sara hat doch nichts gemacht.  Wer mit Kindern und Jugendlichen zum Thema Mobbing gearbeitet hat, weiß, dass sie genau auf diese Art und Weise reagieren. Natürlich gerät tatsächlich kein Mensch ganz schuldlos in die Rolle des Mobbingopfers, aber diese krasse Sichtverschiebung der Täter ist erschreckend.  Dieser Schrecken wird in "Das wirst du bereuen" sehr deutlich festgehalten, denn ich habe bisher selten ein Jugendbuch erlebt, das so realitätsnah beschreibt und dabei so betroffen macht. Die Ignoranz der Mädchen, dIe Blindheit der Jungen und das Leben der Jugendlichen, das nur auf eine Außenwirkung (Kleidung, Auftreten, die richtigen Freunde) bedacht ist, finet so tagtäglich in unseren Schulen statt.
Und es greift keiner ein, um den Jugendlichen zu helfen, die dabei hinten herunterfallen und sich - aus welchen Gründen auch immer - nicht in diese Situation einpassen können oder zu weit unten in der Hackordnung stehen. "Vielleicht bin ich ein Kind, Dad", sage ich. "Hast du daran schon mal gedacht? Vielleicht hat mir niemand beigebracht, wie man erwachsen wird?" (Seite 257)
Normalerweise übernimmt die Protagonistin (hier Sara) für den Leser die Rolle der Identifikatonsperson. Mit ihr soll man mitfühlen können, sie soll man am besten verstehen und mitfiebern. Das gelingt - ich nehme an mit Absicht - zunächst gar nicht. Sara ist Täterin. Sie hinterfragt zunächst überhaupt nicht, wie es Emma in all den beschriebenen Situationen ergeht. Das bezieht sich auf beide Handlungsstränge. Denn das Buch ist geteilt in die Handlung vor dem Selbstmord und die Handlung danach. Beide steuern auf einen Höhepunkt zu: Selbstmord und Gerichtsverhandlung. Erst nach und nach kann der Leser akzeptieren, dass auch Sara ihr eigenes Päckchen trägt, dass sie nicht nur Täterin ist, sondern ein ganz normales Mädchen und nach und nach verändert sich auch ihre Einstellung zu Emma und zu ihren sogenannten Freundinnen. Das fehlende Unrechtsbewusstsein wird zum Glück aufgeweicht.   Es ist der hohe Realitätsgrad, der diesem Roman ein Problem beschert: Dadurch gibt es einige Längen und obwohl man wissen will, wie es weitergeht, fehlt das Momentum, das den Leser wirklich in seinen Bann zieht und mit sich reißt. 
"Es tut mir nicht leid. Emma war bis zu dem Tag im März, an dem sie sich umgebracht hat, ein Miststück, das anderen den Freund ausgespannt hat. Ich habe nichts Schlimmes getan, aber sie hat mein ganzes Leben zerstört." (Seite 14) 

Fazit: Dies ist ein Roman, der mit seiner besonderen Darstellung der Wirklichkeit, mit dem ausgestreckten Zeigefinger, der genau auf die wunden Punkte zeigt, überzeugen kann und muss. Nachdenklich, betroffen, erschrocken schlägt der Leser das Buch zu und bereut vielleicht ab und an nicht genauer hingeschaut zu haben.  Obwohl die Geschichte einige Längen zeigt, sollte sie gelesen werden, denn sie erhöht ganz klar die Sensibilität für ein Problem unserer Zeit (weit über das Jugendalter hinaus): Mobbing.

Cover des Buches No Way Back (ISBN: 9783641128302)

Bewertung zu "No Way Back" von John Lucas

No Way Back
Asavielvor 10 Jahren
"Das ist das Problem, wenn du fünfzehn bist."

"Die Boys beherrschten die Siedlung, und ich fand bald heraus, dass du ein Niemand bist, wenn du nicht zur Gang gehörst." (Seite 22)

Das Leben in einer Stadt oder einem Viertel, das von einer Gang beherrscht wird,kann man sich als Außenstehender vermutlich gar nicht vorstellen. Jay wird nicht in diese Welt hineingeboren, aber findet schnell heraus, wie der Hase läuft und passt sich an. Das muss er tun. Dieses Gang-Dasein bringt Rechte und Sicherheit für den Jungen mit sich, aber auch viele Regeln und Pflichten, an die man sich halten muss und über die man gleichzeitig schlecht den Überblick bewahren kann. Hier ist Jay sehr reflektiert und so gelingt dem Protagonisten den Leser mit einer Mischung aus Nachdenklichkeit und leicht ironischem Witz an sich zu binden.

"Der Gangster Moses und seine zehn Gebote. Aber es sind mehr als zehn. Es sind so viele, dass ich sie nicht mehr zählen kann." (Seite 96)

