Bewertung zu "Gewässer im Ziplock" von Dana Vowinckel
"Er war nur satt, weil er Angst vor dem Hunger hatte.“
Wie sieht ein jüdisches Leben in Deutschland heute aus? In Dana Vowinckels Roman „Gewässer im Ziplock“ tauchen wir in das Leben einer zerrissenen jüdischen Familie ein.
Die 15-jährige Margarita lebt bei ihrem Vater, dem Kantor Avi in Berlin. Die Sommerferien verbringt sie wie gewöhnlich bei ihren Großeltern in Chicago, bis ihre Mutter aus der Versenkung auftaucht und sie zu sich nach Israel einlädt. Dana Vowinckel wirft verschiedenste jüdische Identitäten zusammen: die amerikanische Familie der Mutter, die israelische des Vaters, die Tochter, die in Deutschland aufwächst. Diese Konstellation führt immer wieder zu Identitätsfragen und Konflikten, die die Protagonisten durch das ganze Buch beschäftigten.
Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven von Margarita und Avi. Damit ist der Autorin ein genialer Schachzug gelungen, denn so gewinnt die Handlung an Dynamik und die so unterschiedlichen Sichtweisen, die konservative des Vaters und die liberale der Tochter werden so ständig gegeneinander argumentiert und es entsteht ein vielschichtiges Bild modernen jüdischen Lebens.
„…aus den Lautsprechern kam Schumanns Träumerei, vielleicht ein Zeichen dafür, dass es ein Albtraum war, nicht echt, doch es war echt, scheiße.“
Sprachlich bewegt sich der Roman auf einem hohen Niveau. Die erst 26-jährige Autorin wurde zu Recht beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem Deutschlandfunkpreis ausgezeichnet. Einziger Kritikpunkt meinerseits sind die ausufernden, teils sehr kindischen Streitigkeiten vor allem im letzten Drittel.
Dana Vowinckel ist ein bemerkenswertes Debut gelungen, das einen guten Einblick in das Judentum heute gibt.
4,5/5