Dabei wirkt die Geschichte sehr authentisch. Jay will aufsteigen und muss sich diesen Aufstieg verdienen. Sein Wunsch eigene Wege zu gehen, kollidiert unweigerlich mit den Verpflichtungen, die er eingegangen ist.
Er soll jemanden töten. Es geht um Gewalt, Brutalität und Mord. Wie soll ein fünfzehnjähriger Junge, der sich zwar erwachsen fühlt, es aber längst nicht ist, mit alldem fertig werden, zur Schule gehen, sich verlieben und nun tatsächlich erwachsen werden?
Gleichzeitig ist dieser Jugendroman durchaus auch sprachlich sehr empfehlenswert. Symbolik und Metaphern nehmen implizit einen hohen Stellenwert ein, sodass man hier lernt sich mit sprachlichen Bildern auseinander zu setzen, ohne dass man sich analytisch damit beschäftigen muss.
Es geht aber auch nicht nur um die Gang, es geht um das Erwachsenwerden an sich. Die Abgrenzung zu anderen, aber auch vor allem zu den Eltern. Es geht um Sexualität und den Umgang damit, sehr reflektiert ohne den nervigen erhobenen Zeigefinger.
Obwohl die einzelnen Charaktere immer wieder unfreiwillig komisch wirken, sind sie mit Sorgfalt gezeichnet und dargestellt. Sie lassen den Leser lediglich schmunzeln oder den Kopf schütteln, da man das Verhalten kaum verstehen kann. Doch die hohe Reflektionsfähigkeit des Protagonisten fängt diese Verwirrung und dieses Unverständnis immer wieder gekonnt auf.
Einen Kritikpunkt kann man kaum richtig in Worte fassen. Das Buch reißt den Leser nicht komplett mit und es bleibt wenig in Erinnerung. Ja, es lässt sich gut und schnell lesen, es macht Spaß, aber es wird schnell von anderen Büchern, eigenen Erlebnissen überlagert und so verschwindet dieses Buch schnell aus dem Kopf. Das ist sehr schade.

"Das ist das Problem, wenn du fünfzehn bist. Du fühlst dich zwar nicht wie ein Kind, aber alle behandeln dich so." (Seite 38)

Fazit: Ein gut zu lesendes Buch über das Gang-Dasein und das Erwachsenwerden mit markanten Charkateren und einem reflektierenden Protagonisten. Leider bleibt das Buch nicht hängen, kann nicht komplett mitreißen, aber trotzdem für jeden jugendlichen Leser zu empfehlen.

Cover des Buches Der Schatten meines Bruders (ISBN: 9783407820495)

Bewertung zu "Der Schatten meines Bruders" von Tom Avery

Der Schatten meines Bruders
Asavielvor 10 Jahren
Klasse!

"Schneide tief in einen Baum, und beim Wachsen wächst seine Narbe mit. Sie heilt nicht. Sie verschwindet nicht. Sie wird groß wie der Baum." (Seite 48)

Es gibt Bücher, viel zu viele Bücher, die viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt bekommen als sie verdient haben. Man wird ihnen nicht gerecht, denn sie gehen in der Masse unter. Dieses kleine Büchlein mit gerade einmal 150 Seiten gehört dazu. Es bekommt viel zu wenig Aufmerksamkeit und zumindest ein kleines bisschen möchte ich das ändern. Denn ich habe selten ein Buch erlebt, in dem auf so wenig Seiten so viel Gefühl vermittelt wurde. Im Mittelpunkt des Romans steht Kaia, die vor Beginn der Handlung ihren Bruder tot in seinem Zimmer gefunden hat und seitdem nicht nur mit dem Verlust des geliebten Menschen zu kämpfen hat, sondern auch mit allen Widrigkeiten, die das Leben infolgedessen in ihren Weg gelegt hat. Ihre Mutter ist scheinbar an dem Tod zerbrochen und in der Schule hat Kaia den Anschluss zu ihren Freundinnen längst verloren.  Ihre Geschichte wird sehr intensiv aus der Ich-Perspektive erzählt und so nimmt der Leser direkt an jedem ihrer Gedankengänge teil. Das ist besonders, denn sie denkt viel, sie denkt viel über Dinge nach, die in ihrem Alter nicht selbstverständlich sind.  Der wilde, stumme Junge, der auftaucht und zu Kaias Freund wird hat eine einzigartige Stellung. Er spricht nicht, seine Handlungen wirken konfus und trotzdem ist über weite Teile er es, der Kaia weiterhilft. Dabei kann er nicht charakterisiert werden.

 "Ich bin festgefroren in der Vergangenheit. Festgefroren seit einem Tag, den ich niemals vergessen werde. Erstarrt. Erstarrt. Erstarrt." (Seite 11)

Ganz im Gegensatz zu Kaia. Ihr Charaktere und ihre Verhaltensweisen sind fein gezeichnet und in sich vollkommen schlüssig. Aus ihrer sehr reflektierten Art ergeben sich für sie zehn "Lebensregeln", die sich jeder Leser auch zu Herzen nehmen kann und von denen sich jeder etwas persönlich mitnehmen kann, was sein Leben bereichert.  Es steckt so viel mehr hinter dieser Geschichte als nur der Umgang mit dem Verlust. Familie, Schule und insbesondere Freundschaften sind die Themenfelder, an die man ganz nah herangeführt wird. Man muss sich darauf einlassen, auf diese Geschichte und auch auf den Stil der Geschichte, man muss sich berühren lassen, aber dann kann man etwas Besonderes erleben. 

"Tränen sind sonderbar. Sonderbar, weil es Tränen der Trauer und Tränen der Freude gibt, aber sie kommen immer, wenn die Welt mehr ist, als man aushalten kann, wenn die Gefühle überfließen, wenn unsere Freude und unser Leid irgendwo ein Leck haben wie ein Boot." (Seite 95)

Dabei muss der Leser dann aber am Ende auch akzeptieren, dass eine Frage, die bei jedem unweigerlich beim Lesen aufgeworfen wird, nicht abschließend geklärt wird, sondern dass hier Spielraum für die eigenen Gedanken bleibt.  Weder diesen Punkt noch dass die Nebencharaktere - das heißt die Klassenkameraden Kaias - stereotyp bleiben, sehe ich als Manko der Geschichte. Auf dieser geringen Seitenzahl und mit dieser hohen Intensität ist es nicht vorstellbar mehr als ein oder maximal zwei Charaktere genau und detailliert auszuführen.  Das Ende macht Mut - so viel sei hier vorweggenommen und es lässt den Leser zwar mit einem Herz zurück, das voller Gefühle ist und vielleicht auch mit Tränen in den Augen, aber es ist kein Ende, das verzweifeln lässt oder ähnliches.

Fazit: Ein Buch, dem die Leserwelt bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat und für das man sich einfach mal Zeit nehmen sollte. Gelesen sind die 150 Seiten schnell, aber danach wirkt es weiter und es empfiehlt sich unbedingt der Geschichte danach etwas Zeit zu geben zu wirken und sie sacken zu lassen. Unglaublich berührend und so viel Gefühl, das beim Lesen das Herz überzufließen droht.

Cover des Buches Der Gottbettler (ISBN: 9783442269426)

Bewertung zu "Der Gottbettler" von Michael Marcus Thurner

Der Gottbettler
Asavielvor 10 Jahren
"Helden sind Idioten, und meist haben sie ein relativ kurzes Leben." (Seite 371)

Was wusste Metcairn Nife schon über die Beweggründe dieses Einen, dem er mit all seiner Kraft und all seinem Verstand diente? (Seite 261)

Um sich diesem Buch zu nähern, ist es viel leichter zu erzählen, was es nicht ist: Es ist kein klassisches High-Fantasy Buch. Damit gibt es weder einen Kampf Gut gegen Böse (obwohl die Charaktere das vermutlich anders sehen), noch die bekannte Heldenreise, noch den aufbegehrenden Jüngling, der seine wahre Bestimmung findet. Die hohe Magie, die strahlenden Helden, eine emotionale Liebesgeschichte und ein klassisches Happy End - all das sucht man hier vergeblich.
Ist das dann überhaupt noch Fantasy? Hat Michael M. Thurner vielleicht das Rad neu erfunden?
Wenn man sich die Entwicklung auf dem Markt anschaut, sieht man klar den Trend, dass Geschichten aktuell vermehrt über die Charaktere geschrieben wird. Charaktere, die menschlich sind und vor allem Charaktere, deren Weg nicht gerade vor ihnen liegt, die zweifeln. Die ihre Umwelt und vor allem sich selbst in Frage stellen.
Das ist auch eine der Stärken dieser Geschichte. Sie wird aus wechselnden Perspektiven erzählt. Der Heerführer Metcairn Nife, der für den Gottbettler Krieg führt, um dem Land ewigen Frieden zu bringen und sich bemüht seine Fragen und seine Zweifel zu verdrängen. Der junge Magier Pirmen, mit dem der Leser lernen muss, dass Magie in dieser Welt etwas schrecklich Zerstörerisches ist. Rudynar Pole, der eine Entscheidung gegen sein altes Leben getroffen hat und daran scheinbar zerbrochen, aber vielleicht doch der stärkste Charakter der Geschichte ist. Und dann die "Dame" der Geschichte, die sich mit einem Zitat am besten selbst vorstellt. Dabei sei vorangestellt, dass "die Wand" hier stellvertretend für den Selbstmord steht:

Tercas Refugium, wo sie die Geheimen Künste ausübte, ihrer Sucht frönte und ihrem Beruf nachkam. Als Engelmacherin, Giftmischerin oder Hure - und manchmal, wenn die Wand sie nicht allzu sehr lockte, auch als Herrin der Unterstadt. (Seite 104)

Pirmen, Rudynar Pole und Tecra müssen sich nun zusammenraufen und sich gegen den Gottbettler, der bis zum Schluss eine sehr diffuse Figur bleibt, obwohl er akzentuierte Auftritte innerhalb der Geschichte hat, auflehnen. Dabei sind alle Beweggründe immer durchaus verständlich. Nicht nur diese unfreiwillige Gruppe, auch der Gottbettler und zumeist seine Heerführer meinen den richtigen Weg zu gehen.
Schlagen wir den Bogen zum Anfang der Rezension: Dies ist keine Liebesgeschichte. Klar, ist ja eine Fantasybuch. Ja, aber in welchem Fantasybuch verliebt sich NICHT mindestens einer der wichtigsten Charaktere oder handelt aus den Gefühlen einer verflossenen Liebe heraus? Die Liebe spielt in diesem Buch keine Rolle.
Es ist auch kein Fantasybuch für Jugendliche oder gar Kinder. Dieses Buch ist derb, düster, hart und realistischer, als manch einer es sich wünschen würde. Brutale Vergewaltigungen, Sadismus, Gewalt, Sex, Demütigungen, auf sehr derbe, ja eklige Art und Weise spielen von Beginn an eine Rolle. Sogar mein Magen rebellierte bei der einen oder anderen Szene und das, obwohl ich schon einiges gelesen habe. Die Beschreibungen dieses wahren Lebens sind eingängig und unverblümt, was sie nur umso realistischer wirken lässt.
Wenn man gemeinsam mit den Charakteren nicht nur gekämpft, sondern auch gelitten, gesoffen, gehurt, gekotzt und wieder aufgestanden ist, befindet man sich am Ende einer Geschichte, die tatsächlich in sich abgeschlossen ist, was tatsächlich ungewöhnlich in diesem Genre ist. Alle Fäden werden logisch zusammengefügt. Wie man diesen Abschluss nun nennen will, bleibt dahin gestellt. Er ist gelungen und der Leser bleibt nicht unbefriedigt, das kann gesagt werden.

"Ich hatte gehofft, diese schlechte Angewohnheit, den Helden zu spielen, längst abgelegt zu haben. Helden sind Idioten, und meist haben sie ein relativ kurzes Leben." (Seite 371)

Fazit: Fantasy für Erwachsene, nur für Erwachsene. Dieses Buch gehört mit seiner brutalen Realität und seinen deutlichen Beschreibungen des Derben, Demütigenden und des Perfiden gehört nicht in die Hände von Minderjährigen. Alle anderen erleben eine Geschichte, die so ganz anders ist, als ihre artverwandten und die damit zu faszinieren weiß. Eine Faszination, die man sich vielleicht nicht selbst eingestehen will, da zugleich Ekel geweckt wird. Am meisten überzeugen Charaktere, die keinen geraden Weg vor sich finden, sondern menschlich zweifeln und in Frage stellen.

Cover des Buches Rette mich vor dir (ISBN: 9783442313044)

Bewertung zu "Rette mich vor dir" von Tahereh H. Mafi

Rette mich vor dir
Asavielvor 10 Jahren
Und zum ersten Mal begreife ich, dass ich die Kraft habe, alles zu zerstören. (Seite 62)

"Der Planet ist ein gebrochener Knochen, der nicht mehr heilen kann, zersplittert in tausend Bruchstücke, die man verklebt hat" (Seite 9) Man sollte unbedingt Band 1 "Ich fürchte mich nicht" gelesen haben, bevor man zu diesem zweiten Band der Trilogie greift. Und wer Juliettes Geschichte schon einmal begegnet ist, hat die Erfahrung gemacht, dass die Handlung und die Stimmung recht bedrückend ist. Darum ist zu empfehlen, dass man dieses Buch nur in einer gefestigten Gemütslage liest, ansonsten ist es schwierig und kann den Leser sicher (noch weiter) nach unten ziehen.
Auf jeden Fall wirkt dieses Buch über die Lesezeit hinaus auf die Gedanken und Emotionen des Lesers. Man kann sich ihm gar nicht entziehen. Das liegt - wie bereits erwähnt - hauptsächlich an der Protagonistin. Sie ist zur Handlungslosigkeit verdammt. Sie soll ihre Fähigkeiten weiter erkunden, hat aber Angst vor sich selbst und findet keinen direkten Zugang zu ihrer Macht. Ihre Zweifel scheinen im Verlauf eher zu wachsen, als verstreut zu werden. Immer wieder hat man das Gefühl, dass sie nun doch aus ihrem Schneckenhaus klettert, aber das ist leider lange ein Trugschluss. 
Und zum ersten Mal begreife ich, dass ich die Kraft habe, alles zu zerstören. (Seite 62) Den besonderen Schreibstil, den man schon im ersten Teil kennen lernen durfte und der die nicht nur Sprache oft sehr poetisch wirken lässt, sondern der den Leser auch mit mehrfachen Wiederholungen einzelner Worte direkt hintereinander und durchgestrichenen Worten, Sätzen oder sogar ganzen Abschnitten überraschte, findet sich auch hier. Aber in weit geringerem Maß. Erst dachte ich, das würde für Juliettes innere Entwicklung sprechen, denn aus ihrer Ich-Perspektiver verfolgt der Leser die Handlung. Aber Juliette braucht tatsächlich bis zum letzten Drittel des Bandes, bevor sich eine echte Entwicklung zeigt.  Es sind auch unerwartete Wendung im Mittelteil und am Ende, die Juliette immer wieder aus der Bahn werfen und den Leser überraschen. Ich kann aber beruhigen: Die Autorin erklärt diese abrupten Veränderungen der Situation schlüssig, sodass keine logischen Brüche entstehen. Logikfehler können den Leser hier also nicht verärgern, aber er sollte mit Gewalt, Verwundungen und Krieg umgehen können. Hier lehnen sich Menschen gegen das Regime auf und wie in jeder Gruppierung läuft auch bei den Rebellen nicht alles nach Plan oder gar reibungslos. So entstehen viele Konflikte, die manche Charaktere auch immer wieder mit Brutalität zu lösen versuchen. Es ist zwar keine übertriebene Gewaltdarstellung vorhanden, aber zusammen mit der sehr bedrückenden Gesamtstimmung, wirken sie brutaler als vielleicht in anderen Büchern.
Das Ende bringt keinen echten Abschluss mit sich, was natürlich damit zu erklären ist, dass diese Bücher als Trilogie geplant sind und somit einige Fragen offen bleiben müssen.  Hoffnung ist für mich allmählich nur noch etwas Gefährliches, das mir Angst macht. (Seite 347) Fazit: Somit ergibt sich, dass dieser zweite Band eine gelungene Fortsetzung einer besonders eindringlich geschriebenen Dystopie ist. Der Leser kann sich der Protagonistin Juliette nicht entziehen, auch wenn sie und die Geschichte es ihm nicht immer ganz leicht machen. Das passt aber zur Handlung, denn in ihr hat es auch keiner der Charaktere leicht.

Cover des Buches Dunkle Götter - Der Bund (ISBN: 9783492703024)

Bewertung zu "Dunkle Götter - Der Bund" von Michael G. Manning

Dunkle Götter - Der Bund
Asavielvor 11 Jahren
"Der Verstand bringt immer nur alles durcheinander, glaubt mir." (Seite 77)

"Lasst nicht zu, dass euer Verstand das Herz aufhält, Junge. Der Verstand bringt immer nur alles durcheinander, glaubt mir." (Seite 77)

Nach dem Beenden von dem Vorgängerband (Das Erwachen - Band 1) hatte ich mir erhofft und versprochen, dass der Autor mit "Der Bund" sich noch steigern kann und mich damit dann vollständig überzeugt, denn es folgen schließlich noch Bücher in dieser Reihe und die Grundidee ist spannend.
Dabei bleibt es auch in diesem Buch. Die Idee ist spannend. Das Magiesystem ist gut beschrieben und man findet sich in der Welt schnell zurecht. Das "High-Fantasy-Rad" wird zwar nicht neu erfunden, aber da der Autor eine neue Zusammensetzung elementarer Bauteilchen findet, ist das für mich kein Problem. Im Übrigen setzt die Geschichte einige Monate nach dem Ende von "Das Erwachen" ein. Die Zwischenzeit wird gut überbrückt.
Auch die Sprache betreffend hält der Autor sich an das bekannte: Sie bleibt einfach, leicht verständlich und dadurch lässt sich das Buch umso schneller lesen. Es bleibt der Nachteil, das man kaum über schöne, wichtige oder erwähnenswerte Zitate stolpert, aber um sich einfach von einer Geschichte berieseln zu lassen, ist es perfekt, sodass ich hier nicht allzu viel kritisieren möchte.
Leider gibt es nämlich einen Kritikpunkt, der mir am Ende das komplette Buch, ja die komplette Reihe verleidet hat. Es sind die Charaktere. Im ersten Band hatte mich nur der übertriebene Witz gestört, der oft eher an den obligatorischen Klassenkaspar erinnerte. Hier in Band zwei wollte ich die Charaktere oft einfach nur noch schütteln und dabei macht Mordecai, der Protagonist, keine Ausnahme. Vielmehr ist er der Vorreiter.

"Ja, es war natürlich dumm, so etwas zu sagen, aber inzwischen war ich auf zwei meiner Reisegefährten ziemlich wütend." (Seite 21)

Immer wieder musste ich das Gefühl zur Seite schieben, dass ich hier einfach nur vorpubertäre Jugendliche vor mir habe, die sich zanken. Mordecai und seine Freundin wollen zusammenleben, sie wollen ihre Leben sogar voneinander abhängig machen, das ist nötig damit er aufgrund seiner Magie nicht den Verstand verliert. Außerdem geht es um einen Krieg, der über sie hineinbrechen wird und alle töten könnte. Aber die Hauptcharaktere zanken sich wie kleine Kinder. Außerdem lernen sie nichts dazu. Ich konnte kaum eine Entwicklung der Charaktere ausmachen und wenn sie dann doch einmal zu erkennen war, war sie sprunghaft und ließ sich nicht aus den Geschehnissen erklären. Durch diese Konstellation können auch ernste Szenen, die viel Emotionalität in sich tragen könnten, den Leser nicht berühren.
Die Charaktere stehen damit dem direkten Zugang zu einer Geschichte, die es verdient hätte, erzählt zu werden, im Weg. Natürlich kann daran leider auch eine schöne Aufmachung nichts ändern. Für mich ist an dieser Stelle Schluss und ich werde die nächsten Bände nicht weiter verfolgen.

Fazit: Schade. Wider Erwarten ist es dem Autor mit dem zweiten Band nicht gelungen eine Schippe noch oben drauf zu legen. Die Charaktere haben mir die Geschichte leider madig gemacht und ich werde nun auf Abstand gehen. In den USA ein Bestseller, ich kann es nicht nachvollziehen. Aber da muss dann wohl jeder selbst einen Blick hineinwerfen und für sich entscheiden, welcher Meinung er sich anschließt.

Cover des Buches Schattenflügel (ISBN: 9783401067940)

Bewertung zu "Schattenflügel" von Kathrin Lange

Schattenflügel
Asavielvor 11 Jahren
"Bist du arrogant oder einfach nur schüchtern?" (Seite 7)

"Schattenflügel ist ein sehr alter, ländlicher Name für ein Insekt, Kim."

Sie wusste, was jetzt kommen würde und sie schluckte schwer.

"Für eine Libelle", flüsterte sie. (Seite 141)

 

Schon auf Seite eins dieser Geschichte wird die Grundthematik abgesteckt: Kim hat den Tod ihrer älteren Schwester noch nicht überwunden und versucht sich gerade mehr oder weniger erfolgreich durch den Schullalltag zu hangeln. In dieser Situation lernt sie den geheimnisvollen Lukas kennen, der ihr einerseits helfen könnte, andererseits aber selbst scheinbar Geheimnisse hat.  

Schule, Mädchen, Freundinnen und Jungs sind typische Themen eines Jugendbuches. Hier wird es durch die düstere und drückende Stimmung ergänzt, denn Kim ist stark belastet durch den Tod ihrer Schwester. Diese Atmosphäre und die Gefühle der Protagonistin sind von Beginn an gut eingefangen worden. Man kann sich schon auf den ersten Seiten in das Mädchen hineinfühlen. Fühlt einerseits ihre Trauer und Verzweiflung, andererseits auch die Neugier auf diesen Jungen, der sie schon beinahe frech im Eingangsbereich der Schule anspricht. Es ist natürlich absehbar, dass sich hier eine Liebesgeschichte entwickelt. Der mysteriöse, gutaussehende Junge wird beim angestrebten Zielpublikum sicherlich Interesse wecken, sowie auch Kims Freundinnen sie sofort um den Kontakt zu Lukas beneiden.   

  "Bist du arrogant oder einfach nur schüchtern?" (Seite 7)

Die Charaktere sind an sich gut ausgearbeitet und dargestellt. Das gilt vor allem für die Protagonistin und eben für Lukas. Man versteht immer, wenn Kim scheinbar völlig irrational handelt. Aufgrund ihrer Vergangenheit und der Gefühlswert, die eindringlich dargestellt wird, ist jede ihrer Handlungen erklärbar. Auch die Geschichte um den Jungen ist gut durchdacht, auch wenn man ihn manchmal gerne schütteln möchte. Aber das ist aus der Ferne leicht gesagt und viele Teenager würden in seiner Situation wohl ähnlich handeln. Nur Kims Freundinnen wirken in vielen Szenen eher klischeehaft.

Eines muss natürlich erwähnt werden: Für mich war die Geschichte dann recht früh vorhersehbar. Ich wusste, wer der Mörder ist. das Motiv ist dabei relativ lange unklar geblieben. Aber die Unsicherheit, ob ich wirklich richtig liege, hielt sich sehr in Grenzen. Es gab an sich keine Alternativen, wenn die Handlung ohne logische Brüche auskommen sollte. Für die Zielgruppe ist es aber sicherlich angepasst. In dieser Altersklasse ist die Leseerfahrung mit Thrillern natürlicherweise noch nicht sehr hoch und damit der Mörder nicht direkt zu erkennen. Etwas weniger auffällig hätte man es allerdings vielleicht gestalten können.

 

"Ich kann es beherrschen", flüsterte er. "Das verspreche ich dir!" (Seite 94)

 

Fazit: Ein Thriller, der sehr gut der angestrebten Altersklasse angepasst ist. Er enthält Spannung, aber man muss nicht befürchten, dass es für 12-15 Jährige "zu viel des Guten" wäre. Außerdem ist die Handlung in einem Setting angesiedelt, mit dem sich jedes Mädchen und jeder Junge in diesem Alter identifizieren kann. Aufgrund der weiblichen Protagonistin und der Liebesgeschichte ist es aber eher für Mädchen zu empfehlen.

 

Cover des Buches Die amerikanische Nacht (ISBN: 9783100608048)

Bewertung zu "Die amerikanische Nacht" von Marisha Pessl

Die amerikanische Nacht
Asavielvor 11 Jahren
"Wenn du das Lamm geschlachtet hast, bist du zu allem fähig... (S. 243)

"Wenn du das Lamm geschlachtet hast, bist du zu allem fähig und die Welt gehört dir, verkündete die Seite.
Souverän. Tödlich. Perfekt." (Seite 243)

Schon im Prolog wird eine eindrucksvolle Szenerie aufgebaut, der der Leser sich nicht entziehen kann. Sofort ist man dicht an der Seite des Protagonisten und wird in eine Geschichte hineingezogen, die unter die Haut geht.
Besonders auffällig ist natürlich die Aufmachung dieses Buches. Es ist nicht nur ein Roman, der in einem fließenden Text von 800 Seiten erzählt wird. Er wird unterbrochen durch Bilderstrecken, durch Zeitungsartikel, durch quasi handschriftliche Notizen des Protagonisten. Dadurch wird eine Authentizität hergestellt, die kaum mit dem klassischen Text zu erreichen ist und allein dies macht das Buch auf den ersten Blick außergewöhnlich. Diese Besonderheit zeigt dann dem Leser oft genau die Informationen, die die Personen innerhalb der Geschichte auch in dem Moment erhalten. Somit hat der Leser eigentlich nie einen Wissensvorsprung vor den handelnden Charakteren, was die Spannung natürlich erhöht, denn man kann kaum vorhersehen, was passieren wird und man muss über Vergangenes, das nicht beschrieben wurde, ebenso spekulieren wie der Protagonist und die anderen Personen.
Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Scott McGrath. Er ist ein Journalist, den die letzte Informationssuche nach Cordova scheitern ließ, sodass er nun vor dem Scherbenhaufen seines Lebens steht: Er ist ein Journalist ohne Aufträge, wurde von seiner Frau verlassen und sie droht die Besuchszeiten der Tochter komplett zu unterbinden.

"Ich sah nicht aus, als wäre ich auf einer Cocktail-Party, sondern als würde ich auf einem Flughafen darauf warten, das mein Leben startet." (Seite 37)

Nora und Hopper, die ebenfalls wichtige Schlüsselpositionen in der Geschichte einnehmen werden und Scott treffen scheinbar eher zufällig aufeinander und werden dann versuchen die Umstände um Ashleys Tod gemeinsam aufzudecken. Aber auch sie sind stärker in die Sache verstrickt, als es zunächst den Anschein hat.
Es gibt viele Nebencharaktere, die oft nur kurz auftreten, aber irgendwie auch mit Ashley zu tun haben oder hatten. Hier fällt es nicht ganz leicht den Überblick zu behalten. Man sollte sich also auf jeden Fall Zeit für diese Geschichte nehmen und im Zweifelsfall auch einmal zurückblättern, um die Zusammenhänge zu durchschauen. Denn das ist nicht immer ganz einfach. Nach dem sehr spannenden Prolog, gelingt es der Autorin einen langamen Sog zu starten. Man scheint von der Geschichte umkreist und darin eingewickelt, förmlich verstrickt zu werden, ohne dass man es eigentlich bemerkt. Diese Stricke ziehen sich so langsam zu, dass man die Spannung lange nicht greifen kann aber dann bemerkt man, dass man dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen kann und schon nach Kurzem will man, ja muss man unbedingt erfahren, was hinter alledem steckt.
Oft sind die Kapitel sehr kurz, was den beschriebenen Effekt noch verstärkt und aus einer verzwickten Geschichte einen Page-Turner macht, weil ja ein kurzes Kapitel immer noch geht, auch wenn es schon tief in der Nacht ist.
Gerade die drei Hauptpersonen sind in sich wunderbar charakterisiert und folgen keinem Klischee. Sie sind Personen, die man sich so ohne Weiteres im wahren Leben vorstellen kann. Gerade die humorvolle, leicht zynische Art vom Ich-Erzähler Scott und von Nora lockern die Geschichte immer wieder auf, sodass man es nicht mit einer zu ernsten Szenerie zu tun hat, auch wenn das Geschehen natürlich tragisch ist.

"So waren die Frauen - in ständiger Verwandlung. Erst waren sie hilflos und brauchen Unterschlupf und Muffins, und im nächsten Moment machten sie dich gnadenlos gefügig, als wärst du bloß ein biegames Stück Blech." (Seite 132)

Am Ende werden tatsächlich all die Fäden, in die sich die Charkatere und der Leser verstrickt haben, in denen man vermutlich mehr als einmal den Überblick verloren hat und nicht mehr wusste, wohin das Ganze noch führen sollte, so verknüpft, dass alles einen Sinn macht. Damit schafft die Autorin etwas, was man ihr im Verlauf eventuell gar nicht mehr zugetraut hat. Es ist ein Schluss, wie er besser nicht sein könnte und man schließt das Buch beinahe erfurchtsvoll vor diesem Leistung.

Fazit: Marisha Pessl hat ein Werk geschrieben, dass dem Leser einiges abverlangt und mit seinem langsamen Sog erst einmal unbemerkt gefangen nimmt. Einmal angefangen kann man sich der Geschichte nicht mehr entziehen und man muss erfahren, was hinter alledem steckt. Dabei muss man Bedenken, dass es nicht immer einfach ist, jeder Verwicklung zu folgen. Man sollte sich also Zeit nehmen, um den Tod der Tochter Cordovas gemeinsam mit Scott, Nora und Hopper aufzudecken.

"Er stellt irgendwas mit den Kindern an." (Seite 51)

Cover des Buches Angelfall - Fürchtet euch nicht (ISBN: 9783453268920)

Bewertung zu "Angelfall - Fürchtet euch nicht" von Susan Ee

Angelfall - Fürchtet euch nicht
Asavielvor 11 Jahren
Klasse Buch!

"Hier geht es nicht darum, eine logische oder die bestmögliche aller Entscheidungen zu treffen. Paige ist nur ein hilfloses kleines Mädchen. Sie ist meine Schwester, und ich habe keine Wahl. Das Einzige, was hier zu Diskussion steht, ist, wie ich sie rette, nicht, ob ich es versuche." (Seite 85) Als selbstverlegende E-Book-Autorin in den USA bekannt geworden, kommt "Angelfall" nun endlich auch nach Deutschland und hat - zu Recht - einen großen Verlag gefunden. Schon im Englischen hatte ich meine helle Freude an dem Buch, musste es aber auf Deutsch dringend ein zweites Mal lesen. Die komplette Handlung wird aus der Sicht der Jugendlichen Penryn erzählt. Der Ich-Perspektive ermöglicht dem Leser einen Blick in das Innenleben eines ganz besonderen Charakters, denn Penryn muss stark sein, seit ihr Vater die Familie verlassen hat, denn ihre Mutter hat eine psychische Erkrankung und ihre Schwester ist an den Rollstuhl gefesselt. Und dieses nach außen hin so toughe Mädchen hat in sich Abgründe, vor denen jeder von uns nur erschaudern kann. Aber sie geht ihren Weg und tut das, was ihrer Meinung nach getan werden muss. Eine beeindruckend starke Persönlichkeit, die um ihre eigenen Schwächen weiß. "Ich schiebe die schrecklichen, schreienden Bilder in eine dunkle, stille Ecke meines Bewusstseins, die jeden Tag tiefer und überfüllter wird. Eines Tages, schon bald, werden all die Dinge, die ich dort hineinstopfe, herausplatzen und den ganzen Rest von mir infizieren. (Seite 65) Von der ersten Seite an ist Spannung das Hauptmerkmal dieser Geschichte. Es gibt keine Länge, keine Seite, die zu viel ist, keine Szene, die irgendwie langweilt. Die etwas ruhigeren Szenen sind nötig um die Charakterentwicklung voran zu bringen und sind auf ihre eigene Art und Weise ebenso spannend wie Verfolgungs- oder Kampfszenen. Apropos Charakterentwicklung. Die Entwicklung zwischen Penryn und Raffee ist natürlich die spannendste und Raffee ist ebenso ein besonderer Charakter. Oft sehr schweigsam und mit seinen wenigen Worten immer wieder zynisch wirkt er unnahbar, der Leser wird ihn schwer einschätzen können. Doch daraus ergibt sich eine mysteriöse Anziehungskraft und heftige Wortwechsel zwischen ihm und Penryn fordern ein ums andere Mal die Lachmuskeln heraus.  Besonders die Kampfszenen im späteren Verlauf, vor allem zum Ende der Geschichte sind dann äußerst brutal und werden auch fast unbeschönigt beschrieben. Hier drängt sich mir die Frage auf, um man das Buch noch mit gutem Gewissen Jugendlichen empfehlen kann. Denn trotz der Protagonisten in diesem Alter ist die Handlung doch eher auf einer Ebene, die mehr für Erwachsene geeignet sind. Jugendliche mit schwachen Nerven sollten vorsichtig sein und gerade bei diesem Buch empfiehlt sich, dass Eltern immer wieder als Gesprächspartner fungieren, wenn Redebedarf besteht. Auf den letzten 50-100 Seiten gibt es Szenen, bei denen selbst mir anders geworden ist.  Susan Ee nimmt innerhalb dieser rasanten Geschichte viele Fäden auf, die zum großen Teil bis zum Ende und darüber hinaus mitgeführt werden. Das soll heißen, dass am Ende von Band 1 ganz viele Fragen ungeklärt bleiben, auf deren Beantwortung müssen wir mindestens bis zum erscheinen des nächsten Buches warten. Trotzdem ist ein Ende gewählt, bei dem man guten Gewissens einmal auf "Pause" drücken kann, um all die Eindrücke und Geschehnisse dieses Buches zu verarbeiten.    Bleibt zum Schluss noch ein Punkt: Engel können als Fantasywesen, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, kritisch gesehen werden. Jedem muss klar sein, dass sie eine große Rolle spielen und dass sie nicht die friedlichen Geschöpfe sind, wie man sie sich manchmal vorstellt. Ich selbst lese gerne die Geschichten um Engel, Erzengel, Gefallene und Nephilim. Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden und sich deren wichtige Rolle in diesem Buch vor dem Lesen schon vor Augen führen. Im Vergleich zur englischen Originalversion ist die Übersetzung übrigens sehr gut gelungen. Es gibt nur sehr wenige Momente, in denen man über deutsche Wörter stolpert, bei denen man sich eventuell eine bessere Wahl gewünscht hätte. "Ein Teil von mir hasst diese neue Penryn, die ich geworden bin, hasst das Mädchen, das ein sterbendes Geschöpf ohrfeigt." (Seite 31) Fazit: Ein Buch, das in seiner Gesamtheit vollkommen überzeugt. Ich kann nichts kritisieren. Charaktere, Handlung, Spannungsbogen, Witz, Charme, Genremix, Engel und Page-Turner-Effekt. All das zusammen ergibt ein Buch, das man lesen muss. Einzig die Empfehlung für Jugendliche muss in Frage gestellt werden, denn die Szene, die dem Genre Horror zu zurechnen sind, haben es in sich und sind nicht für jeden 14jährigen geeignet.
"Bist du wirklich ein Erzengel?", flüstere ich. Er wirft mir ein süffisantes Lächeln zu. "Beeindruckt?" "Nein", lüge ich. "Aber ich würde gerne ein paar Beschwerden über dein Personal einreichen." "Wende dich an die mittlere Führungsebene." (Seite 287)

Cover des Buches Die wundersame Geschichte der Faye Archer (ISBN: 9783453529922)

Bewertung zu "Die wundersame Geschichte der Faye Archer" von Christoph Marzi

Die wundersame Geschichte der Faye Archer
Asavielvor 11 Jahren
"Manche Geschichten sind wie Melodien." (Seite 28)


Faye Archer lebt ihren Traum. Sie ist Ende Zwanzig, arbeitet in einem Buchladen und ist Künstlerin. Sie lebt in New York, Brooklyn. An dem Ort, den sie liebt. Dieses New York wird oft beschrieben. Dabei werden vor den Schattenseite ganz gerne mal die Augen zugedrückt und man sieht aus Fayes Persepktive nur das Positive. Das macht auch mal Spaß, denn auf anderer Seite bringt diese Geschichte genug Melancholie mit sich.  Das Wundersame dieser Geschichte offenbart sich nur langsam und ist eigentlich nur eine Kleinigkeit und trotzdem von großer Bedeutung. Es lässt sich aber kaum von einem Fantasyroman sprechen. Es ist ein Jugendbuch, das Faye Archers Leben beleuchtet. Individualismus, Freundschaft, Liebe und schlicht die Melodie dieser Geschichte stehen im Mittelpunkt. Dabei geht es viel um Gefühle. Die Gefühle, die Faye empfindet oder die sie durch die Stadt, durch andere Menschen fühlt. Marzi versucht dabei Empfindungen in Worte zu fassen, die sich kaum greifen lassen. "Am nächsten Morgen fühlte sie sich weder gut noch schlecht, dafür aber sehr intensiv und irgendwo dazwischen, wobei sie niemandem hätte erklären können, was sie damit meinte, aber genau so fühlte es sich an." (Seite 237/238) Es ist auf jeden Fall der Stil und die Sprache des Autors, die dieses Buch zu etwas Besonderem machen. Wer andere Bücher von ihm gelesen hat, kennt es schon und wird sich darin verliebt haben. Die Poesie, die Verträumtheit und die Melodie, die Christoph Marzi jedes Mal in seine Werke legt, nimmt den Leser gefangen und entführt ihn in eine andere Welt. Dafür braucht es kaum phantastischen Elemente. Durch diese beiden Punkte "Gefühle" und "Schreibstil" ist es meiner Meinung nach aber auch eher ein Frauenbuch. Teenies und junggebliebene Frauen werden ihre Freude haben. Aber kaum ein gestandener Mann wird sich in dieser Geschichte wiederfinden können.  Ungewöhnlich ist, dass es am Ende keine echte Auflösung gibt. Zum einen kommt es innerhalb weniger Seiten zu einer abrupten Wendung, die den Leser sehr überrascht, obwohl sie nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Zum anderen wird das "Wundersame" nicht abschließend erklärt. Damit wird der eine oder andere sicherlich eher unbefriedigt mit dem Abschluss eines Romans zurückgelassen, der als Einzelband daherkommt und auch an sich keine Fortsetzung fordert. Dies braucht aber kein Manko zu sein, denn man muss nicht immer alles verstehen, um sich darin verlieren zu können. Gestört hat mich die Länge im Mittelteil, in dem auf der Handlungsebene nicht sehr viel passiert. Dies kann nur bedingt durch die Sprache ausgeglichen werden. "Dann, später am Abend, kam der Herbst über sie, und ihr Herz atmete den Winter, der, kühl und gierig besitzergreifend, eigentlich schon längst bei ihr war." (Seite 348)
Fazit: Sprachlich findet der Leser hier ein typisches Marzi-Buch. Was die Handlungsebene betrifft, wendet er sich von echten Fantasyinhalten ab und schafft etwas durchaus Poetisches und Melodisches, das sich kaum in eine Schublade einordnen lässt. Dabei nimmt Faye Archer den Leser aber an die Hand und entführt ihn direkt nach Brooklyn auf eine Art und Weise, wie nur dieser Autor es erreichen kann.

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